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Nach Hwangs Betrug: Die große Inventur

Gesundheit|Medizin

Nach Hwangs Betrug: Die große Inventur
Was können Stammzellen wirklich? Wie weit und wie sicher sind die Therapien mit den angeblichen Wunderzellen?

Es schien so, als habe Hwang Woo Suk von der Seoul National University erreicht, wonach viele Forscher streben: menschliche Embryonen zu klonen und daraus Stammzellen zu gewinnen – die Zellen mit der faszinierenden Eigenschaft, sich in beliebige andere Zellen verwandeln zu können. Behandelt man sie mit den richtigen Wachstumsfaktoren, können sie sich zu Nerven-, Herzmuskel-, oder Insulin produzierenden Zellen entwickeln. Deshalb träumen Forscher, Ärzte und Patienten davon, solche Zellen zur Therapie schwerer Erkrankungen wie Alzheimer oder Herzinfarkt einzusetzen.

Doch Ende letzten Jahres kam die große Enttäuschung: Alles war gelogen. Hwang hatte seine Ergebnisse frei erfunden. Doch was bedeutet das für die Forschung und für die Hoffnungen auf neue Therapien? Was können und wissen die Forscher wirklich? bild der wissenschaft analysiert den Stand der Forschung.

Warum schaute alle Welt gebannt auf Hwangs Ergebnisse?

Die Technik, die Hwang und sein Team als Einzige auf der Welt zu beherrschen schienen, nennt man therapeutisches Klonen. Therapeutisch, weil die auf diesem Weg gewonnenen Stammzellen zur Behandlung von Krankheiten verwendet werden können – und Klonen, weil die Stammzellen das Erbgut von nur einer anderen Person enthalten.

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Ausgangspunkt des therapeutischen Klonens ist eine gespendete Eizelle. Daraus entnimmt man unter dem Mikroskop den Zellkern samt Erbgut und ersetzt ihn durch einen Zellkern aus der Körperzelle eines anderen Menschen. Kerntransfer heißt dieser Vorgang. Er wird auch beim Klonen von Tieren angewendet. Aus einer solchen Eizelle mit neuem Zellkern entwickelt sich mit viel Geschick und Glück ein winziger Klumpen aus einigen Hundert Zellen, eine Blastozyste. Sie enthält in ihrem Inneren Stammzellen, aus denen natürlicherweise sämtliche der über 200 verschiedenen Zellarten des Menschen entstehen. Gelingt es, die Stammzellen aus der Blastozyste zu entnehmen und zur Vermehrung anzuregen, erhält man eine so genannte Stammzelllinie, die sich im Labor kultivieren lässt. Biologen können daran forschen oder sie anregen, Vorläuferzellen von Organzellen zu bilden.

Hwang benutzte zum Kerntransfer das Erbgut von Patienten. Sie litten an Diabetes, Immunschwäche oder an Rückenmarksverletzungen. Hwang wollte mit den Stammzellen die Erkrankungen von ihrer Entstehung an untersuchen. Und diese Zellen sollten zudem Kandidaten für eine Zelltherapie an eben jenen kranken Spendern sein. Da das Erbgut vom Patienten selber stammte, würde es keine Abstoßungsreaktionen geben. Die transplantierten Zellen würden die gleichen Gene und Zellproteine wie der sie empfangende Körper haben und deshalb vom Immunsystem nicht als fremd bekämpft werden.

Bei Labormäusen funktioniert das therapeutische Klonen bereits, bei Menschen jedoch nicht. Weltweit versuchen sich nur zehn Arbeitsgruppen daran, da diese Untersuchungen technisch sehr schwierig sind. Hwangs Arbeiten wurden deshalb als der lange ersehnte Durchbruch angesehen.

„Das Ganze war schon ernüchternd”, konstatiert Miodrag Stojkovic, Embryologe und Stammzellbiologe am Prinz Philip Forschungszentrum im spanischen Valencia. Ihm gelang letztes Jahr mit Kollegen von der University of Newcastle nachweislich der erste Schritt in Richtung therapeutisches Klonen: die Herstellung einer geklonten Blastozyste. Allerdings konnte er daraus keine Stammzellen gewinnen.

Warum ist das Klonen menschlicher Embryonen so schwierig?

Das Hauptproblem des Klonens liegt in der Eizelle, glaubt Reneé Reijo Pera, Ko-Direktorin des Programms für menschliche Stammzellbiologie an der University of California in San Francisco. „Wir verstehen bisher nicht, welche Programme in der Eizelle ablaufen.” Sie befürchtet, dass die Eizellen, mit denen man bisher das therapeutische Klonen versucht, dafür nicht geeignet sind, denn sie stammen meist von Patientinnen in Befruchtungskliniken. „Die geringe Erfolgsquote könnte mit der Qualität dieser Eizellen zu tun haben”, sagt Embryologe Stojkovic. „Vielleicht sind sie nicht ganz in Ordnung. Die Störung der Fruchtbarkeit der Spenderinnen muss ja einen Grund haben.” Er und seine Kollegen versuchen jetzt, Eizellen von gesunden freiwilligen Spenderinnen zu bekommen. Dann kann man aber nicht mit „überzähligen” Eizellen arbeiten, die bei der künstlichen Befruchtung anfallen, sondern muss sie eigens für die Forschung erzeugen. Das ist für die spendenden Frauen eine unangenehme Prozedur, da sie mit Hormonen behandelt werden, damit sie viele Eizellen produzieren.

Wie gut kennen die Forscher die embryonalen Stammzellen?

Embryonale Stammzellen sind die „Mütter aller Körperzellen”. Aus ihnen bildet sich das gesamte Gewebe des Körpers. Aber wie werden aus Stammzellen neue Haut-, Leber-, Muskel- oder Blutzellen, und welche Gene und Moleküle kontrollieren diese Vorgänge? Bislang ist den Forschern nicht einmal klar, was eine embryonale Stammzelle überhaupt zu einer solchen macht. Sie kennen nur drei Gene – mit den Labornamen oct4, nanog und sox2 –, die das Geschehen in der embryonalen Stammzelle steuern. Erst zwei Studien geben Hinweise darauf, wie dieses Gen-Trio andere Gene lenkt und wie es verhindert, dass die Stammzellen des Embryos zu früh beginnen, sich zu spezialisieren. Diese Studien wurden vor allem an Mauszellen gemacht. Die wenigen umfassenden Analysen menschlicher embryonaler Stammzellen deuten darauf hin, dass sich diese deutlich anders verhalten. Außerdem zeigen die Studien, dass die Bedingungen in der Zellkulturschale großen Einfluss auf das menschliche molekulare Geschehen haben.

Sind embryonale Stammzellen schon reif für klinische Tests?

Obwohl man vergleichsweise wenig über sie weiß, wollen einige Biotechfirmen die Tausendsassas bald an Patienten testen. Zwar sind die Risiken nur schwer einzuschätzen, doch die Aussicht auf neue Therapien von schrecklichen Krankheiten ist zu verlockend. Überdies unterstützen vor allem in den USA Patienten, die keine andere Chance mehr für sich sehen, die Stammzellforschung und drücken bei der Anwendung verständlicherweise aufs Tempo. Ihr prominentester Vertreter war der letztes Jahr verstorbene Superman-Darsteller Christopher Reeve, der nach einem Reitunfall vom Hals abwärts gelähmt war.

Als Folge aus diesem Konglomerat von wissenschaftlichen Visionen, merkantilem Profit und menschlicher Verzweiflung liegen den Behörden in den USA und in England bereits Anträge für klinische Studien vor. Gesucht werden Therapien vor allem für Querschnittsgelähmte, Parkinson- und Alzheimerpatienten, Herzkranke und für Menschen, die an Diabetes Typ 1 leiden.

Den schnellsten Takt gibt die US-Biotechfirma Geron vor, die mit dem Neurobiologen Hans Keirstead von der University of California in Irvine zusammenarbeitet. Vor drei Jahren präsentierte Keirstead ein Video von querschnittsgelähmten Ratten, die nach einer Behandlung mit embryonalen Stammzellen wieder zu laufen begannen. Die besten Effekte erzielte er bei frischen, noch nicht vernarbten Rückenmarksverletzungen. Noch in diesem Jahr will er Tests an Menschen starten.

Doch die meisten Forscher sind entschieden der Meinung, dass man noch 5 bis 20 Jahre in die Grundlagenforschung investieren muss, bevor klinische Studien beginnen können. Dafür spricht auch der Befund, dass bei embryonalen Stammzellen in Kultur mit der Zeit sowohl Mutationen bei Genen als auch Veränderungen bei der Gen-Steuerung immer häufiger werden. Diese so genannte Epigenetik hat sich als einer der wichtigsten Faktoren im Leben einer Zelle herausgestellt. (Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Die Drahtzieher der Gene” im Anschluss.)

Entsprechend warnt einer der Pioniere der Stammzellforschung, Austin Smith vom Institut für Stammzellforschung an der University of Edinburgh, vor übereilten Therapieversuchen an Patienten: „Jetzt ist es erst einmal an der Zeit, herauszufinden, ob wir Stammzellen überhaupt ausreichend verstehen, um sie zu medizinischen Zwecken einzusetzen.”

Und: Die Fähigkeit von embryonalen Stammzellen, über 200 verschiedene Zellarten entwickeln zu können, birgt auch ein Risiko: Lässt man diese Zellen nicht reifen, könnten sie nach der Transplantation unkontrolliert wachsen. Der Stammzellforscher Oliver Brüstle von der Universität Bonn erklärt das so: „Eine nicht ordnungsgemäß ausgereifte embryonale Stammzelle macht nach der Transplantation nichts anderes als während der Embryonalentwicklung: Sie bildet verschiedenste Körpergewebe. Ohne die richtigen Signale können dann alle möglichen Zellen entstehen, beispielsweise Knorpel oder Knochen.” Mit verheerenden Folgen, wenn das in den falschen Organen geschieht.

Da bereits wenige unausgereifte embryonale Stammzellen ein Teratom – eine Geschwulst mit Zellen aus fast allen Geweben – entstehen lassen können, ist die gründliche Auslese der Spenderzellen von größter Bedeutung. Für Zelltransplantate werden grundsätzlich nicht die unausgereiften embryonalen Stammzellen verwendet, sondern Vorläuferzellen für die benötigten Organzellen, die man aus den Stammzellen gezüchtet hat. „Die eigentliche Kunst bei der therapeutischen Anwendung von embryonalen Stammzellen ist es, aus diesen Zellen gezielt die Vorläufer für Körperzellen zu gewinnen und sie von den unreifen embryonalen Stammzellen abzutrennen”, betont Brüstle. Das ist vielfach bereits machbar. So kann man schon Nerven-, Herzmuskel- und Insulin bildende Zellen herstellen. Mithilfe genetischer Verfahren trennt man diese Gewebezellen von den unreifen Stammzellen.

Ein weiteres Problem bei der medizinischen Anwendung von embryonalen Stammzellen und beim therapeutischen Klonen sind Seren und Nährzellen von Tieren, die man bis heute braucht, um die Stammzellen zu vermehren und reifen zu lassen. Dadurch können tierische Krankheitserreger übertragen werden und heftige Immunreaktionen gegen die Biomoleküle der andersartigen Lebewesen ausgelöst werden. Darum ist man derzeit sehr darum bemüht, neue tierfreie Kultivierungsmethoden zu entwickeln.

Wie weit ist man mit der Forschung und Anwendung adulter Stammzellen?

Die meisten Arten adulter Stammzellen hat man erst in den letzten fünf Jahren entdeckt. Schon lange bekannt sind Knochenmarkstammzellen, aus denen sich die Blut- und Abwehrzellen entwickeln. Solche Zellen werden seit über 40 Jahren zur Behandlung von Leukämie und Lymphomen eingesetzt. Manche Forscher sind jedoch davon überzeugt, dass die Knochenmarkzellen noch viel mehr können. Vor gut drei Jahren veröffentlichten zwei US-amerikanische Arbeitsgruppen experimentelle Befunde, wonach sich aus Knochenmarkstammzellen sogar Nervenzellen entwickeln können.

Aber warum und wie sollte eine Knochenmarkstammzelle in der Lage sein, Nervenzellen zu bilden? Dazu müsste sie umprogrammiert und wieder ähnlich flexibel werden wie eine embryonale Stammzelle. Im Prinzip ist dies möglich, denn bei der Herstellung von Spermien und Eizellen in Hoden oder Eierstöcken geschieht eine komplette Rückprogrammierung – aber bei adulten Stammzellen?

Viele Forscher sind skeptisch, darunter Magdalena Götz, Leiterin des Instituts für Stammzellforschung am Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München (GSF): „ Nach den ersten Berichten haben viele geglaubt, dass man aus Blutstammzellen Nervenzellen und Herzzellen, ja vielleicht alle Arten von Zellen herstellen kann. Tatsächlich bessern sich ja die Symptome von herzkranken oder hirngeschädigten Mäusen nach der Transplantation von Knochenmarkstammzellen. Doch mit diesen Experimenten hatte man nicht bewiesen, dass die aus den Stammzellen gebildeten neuen Nervenzellen wirklich hirntypische Botenstoffe produzieren, Synapsen bilden und ein elektrisches Erregungsmuster zeigen.” Das hat man erst viel später überprüft – mit enttäuschendem Ergebnis: Die adulten Stammzellen hatten sich nicht zu den gewünschten Organzellen umgewandelt. Die neue Umgebung, also Herzmuskel oder Gehirn, war nicht in der Lage, die transplantierten Knochenmarkstammzellen umzuprogrammieren. „ Schlagzeilen wie ,Blood makes brain‘, sind definitiv Unsinn” konstatiert Götz.

Trotzdem wurden bereits einige Studien an Menschen durchgeführt – ohne eindeutige Ergebnisse. Bei manchen Experimenten besserte sich der Zustand der Patienten, bei manchen nicht. Doch die erste größere „multizentrische und doppelt-blinde, placebokontrollierte” Studie mit 200 Patienten zeigte ganz klar, dass sich die Durchblutung des Herzens nach einem Infarkt verbessert. „Daran gibt es nichts zu rütteln”, meint Stefanie Dimmeler. Die Professorin für molekulare Kardiologie an der Uniklinik in Frankfurt am Main hat die Studie mit durchgeführt. „Doch wir wissen nicht, worauf dieser Effekt zurückgeht”, gesteht sie.

Die Forscher haben zwei Theorien aufgestellt, was mit den transplantierten adulten Stammzellen passiert sein könnte. Entweder haben sich die Zellen mit Muskel- oder Nervenzellen vereinigt – dafür gibt es Hinweise aus Tierversuchen. Oder sie haben schlicht Wirkstoffe ausgeschieden, die sich positiv auf den Selbstheilungsprozess auswirkten. Auch für diese Theorie gibt es Hinweise – beispielsweise von Evan Snyder. Der Stammzellforscher vom Burnham Institute im kalifornischen La Jolla zeigte, dass adulte Nervenstammzellen Stoffe freisetzen, die die Arbeit von Neuronen und deren Überleben unterstützen. Außerdem schützen sie vor Entzündungen und fördern das Wachstum von Blutgefäßen.

Die in Baltimore (USA) ansässige Firma Osiris will die Zellen bald an Menschen ausprobieren. Sie rekrutiert bereits Freiwillige, die sich adulte Stammzellen zur Behandlung von Herzinfarkten, Knorpel- und Bänderschäden im Knie oder zur Therapie der entzündlichen Darmkrankheit Morbus Crohn verabreichen lassen.

Aber auch wenn manche Forscher auf die rasche Anwendung adulter Stammzellen drängen, ist die Situation ähnlich wie bei der Therapie mit embryonalen Stammzellen: Man weiß nicht, was die transplantierten Zellen genau im Körper machen. Außerdem kennt man die Ursachen der teilweise widersprüchlichen therapeutischen Effekte weder bei Versuchstieren noch bei Patienten. Und es gibt erste Hinweise auf Besorgnis erregende Nebenwirkungen.

So hat Jürgen Hescheler, Leiter des Instituts für Neurophysiologie der Universität Köln, beobachtet, dass die „ mesenchymalen” Stammzellen aus dem Knochenmark sich am Herzen so verhalten, wie sie es an ihrem natürlichen Aufenthaltsort tun würden – nämlich Knorpel- und Knochenzellen bilden. Snyder argumentierte angesichts dieser Entdeckung in der Fachzeitschrift „Nature”, das Risiko könne man gering halten, wenn die Stammzellen genau an den Orten eingebracht würden, wo man sie von Natur aus findet. Noch gibt es allerdings keine Versuche, die das endgültig klären.

Das Fazit

Trotz Hwangs Betrug sind Stammzellen aller Art weiter die Therapeutika der Zukunft. Ihr Potenzial ist immens. Aber der Fall Hwang zeigt, was passiert, wenn man zu schnell auf eine praktische Anwendung von Forschung drängt. Stammzellforschung ist immer noch Grundlagenforschung, die in den Kinderschuhen steckt. Es ist nur sieben Jahre her, dass es dem US-Amerikaner James Thomson als Erstem gelang, menschliche embryonale Stammzellen zu züchten.

Betrug ist nur die Spitze des Eisbergs – es ist schon schlimm genug, wenn Forscher Warnzeichen übersehen, sei es aus zu großem Ehrgeiz, Gewinnstreben oder weil sie dem Druck verzweifelter Patienten nachgeben. Überhastete klinische Versuche können für die Behandelten tödlich enden. Und sie wären ein herber Rückschlag für die Forschung – wie bei der Gentherapie: 1999 starb der 18-jährige US-Amerikaner Jesse Gelsinger nach einem Gentherapieversuch. Für das Experiment bestand kein drängender Anlass, denn der junge Mann konnte trotz Krankheit mit medikamentöser Behandlung gut leben. Sofort nach seinem Tod wurden viele Gentherapie-Studien gestoppt. Von einer baldigen Anwendung der Gentherapie redet heute kaum ein Forscher mehr. Man kann nur hoffen, dass in der Stammzelltherapie solche Fehler nicht geschehen. ■

DR. Karin Hollricher ist Biologin und freie Wissenschaftsjournalistin in Neu-Ulm. Ihr Schwerpunkt ist die Gen- und Zellforschung.

Karin Hollricher

COMMUNITY Fernsehen

Die Geheimnisse der Stammzellen faszinieren auch die Kollegen vom TV-Wissensmagazin „nano” . Sie haben in Kooperation mit bild der wissenschaft einen spannenden Fernsehfilm zum Thema produziert.

Verpassen Sie nicht die Erstausstrahlung in 3Sat am Mittwoch, den 1. Juni, um 18.30 Uhr.

Wo in den Tagen danach Wiederholungen in anderen Sendern laufen werden, erfahren Sie im Internet unter der Adresse: www.3sat.de/nano

INTERNET

Links zum Thema Stammzellen finden Sie auf unserer Homepage in der Rubrik medinfo:

www.wissenschaft.de/bdw

LESEN

Martin Heyer/Hans-Georg Dederer:

Präimplantationsdiagnostik, Embryonenforschung, Therapeutisches Klonen

Ein vergleichender Überblick zur Rechtslage in ausgewählten Ländern

Alber Verlag, Freiburg 2006, € 13,–

Thomas Eich

Bioethik und Islam

Reichert Verlag Wiesbaden 2005, € 9,90

Ohne Titel

• Stammzellen bleiben die Therapie der Zukunft, auch wenn die angeblich bahnbrechenden Ergebnisse aus Korea erfunden waren.

• Allerdings sind weder bei embryonalen noch bei adulten Stammzellen die möglichen Nebenwirkungen geklärt.

Ohne Titel

Weltweit sind die gesetzlichen Regelungen zur Herstellung von und zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen sehr unterschiedlich. Das schwierige ethische Problem dabei ist: Mit der Herstellung solcher Stammzellen ist die Zerstörung eines menschlichen Embryos verbunden.

Nicht einmal die Länder der EU sind sich einig, was erlaubt sein soll. Das führt zu Diskussionen in der EU-Kommission und im europäischen Parlament. Die Frage ist: Warum sollen Länder mit restriktiven Gesetzen die Forschung an embryonalen Stammzellen in Ländern mit lockeren Gesetzen finanziell über den EU-Topf unterstützen? Die derzeitigen Pläne zur Forschungsförderung in der EU würden zu der absurden Situation führen, dass beispielsweise deutsche Forscher neue Stammzelllinien nicht herstellen dürfen – und es ihnen auch nicht erlaubt ist, damit zu arbeiten. Doch gleichzeitig wird mit deutschem Geld eben diese Forschung in Großbritannien oder in Schweden unterstützt.

Wegen der weltweit unübersichtlichen Situation formulierte kürzlich im britischen Hinxton eine 60-köpfige Gruppe – bestehend aus Wissenschaftlern, Ärzten, Philosophen, Juristen und Beamten aus 14 Ländern – ein Statement zur Forschung an menschlichen Stammzellen. Darin werden zwar einige umstrittene Themen wie der moralische Status eines Embryos ausgeklammert, aber es wird gefordert, dass gesetzliche Regelungen eindeutig sein müssen und dass Wissenschaftler nicht belangt werden dürfen, wenn sie im Ausland Experimente durchführen, die im eigenen Land nicht erlaubt sind.

Weltweit lassen sich die gesetzlichen Regelungen grob in vier Gruppen einteilen:

1. Freizügig

In Großbritannien, Belgien, Schweden, Israel, Indien, Singapur und einigen weiteren asiatischen Ländern ist das Herstellen und Klonen von menschlichen Embryonen zum Gewinnen von Stammzellen erlaubt.

2. Flexibel

Etwas strenger sind die Regeln in Australien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland und der Schweiz. Hier dürfen Zellkulturen aus embryonalen Stammzellen hergestellt werden, aber nur aus Embryonen, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben sind. Auch Spanien fällt zurzeit noch in diese Kategorie. Dort sollen die Gesetze aber gelockert werden.

3. Restriktiv

Strenge Einschränkungen haben Deutschland, Österreich und die USA. Sie erlauben nur die Forschung an bereits bestehenden oder importierten Stammzelllinien. Neue dürfen nicht hergestellt werden. In Deutschland müssen sie außerdem vor dem 1. Januar 2002 eingeführt worden sein. In den USA ist dieses Verbots allerdings eingeschränkt: Neue Stammzelllinien dürfen hergestellt und zur Forschung benutzt werden, sofern das nicht der Staat bezahlt. Deshalb entstehen an vielen Orten neue Labors, die ausschließlich aus nichtstaatlichen Mitteln finanziert werden. Kurioserweise haben die kalifornischen Bürger in einer Volksabstimmung beschlossen, dass die Förderung der Stammzellforschung ein staatliches, in der Verfassung niedergeschriebenes Ziel sein soll. 300 Millionen Dollar will Kalifornien dafür in den nächsten zehn Jahren aufwenden – vorausgesetzt, die derzeit verhandelten Klagen gegen dieses Gesetz werden abgewiesen.

4. Ungeregelt

Viele Länder haben noch keine Gesetze zur Stammzellforschung, zum Klonen oder zum Status des Embryos erlassen. In der EU sind dies Portugal, Tschechien, Irland, Luxemburg, Malta, Slowakien, Zypern. In Italien liegt ein Gesetz derzeit auf Eis. Auch die meisten islamisch geprägten Nationen kennen keine Stammzellgesetze. Islamische Rechtsgelehrte vertreten hinsichtlich der Bioethik unterschiedliche Auffassungen, berichtet der Bochumer Islamwissenschaftler Thomas Eich, da der Koran nicht eindeutig sagt, wie es um den Schutz des ungeborenen Lebens steht.

Ohne Titel

Um Menschliche embryonale Stammzellen zu gewinnen, muss man einer Blastozyste, einem frühen menschlichen Embryo, Zellen entnehmen. In der Regel wird die Blastozyste dabei zerstört. Um diese ethisch umstrittene Methode zu umgehen, arbeiten weltweit Forscher an Alternativen:

• University of Edinburgh, Arbeitsgruppe um Ian Wilmut, Schöpfer des Klonschafs Dolly: Hier werden nicht menschliche Eizellen verwendet, sondern die von Hasen. Diese werden entkernt und mit menschlichem Erbgut versehen. Es entsteht eine Hasen-Mensch-Chimäre mit menschlichen Genen im Zellkern, aus der sich embryonale Stammzellen züchten lassen. Diese Methode hat zwei wichtige Vorteile: Zum einen sind Hasen-Eizellen nahezu unbeschränkt verfügbar und zum anderen handelt es sich bei dem Konstrukt nicht um einen frühen Menschen. Trotzdem kann man daran viele Prinzipien menschlicher Stammzellen erforschen. Für die medizinische Anwendung am Menschen sind die Zellen wahrscheinlich ungeeignet, da sie noch tierische Bestandteile enthalten.

• Universität Göttingen, Team des Kardiologen Gerd Hasenfuß: Die Forscher gewannen aus den Hoden erwachsener Mäusemännchen so genannte Spermatogonien-Stammzellen. Diese sind normalerweise für die Spermienproduktion verantwortlich, zeigten aber in Experimenten, dass sie sich zu jedem anderen Zelltyp entwickeln und unbegrenzt vermehren können. Sie haben damit die Eigenschaften embryonaler Stammzellen. Auch in Eierstöcken gibt es vergleichbare Zellen. Möglicherweise trägt jeder Mensch in seinen Geschlechtsorganen Zellen, die im Notfall seine geschädigten Körperzellen ersetzen können. kha/juk

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Ka|thar|sis  〈a. [′–––] f.; –; unz.〉 1 seelische Reinigung, Läuterung 2 〈Lit.; nach Aristoteles〉 Läuterung des Zuschauers durch die Tragödie, indem sie in ihm Empfindungen von Furcht u. Mitleid erweckt … mehr

Ei|chel|ent|zün|dung  〈f. 20; Med.〉 Entzündung der Eichel des männl. Gliedes; Sy Balanitis … mehr

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