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Triebwagen im Temporausch

Technik|Digitales

Triebwagen im Temporausch
Durch die Erfindung der Eisenbahn ist die Welt überschaubarer geworden. Doch das Rad-Schiene-System hat allmählich ausgedient: Der Zug der Zukunft schwebt auf einem Magnetfeld.

Wie die Bahn heute durch die Lande rast

Die Republik ist klein geworden: Wer in Köln in einen modernen Hochgeschwindigkeitszug einsteigt, erreicht das etwa 500 Kilometer entfernte Berlin in 4 Stunden und 15 Minuten. Die rund 700 Kilometer lange Fahrt von Hamburg nach München dauert nur noch sechs Stunden. Bis zu 300 Kilometer in der Stunde bewältigt die neue Generation des Inter-City-Express (ICE), der ICE-3. Drinnen merkt der Passagier wenig vom Tempo. Allenfalls fallen ihm auf Streckenabschnitten mit vielen und langen Tunneln, etwa zwischen Göttingen und Kassel, immer wieder die Ohren zu – wie in einem Flugzeug nach dem Start.

Vom Flugzeug haben sich die ICE-Hersteller Siemens und Bombardier auch einiges abgeschaut. Die Herstellung zum Beispiel: Wie ein Flugzeugrumpf entsteht auch ein Wagen des ICE als Röhre aus Leichtmetall. Oder die Aerodynamik: Kaum eine Unebenheit stört die glatte Oberfläche, die Übergänge zwischen den einzelnen Wagen sind weitgehend fugenlos.

16 Motoren mit zusammen 8000 Kilowatt Leistung – das entspricht knapp 11 000 PS – beschleunigen den 200 Meter langen ICE-3 auf Tempo 300. Eine Lokomotive hat der Triebzug jedoch nicht. Wagen und Lok sind miteinander verschmolzen. Die Motoren sind an den Fahrgestellen von vier der acht Wagen angebracht. Die gleichmäßige Verteilung der Antriebsaggregate über den ganzen Zug sorgt für eine gute Beschleunigung, auch am Berg. Die braucht der ICE-3: Er wurde für die Schnelltrasse zwischen Köln und Frankfurt entwickelt, auf der er die Steigungen im Westerwald und im Taunus mit Höchstgeschwindigkeit bewältigt. Den Fahrgästen im ersten Wagen bietet der Triebzug eine Perspektive, die in konventionellen Zügen dem Lokführer vorbehalten ist: Durch die Frontscheibe sehen sie Oberleitungsmasten, Kurven, Brücken und Tunnels rasant heranfliegen.

Fährt der 400 Tonnen schwere Zug erst einmal 300 Sachen, ist er nur schwer wieder zum Stillstand zu bringen. Der ICE-3 verfügt über drei voneinander unabhängige Bremssysteme: eine Motorbremse, Scheibenbremsen sowie eine Wirbelstrombremse. Diese erzeugt ein Magnetfeld in den Schienen, das den Zug abbremst und vor allem bei hohen Geschwindigkeiten sehr effektiv ist. Vorteil des eigens für den ICE-3 entwickelten Bremssystems: Es ist reibungsfrei und wird daher nicht vom Zustand der Strecke beeinflusst. Die Wirbelstrombremse funktioniert auf nassen oder mit Laub bedeckten Schienen genauso gut wie auf trockenen Gleisen.

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Die Steuerung des Zugs hat weitgehend der Computer übernommen. Sensoren überwachen die Wagen und funken die Daten permanent an die Leitstellen in Frankfurt und Duisburg: Position und Geschwindigkeit, ärgerliche Kleinigkeiten, etwa eine Funktionsstörung in der Kaffeemaschine im Bordbistro – und Lebenswichtiges: Arbeiten Motoren und Bremsen einwandfrei? Und vor allem: Sind die Räder in Ordnung? Seit dem Zugunglück von Eschede am 3. Juni 1998 stehen sie unter besonderer Aufsicht. Damals entgleiste ein ICE-1, nachdem ein Radreifen gebrochen war, und prallte gegen eine Brücke. Bei dem Unglück kamen 101 Menschen ums Leben, 88 wurden schwer verletzt. Es war das bis dato schwerste Unglück eines Hochgeschwindigkeitszugs. Dennoch bleibt die Bahn das sicherste Verkehrsmittel. Spitzenreiter bei der Verkehrssicherheit ist Japan, wo es nur einen einzigen Unfall des Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen (auf deutsch: Neue Hauptstrecke) gab: Am 23. Oktober 2004 entgleiste ein Zug während eines starken Erdbebens. Zum Glück blieben alle Passagiere unverletzt.

Als 1991 in Deutschland das Zeitalter der Hochgeschwindigkeitszüge begann, waren die Japaner schon seit fast drei Jahrzehnten im Geschwindigkeitsrausch. Seit 1964 saust der Shinkansen von Tokio nach Osaka. Mit 443 km/h Höchstgeschwindigkeit ist er der zweitschnellste Zug der Welt. Überholt wird er nur vom französischen TGV (Train à Grande Vitesse – auf deutsch: Hochgeschwindigkeitszug). Der von dem französischen Unternehmen Alstom entworfene Zug erreichte bei einer Rekordfahrt 1990 ein Tempo von 515,3 km/h. Verglichen damit ist der ICE-3 geradezu langsam: Er schaffte 2001 zwischen Hannover und Berlin 368 km/h. Im normalen Betrieb ist jedoch bei 300 Kilometern pro Stunde Schluss.

Derzeit richten die Bahngesellschaften Deutschlands, Frankreichs und Italiens ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz ein. Die Deutsche Bahn (DB) und die französische Société Nationale des Chemins de Fer Français (SNCF) testen bereits den Einsatz von ICE-3 und TGV beim Nachbarn. Der ICE-3 fährt probeweise auf der 280 Kilometer langen Strecke zwischen Lyon und Aix-en-Provence, der TGV ist im Testbetrieb auf Gleisen in Süddeutschland unterwegs. Danach entscheiden das deutsche und das französische Verkehrsministerium über eine verbindliche Zulassung des Betriebs der beiden Hightech-Züge im jeweiligen Nachbarland. Bekommen sie die Erlaubnis, die Grenze zu passieren, geht es voraussichtlich ab 2007 im Eiltempo und ohne Umsteigen von Frankfurt und Stuttgart nach Paris.

Dafür wollen DB, SNCF und die italienische Gruppo Ferrovie dello Stato sogar gemeinsam die Entwicklung eines neuen Zuges durchsetzen. Der wird allerdings frühestens Mitte des nächsten Jahrzehnts durch Europa rollen. „Vor 2015 hat die Deutsche Bahn keinen Bedarf an neuen Hochgeschwindigkeitszügen“, sagt Christine Geißler-Schild, Sprecherin der DB in Berlin.

Es wäre nicht der erste europäische Zug: Bereits 1957 etablierten die damaligen EWG-Staaten und die Schweiz ein Verbindungsnetz, auf dem verschiedene, eigens dafür entwickelte Züge verkehrten. Allerdings konnten sich die Beteiligten nicht auf einen einheitlichen Zug einigen. Deshalb fuhren verschiedene Triebwagenzüge unter der Bezeichnung „Trans Europ Express“ auf den Strecken Westeuropas. Zu erkennen waren sie am einheitlichen Anstrich: Die schnittigen Züge, etwa die deutsche Baureihe 601, waren alle rot und beige lackiert.

Wie die Bahn einst über die Gleise schnaufte

Das erste Dampfross zuckelte vor über 200 Jahren, am 21. Februar 1804, in Wales über einen Schienenstrang. Sein Konstrukteur Richard Trevithick hatte zuvor bereits zwei mit Dampf getriebene Wagen für die Straße gebaut. Aus ihnen entwickelte er einen weiteren für die Schiene. Seine Lok war kräftig genug, einen Zug mit fünf Wagen zu ziehen, die mit zehn Tonnen Eisen und 70 Passagieren beladen waren. Nur: Die Schienen – aus Gusseisen und für Pferdefuhrwerke ausgelegt – hielten dieser Belastung auf Dauer nicht stand. Immer wieder brachen sie unter dem Gewicht der Lok, die deshalb ihr Dasein als ortsfeste Dampfmaschine beenden musste.

In den folgenden Jahren tüftelten etliche Ingenieure in den englischen Bergbaugebieten an neuen, Dampf getriebenen Zugmaschinen. Der Erfolgreichste war George Stephenson: Er baute 1814 eine Lokomotive für ein Kohlebergwerk im Norden Englands, die lange als die erste funktionsfähige Lok galt. Seinen Ruhm als Eisenbahnpionier begründete Stephenson mit der „Locomotion“. Diese Lokomotive eröffnete am 27. September 1825 die erste öffentliche Eisenbahnlinie der Welt, die Stockton & Darlington Railway Company (S&DR). Etwas mehr als drei Stunden dauerte die Jungfernfahrt vom nordenglischen Darlington in die 40 Kilometer entfernte Hafenstadt Stockton-on-Tees, wo der Zug mit Salutschüssen empfangen wurde.

Die S&DR hatte bereits die noch heute in vielen Ländern gültige Spurbreite von 1435 Millimetern, die der Norm-Spurbreite englischer Postkutschen entsprach. Denn die Personenwagen der SD&R waren nichts anderes als umfunktionierte Postkutschen: Stephenson setzte deren Aufbau einfach auf ein anderes Fahrgestell. Der vertraute Anblick half, vielen die Angst vor dem dampfenden und zischenden Gefährt zu nehmen.

Zu Stephensons Überraschung nahm der Güterverkehr in den folgenden Jahren stärker zu als der Personenverkehr. Das brachte ihn auf die Idee, eine Bahnlinie zwischen Liverpool, wo Schiffe die Baumwolle aus Nordamerika anlieferten, und Manchester, dem Zentrum der englischen Textilindustrie, zu bauen. Sie wurde 1830 von Stephensons „Rocket“ eingeweiht. Da zwischen den beiden nordenglischen Industriestädten mehrere Züge gleichzeitig unterwegs waren, regelten Signale und Weichen den Verkehr.

Die Kontinentaleuropäer dagegen mussten sich noch einige Jahre gedulden, bis sie in eine Eisenbahn einsteigen konnten: Im französischen Zentralmassiv wechselte sich ab 1830 eine Dampflok mit der Pferdebahn ab. Fünf Jahre später wurde zwischen Brüssel und Mecheln die erste, ausschließlich mit Dampf betriebene Eisenbahnstrecke auf dem Kontinent eingeweiht. Im selben Jahr begann auch in Deutschland das Eisenbahnzeitalter: Am 7. Dezember 1835 tuckerte die von dem Engländer Stephenson gebaute Lokomotive „Adler“ sechs Kilometer weit von Nürnberg nach Fürth. Doch auch hier verkehrten noch bis 1863 Pferdebahnen zusammen mit dem Dampfzug. Die erste Strecke ohne die 1-PS-Konkurrenz wurde 1837 in Sachsen eröffnet. Von dort stammt auch die erste deutsche Lokomotive: die Saxonia (1838), deren Nachbau heute im Dresdner Verkehrsmuseum bestaunt werden kann.

In den folgenden Jahrzehnten wurden die Lokomotiven immer größer und stärker. Zwei Bauarten bildeten sich heraus: einmal Güterzug-Lokomotiven wie die deutsche Baureihe 50, mit mehreren kleinen Rädern, die genug Kraft erzeugten, um viele, schwer beladene Wagen zu ziehen. Die langen Ungetüme liefen jedoch Gefahr, in Kurven aus den Schienen zu springen. Doch der Schweizer Ingenieur Anatole Mallet fand eine Lösung: Er konstruierte eine Lokomotive mit zwei Fahrgestellen, von denen eines starr, das andere beweglich gelagert ist. Das verbesserte die Kurvengängigkeit der Lokomotiven und ermöglichte es, Maschinen wie die amerikanische „Big Boy“ mit acht angetrieben Achsen zu konstruieren. Für die eiligen Passagiere dagegen zählte einzig die Geschwindigkeit. Riesige Triebräder mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern beschleunigten Personenzug-Loks wie die Baureihe 01 auf 130 Kilometer pro Stunde. Dampfloks eigneten sich sogar für Hochgeschwindigkeitszüge: 1936 erreichte die stromlinienförmige Lok der Baureihe 05 auf der Strecke von Berlin nach Hamburg 200,4 km/h.

Doch da waren die Tage unter Dampf bereits gezählt. Diesel und vor allem elektrischer Strom trieben zunehmend die Motoren der Lokomotiven an. Schon früh hatten Erfinder versucht, Lokomotiven elektrisch voranzubringen. Während Deutschland sich 1835 auf den Beginn des Dampfzeitalters vorbereitete, experimentierte im US-Bundesstaat Vermont der Schmied Thomas Davenport bereits mit einem Elektromotor. Er baute eine elektrisch betriebene Miniatur-Lokomotive, für die er zwei Jahre später ein Patent erhielt.

Praxistauglich war seine Entwicklung jedoch nicht. Die erste funktionsfähige Elektrolok führte Werner von Siemens 1879 in Berlin vor. Zwar ähnelte sie von der Größe her noch eher einer Modellbahn als einer heutigen E-Lok, zog aber drei Wagen mit 30 Personen – und brachte der Firma Siemens & Halske zwei Jahre später den Auftrag, eine 2,4 Kilometer lange Straßenbahn in Lichterfelde bei Berlin zu bauen. Es war die erste Elektrobahn im regulären Betrieb. Die ersten elektrischen Züge auf der Normalspur kamen 1883 in Großbritannien und den USA zum Einsatz. In Deutschland verkehrte die erste E-Lok ab 1895 im Königreich Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang, einer Nebenstrecke der traditionsreichen Schwäbischen Eisenbahn.

Schon bald überholten die E-Loks ihre Dampf getrieben Kolleginnen: 1889 fuhr ein elektrischer Triebwagen in den USA bereits 185 km/h. 1903 erreichte auf einer Strecke im Süden Berlins ein von AEG und Siemens gebauter Drehstrom-Triebwagen sogar schwindelerregende 210 km/h.

Wie die Bahn morgen schwebend Verbindungen schafft

Stelzen statt Schwellen, Schweben statt Fahren – der Transrapid, der Zug der Zukunft, hat nur wenig mit der heutigen Eisenbahn gemein. Der größte Unterschied liegt beim Antrieb: Die Bahn von morgen fährt nicht mehr aus eigener Kraft, sondern wird vom Fahrweg angetrieben. Die Trasse besteht nur aus einer einzigen Schiene, über der der Zug etwa einen Zentimeter hoch auf einem Magnetfeld schwebt. Wie mit einer Klaue umschließt das Fahrzeug die Schiene, was das Entgleisen des Zugs praktisch unmöglich macht. An der Innenseite der Klaue sind Tragmagnete angebracht, die von anderen Magneten an der Unterseite der Trasse angezogen werden und so den Zug in der Schwebe halten. Seitlich angebrachte zusätzliche Magnete verhindern, dass der Zug während der Fahrt hin- und her schlingert.

Bewegt wird der Transrapid von einem so genannten Langstator-Antrieb. Der funktioniert ähnlich wie ein Drehstrom-Elektromotor: Ein fest stehendes Bauteil, der Stator, erzeugt ein elektromagnetisches Feld, das einen Rotor in Bewegung setzt. Der große Unterschied ist, dass sich Stator und Rotor nicht zusammen in einem Gehäuse befinden, sondern auf Fahrweg und Zug aufgeteilt sind. Der Stator im Fahrweg – aus Blechlamellen mit Kabelwicklungen – generiert ein elektromagnetisches Feld, das die Strecke entlang wandert und den Zug rasch mit sich zieht.

Schon der Antritt kann sich sehen lassen: Tempo 300 erreicht der Magnetzug in weniger als 100 Sekunden, auf einer Strecke von 4,2 Kilometern. Ein ICE braucht dafür 30 Kilometer und mindestens die vierfache Zeit. Beim Transrapid ist bei 300 km/h aber noch nicht Schluss. Seine Beschleunigungsphase endet erst nach acht Minuten – bei einer Geschwindigkeit von 550 km/h. In Fahrzeiten ausgedrückt bedeutet das: Mit dem Transrapid würde die Fahrt von Hamburg nach München lediglich zwei Stunden dauern. Das ist zwar immer noch länger als mit dem Flugzeug. Doch angesichts der Zeit, die ein Flugpassagier braucht, um zum Flughafen zu kommen und Check-In sowie Sicherheitskontrolle hinter sich zu bringen, wäre der Hamburger mit dem Transrapid wohl dennoch schneller im Münchner Zentrum.

Die hohe Geschwindigkeit ist nicht der einzige Pluspunkt des Magnetzugs: Da er keinen Kontakt zur Schiene hat, haben seine Komponenten fast keinen Verschleiß und der Zug ist weniger anfällig für Hindernisse. Über kleine Steine, Schnee oder Blätter schwebt er einfach hinweg. Allerdings: Entscheidend leiser als ein schnell rollender Zug ist der Transrapid nicht. Durch die Luft, die an seinen Außenwänden reibt, dröhnt er etwa genauso laut wie ein ICE.

Auf die Idee, einen Zug über einer Schiene schweben zu lassen, kam bereits 1922 der niedersächsische Elektroingenieur Hermann Kemper. Der Sohn eines Fleischfabrikanten überließ seinem Schwager die Leitung des elterlichen Betriebs und kümmerte sich lieber um seine Erfindung. 1934 erhielt Kemper ein Patent auf seine „Schwebebahn mit räderlosen Fahrzeugen, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder schwebend entlang geführt wird“. Es dauerte aber noch über 30 Jahre, bis seine Idee Realität wurde: Erst 1966 traf der Erfinder den Industriellen Ludwig Bölkow in Bad Wörishofen und begeisterte ihn für seinen räderlosen Zug. Vier Jahre später ließen die Ingenieure des Flugzeugbauers Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) einen ersten Prototypen schweben und bewiesen damit, dass Kempers Technik funktionierte.

Bis Ende der Siebzigerjahre befasste sich eine Reihe weiterer deutscher Unternehmen mit der Weiterentwicklung der Magnetschwebebahn, darunter Krauss-Maffei, AEG und Siemens. Schließlich wurde die erste Magnetbahn für den Personenverkehr zugelassen: 1979 schwebten 50 000 Besucher der Hamburger Internationalen Verkehrsausstellung mit der nicht gerade atemberaubenden Geschwindigkeit von 70 km/h über die knapp einen Kilometer lange Versuchsstrecke. Ein Jahr später begann im Emsland, nur wenige Kilometer von Nortrup – dem Geburtsort des Erfinders Kemper – entfernt, der Bau einer Teststrecke für den Transrapid, auf der der Hightech-Zug seit 1984 bis heute seine Runden dreht.

Seither wurden etliche Transrapid-Bauprojekte diskutiert und wieder verworfen, darunter Anfang der Neunzigerjahre eine Trasse zwischen Hamburg und Berlin. Das Prestige, die Magnetbahn erstmals im regulären Betrieb einzusetzen, sicherte sich schließlich die chinesische Millionenmetropole Shanghai. Seit Ende Dezember 2003 befördert der Maglev (von: Magnetic Levitation, auf deutsch: magnetisches Schweben) Passagiere in acht Minuten vom Flughafen Pudong an den Stadtrand Shanghais. Nach einer Senkung der anfangs astronomischen Fahrpreise erfreut sich die Zukunftsbahn inzwischen solcher Beliebtheit, dass die Stadtväter von Shanghai schon über einen Ausbau der Strecke nachdenken. Zur Weltausstellung 2010, so ihre Überlegung, soll die Strecke zum Expo-Gelände und nach Hangzhou erweitert werden. Die knapp 200 Kilometer von Shanghai nach Hangzhou würde der Magnetzug in weniger als einer halben Stunde zurücklegen. Ein Besuch in der laut einem Reiseführer von Marco Polo „schönsten und großartigsten Stadt der Welt“ würde für die Bewohner von Shanghai so zu einem Nachmittagsausflug.

Interesse am Transrapid haben auch Briten, Araber und Amerikaner angemeldet. Auf der Insel könnte der Magnetzug von London über das mittelenglische Industriegebiet bis nach Schottland schweben. Am persischen Golf soll er die Emirate Bahrain und Katar verbinden. In den USA stehen gleich zwei Projekte auf der Agenda, für deren Bau der Kongress bereits 90 Millionen Dollar bewilligt hat. Die Hälfte des Geldes geht nach Nevada, wo in Las Vegas eine 56 Kilometer lange Trasse entstehen soll. Die zweite Hälfte des Budgets ist für die Ostküste bestimmt. Dort stehen drei mögliche Magnetbahnstrecken zur Diskussion: von Pittsburgh nach Greensburg im Bundesstaat Pennsylvania, von Washington nach Baltimore in Maryland oder von der Innenstadt von Atlanta (Georgia) zum Airport Hartsfield. Hartsfield gilt als der Flughafen mit dem höchsten Passagieraufkommen der Welt. An potenziellen Fahrgästen herrscht hier also kein Mangel.

Auch in Deutschland besinnt man sich endlich auf die eigene Spitzentechnologie. In München will die Bayerische Magnetbahnvorbereitungsgesellschaft (BMG), gegründet vom Freistaat Bayern und der Deutschen Bahn, die erste reguläre deutsche Transrapidstrecke bauen. Ab 2010 soll die Magnetbahn die Fahrt für die Passagiere vom Flughafen in die Stadt von derzeit einer Dreiviertelstunde auf zehn Minuten verkürzen. Um den Zeitplan einzuhalten, müssten die Bauarbeiten 2007 beginnen. Die Chance dafür, dass das klappt, ist groß – nachdem die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich den Bau einer Transrapid-Strecke in Deutschland als Ziel für die nächsten Jahre beschlossen hat. ■

Werner Pluta

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Das aufstrebende Bürgertum erkannte schon in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts die wirtschaftliche Bedeutung des neuen Verkehrsmittels und identifizierte die Eisenbahn mit Dynamik und Aufbruch – kurz: mit Fortschritt. Die Bahn sei eine „Volkswohlfahrts- und Bildungsmaschine“, die den Interessen der Menschheit diene, schwärmte 1839 der Nationalökonom Friedrich List. Der Eintritt in die Eisenbahnära wurde gefeiert als der Beginn eines Goldenen Zeitalters ohne Not, Hass und Kriege.

Das Eisenbahnnetz war die Verbindung mit der großen weiten Welt. Eine Stadt mit Bahnanschluss rückte näher an andere Städte heran und wurde Teil eines neuen Kreislaufs von Menschen und Waren. Das ließ man sich etwas kosten. Allein das Verlegen der Schienen verschlang in den ersten Jahrzehnten des Aufbaus des Eisenbahnnetzes astronomische Summen: 140 000 Mark – entsprechend rund drei Millionen Euro heute – kostete damals ein Kilometer Schienen.

Dazu kamen die Kosten für die Bahnhöfe. In den Herzen der großen Städte wurden gigantische prunkvolle Ankunftshallen errichtet. Wer hier ankam, sollte in Ehrfurcht erstarren vor dem Reichtum der Stadt und ihrer Bewohner. Die Bahnhöfe waren die Kathedralen des Fortschritts.

Die Investitionen machten sich schnell bezahlt. Mit der Eisenbahn kam der wirtschaftliche Aufschwung. Neue Handelsbeziehungen wurden geknüpft, ein neuer Industriezweig entstand und gab vielen Menschen Arbeit. Das Eisenbahnfieber beflügelte die Fantasie von Anlegern aus allen gesellschaftlichen Schichten: So kamen 1835 die benötigten anderthalb Millionen Taler für den Bau der „Leipzig-Dresdner Eisenbahn“ in nur zwei Tagen zusammen. Zwei Jahre später löste die Ankündigung des Baus der Taunusbahn von Frankfurt nach Wiesbaden einen Run aus. Anleger zeichneten in kürzester Zeit Aktien im Wert von 21 Millionen Gulden – erwartet hatte man lediglich 500 000 Gulden.

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Die Eisenbahn verkleinerte die Welt und beschleunigte das Leben. Schon bald erreichten die Züge Geschwindigkeiten von 30 oder gar 50 km/h – das war die doppelte bis dreifache Geschwindigkeit einer Postkutsche. Das, so überlegten Mediziner, könne nicht gesund sein. Sie befürchteten, die Reisenden bekämen wegen des hohen Tempos Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Die schnell vorbei fliegenden Bäume würden sich zudem schädlich auf das Sehvermögen auswirken. Um solche Gesundheitsschäden zu vermeiden, schlugen die Ärzte vor, die Bahngleise mit Zäunen zu begrenzen.

Englische Adlige sorgten sich angesichts der Baupläne für die Strecke Liverpool–Manchester vor allem um ihren Lieblingssport: Sie fürchteten, die Eisenbahn werde die Fuchsjagd stören. Manche ihrer Landsleute glaubten auch, die Züge erschreckten das Vieh – weshalb Hühner keine Eier mehr legen und Kühe weniger Milch geben würden. Und die Bauern bangten um ihre Existenz: Wenn die Bahn die Pferde überflüssig macht, so ihre Überlegung, wer kauft dann ihr Heu? Begründet war nur die Angst vor Kesselexplosionen, denn in der Frühzeit der Eisenbahn kam es oft zu solchen Unfällen.

Die Mehrheit der Bevölkerung indessen bejubelte jeden Fortschritt und jede technische Neuerung, so lange sie nur mehr Komfort und kürzere Fahrzeiten bedeutete. Je schneller die Züge wurden, desto mehr Fahrgäste stiegen auf das neue Transportmittel um: Während 1839 die Postkutsche noch 10 Stunden von München nach Augsburg brauchte – eine 60 Kilometer lange Strecke –, schaffte die Bahn die gleiche Route zwei Jahre später in nur drei Stunden. Die Reisenden wussten das zu schätzen: 1838 ließen sich 27 500 Fahrgäste von der Postkutsche über hessische Landstraßen zwischen Frankfurt und Mainz schaukeln. Zwei Jahre später beförderte die Taunusbahn dieselbe Zahl von Fahrgästen in nur zwei Wochen.

Diese Beschleunigung des Lebens, das Schrumpfen von Zeit und Raum, avancierten zum beliebten Thema der zeitgenössischen Literatur. Die rasende Dampflok wurde zum Symbol der Zeit. 1837 notierte der französische Autor Victor Hugo: „Die Blumen am Feldrain sind keine Blumen mehr, sondern Farbflecken oder vielmehr rote oder weiße Streifen. Es gibt keinen Punkt mehr, alles wird zu Streifen. Die Getreidefelder werden zu langen, gelben Strähnen. Die Kleefelder erscheinen wie lange, grüne Zöpfe. Die Städte, die Kirchtürme und die Bäume führen einen Tanz auf und vermischen sich auf eine verrückte Weise mit dem Horizont.“ Wohlgemerkt: Der Temporekord lag damals bei gerade mal 100 Kilometern pro Stunde.

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Trotz Kälte, Unbequemlichkeit und Ruß: Vor einigen Jahrzehnten war die Arbeit zwischen Kohlentender und Feuerklappe der Traumberuf von kleinen und großen Jungs. Selbst in Zeiten von Hochgeschwindigkeitszügen und gesteigertem Umweltbewusstsein ist die Faszination der schnaufenden Ungetüme ungebrochen. Das belegen die Besucherzahlen bei Traditionsveranstaltungen mit Dampfzügen.

Mitfahren mag ja ganz nett sein, ist aber kein Ersatz dafür, ein Dampfross selbst zu steuern. Das erkannten schon Ende des 19. Jahrhunderts die Brüder Eugen und Karl Märklin aus Göppingen, die in der zweiten Generation eine Spielzeugfabrik führten. 1891 hatten die beiden Schwaben die geniale Idee, eine Miniaturbahn im Maßstab 1 zu 32 auf den Markt zu bringen. Die kleinen Züge wurden schnell ein Renner – und sind es bis heute geblieben.

Heutzutage lässt auch der Computer zugige Wünsche in Erfüllung gehen. Mit dem „Train Simulator“, einem PC-Spiel von Microsoft, kann der Hobby-Lokomotivführer auf dem virtuellen Führerstand der unterschiedlichsten Lok-Typen Platz nehmen: Da gilt es, einen Hochgeschwindigkeitszug ohne Verspätung von Washington nach Philadelphia zu chauffieren, bei der Aufklärung eines Mordes im Orient-Express zu assistieren oder trotz eines beschädigten Waggons die Fahrt über einen einsamen Pass in den Rocky Mountains zu meistern. Wer die Aufgaben des Grundspiels alle gelöst hat, auf den warten eine ganze Reihe von zusätzlichen Szenarios: von der Berliner S-Bahn über den ICE-3 auf der Rheinstrecke bis zum TGV. Selbst die Magnetschwebebahn in Las Vegas, in der Realität erst in der Planung, lässt sich schon im Computer ausprobieren.

Wem der virtuelle Zug nicht genügt, der kann sich im wirklichen Leben auf den Eisenbahn-Führerstand schwingen. Über 120 Museumsbahnen gibt es noch in Deutschland – vom Rügener „ Rasenden Roland“ bis zur „Localbahn“ am Tegernsee. Das größte Streckennetz betreiben die in Wernigerode ansässigen Harzer Schmalspurbahnen. Dort gehen lange gehegte Kindheitsträume in Erfüllung: In einem elf Tage dauernden Lehrgang kann jedermann ein Diplom als „Ehrenlokführer“ erwerben.

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Die Idee, sich mit Fahrzeugen „wie auf Schienen“ fortzubewegen, war schon in der Antike bekannt. Waren die Spurrillen zunächst nur ein lästiges Verschleißprodukt, so erkannten die Römer bald, dass regelmäßige Rillen im Straßenbelag durchaus Vorteile haben. Die Führung erlaubte beispielsweise sichereres Fahren. Sie begannen daher, regelmäßige Spurrillen in das Straßenpflaster einzuarbeiten, wie sie noch heute etwa bei Neapel zu sehen sind. Sogar Normen für die Spurweite gab es schon zur Römerzeit.

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