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T. rex und sein britischer Vetter

Allgemein

T. rex und sein britischer Vetter
Große Raubsaurier – der erste Fund in Europa. Tyrannosaurus rex und seine Verwandten sind als reißende Bestien verschrien. Doch jüngste Forschungen beweisen: Die schrecklichen Echsen waren besser als ihr Ruf. INFOS IM INTERNET: Dinosaurier-Museumstour: http://tyrell.magtech.ab.ca/tour/dinorign.html Das A bis Z der Dinosaurier: http://web.syr.edu/~dbgoldma/pictures.html

Die Iguanodon-Lichtung war zum Schauplatz eines schrecklichen Gemetzels geworden. Beim Anblick der Blutlachen und der riesigen Fleischklumpen, die über die Grasfläche verstreut lagen, glaubten wir zuerst, daß eine ganze Anzahl von Tieren abgeschlachtet worden sei. Aber bei näherer Untersuchung der Überreste entdeckten wir, daß alles von einem einzigen dieser plumpen Riesentiere stammte, das in Stücke gerissen worden war von einer Kreatur, die es vielleicht nicht an Größe, gewiß aber an Kraft übertraf.”

Der britische Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle entwarf 1912 in seinem Roman “Vergessene Welt” kein gutes Bild von den Dinosauriern: Plumpe Riesen, gefräßige Kreaturen, die nach einer Mahlzeit ein blutgetränktes Schlachtfeld hinterlassen. An diesem schaurigen Bild hat sich bis heute nichts geändert – das beweist Erfolgsautor Michael Crichton in seinem neuesten Reißer, der ebenfalls den Titel “Vergessene Welt” trägt und der zur Zeit in der Verfilmung von Steven Spielberg im Kino für Furore sorgt.

Seit ihrer Entdeckung Anfang des 19. Jahrhunderts faszinieren Dinosaurier die Menschen. Generationen von Wissenschaftlern haben versucht, mehr über die Welt der Riesenechsen zu erfahren – eine Welt, die nur aus den beiden Kontinenten Laurasien und Gondwanaland bestand, eine Welt ohne Menschen und ohne Blütenpflanzen.

In Amerika und Asien fanden die Forscher überdurchschnittlich viele fossile Überreste von Dinosauriern. In Europa ist der Fossilbericht eher dürftig, weil weite Teile unseres Kontinents während der erdgeschichtlichen Epochen Jura (vor 195 bis 135 Millionen Jahren) und Kreide (135 bis 65 Millionen Jahre) – der Hochzeit der Dinosaurier – vom Meer bedeckt waren.

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Einer der wenigen europäischen Funde ist der gigantische Megalosaurus. Seine Verwandten fand man bisher in Nordamerika (Allosaurus) und in Asien (Sinraptor). Bloß ein einzelner Knochen aus der Unteren Kreide Frankreichs zeugt bisher von Allosaurier-Verwandten auf unserem Kontinent.

Jetzt hat der französische Knochenfund Gesellschaft bekommen: 7,5 Meter mißt Neovenator, der “Neue Räuber” aus der Unteren Kreide der Insel Wight. Das Skelett ist zu 70 Prozent erhalten und zeigt sowohl Ähnlichkeiten mit Allosaurus als auch mit Sinraptor. Stephen Hutt vom Geologischen Museum der Insel und seine Kollegen sprechen daher vom ersten allosauriden Dinosaurierfund Europas.

Besonders wichtig ist die paläogeographische Bedeutung des Fundes, betont der Stuttgarter Paläontologe Rupert Wild. Glaubten die Wissenschaftler bislang, daß Laurasien schon zu Beginn der Kreidezeit durch den atlantischen Ozean in Nordamerika und Eurasien geteilt wurde, spricht die Entdeckung von Neovenator dafür, daß die Erdteile damals mindestens durch Landbrücken verbunden waren.

Dinosaurier beherrschten von der späten Trias (225 bis 195 Millionen Jahre) bis zum Ende der Kreidezeit – also mehr als 140 Millionen Jahre lang – das Tierreich der Erde. Ihre Formenfülle war immens groß. Dennoch vermuten Wissenschaftler, daß alle Dinosaurier einen gemeinsamen Vorfahren in der Gruppe der Thekodontier, der Wurzelzähner, hatten. Die wichtigste Errungenschaft der Thekodontier war die verbesserte Stellung ihrer Gliedmaßen: Im Lauf der Evolution schoben sich die Beine unter den Körper, der nicht mehr – wie bei ihrer krokodilartigen Verwandtschaft – über den Boden schleifte. Durch die veränderte Beinstellung konnten sich die Vierbeiner erheblich schneller fortbewegen.

Lagosuchus, ein kleiner, räuberisch lebender Thekodont aus der Mittleren Trias Argentiniens könnte ein Verwandter eines solchen Dinosaurier-Vorfahren gewesen sein. Der kaum einen halben Meter große Räuber zeigt Merkmale später Thekodontier genauso wie die von späteren Dinosauriern.

Heute teilen Paläontologen die Dinosaurier nach der Lage ihrer Beckenknochen in zwei große Gruppen ein: Ornithischia und Saurischia. Das Becken der pflanzenfressenden Ornithischia ähnelt dem heutiger Vögel. Die Saurischier dagegen hatten ein echsenartiges Bekken. Sie werden wiederum in die pflanzenfressenden Sauropoden und die fleischfressenden Theropoden (Raubtierfüßer) unterteilt. Die berühmtesten Theropoden sind Tyrannosaurus rex und sein argentinischer Konkurrent Gigantosaurus carolinii.

Wissenschaftlich sind Theropoden eine klar umgrenzte Tiergruppe. Alle Theropoden – vom kleinen Procomsognathus bis zum Tyrannosaurus – liefen auf zwei Beinen, die Vorderbeine waren meist zu kurzen Greifarmen umgebildet. Zum Laufen waren die Arme nicht geeignet, aber sie spielten eine große Rolle im Nahkampf mit einem Beutetier. Alle Theropoden hatten drei Zehen und Finger, das Schambein besaß einen fußartigen Fortsatz. Kräftige Kiefer mit sägeblattartigen Zähnen, die bei Abnutzung erneuert wurden, ermöglichten eine erfolgreiche Raubtier-Existenz. Dieses Prinzip findet man heute noch beim “Revolvergebiß” der Haie.

Das Paradebeispiel eines Raubdinosauriers ist Velociraptor antirrhopus. Das etwa drei Meter lange vogelähnliche Raubtier aus der frühen Kreidezeit machte mit seinen langen Klauen und seinem kräftigen Gebiß manchem pflanzenfressenden Koloß den Garaus.

Paläontologen nutzen die anatomischen Besonderheiten der Theropoden, um die urzeitlichen Tiere in ein System einzugliedern. Viel diskutiert wird die Abstammung der Vögel von den Raubdinosauriern. Einige Wissenschaftler bestreiten dies, doch die Skelette vieler Raubdinosaurier sprechen für eine nahe Verwandtschaft.

Erst im vergangenen Mai lieferten argentinische Paläontologen ein neues Indiz für die Hypothese, daß ein zweibeiniger Theropod der Vorfahr unserer Vögel gewesen ist: Unenlagia comahuensis – der “halbe Vogel” – schließt vermutlich die Lücke zwischen Archaeopterix und den Theropoden Dromaesauridea.

Wie aber lebten die Dinosaurier? Wie zogen sie ihren Nachwuchs auf? Oft gibt der Zufall Antworten auf solche Fragen: So bereitete ein Sandsturm, der irgendwann vor etwa 65 bis 97 Millionen Jahren über die Wüste Gobi fegte, einer Kolonie brütender Dinosaurier ein plötzliches Ende – und bewahrte ihre Reste unversehrt bis heute auf. Dieser sensationelle Fund aus dem Jahr 1993 beweist, daß die Raubdinosaurier keineswegs Rabeneltern waren, wie die Forscher bislang vermuteten, sondern daß sich die Tiere sehr um ihre Brut kümmerten.

Die Entdeckung erwies sich als Ehrenrettung für den Oviraptor, den “Eierdieb”, einen zwei Meter langen Theropoden aus der späten Kreidezeit der Mongolei. Die ersten fossilen Überreste des Räubers fanden Wissenschaftler vor 75 Jahren in der Nähe von Eiern, die man dem Theropoden Protoceratops andrewsi zuordnete. Was lag näher, als Oviraptor des Eierraubes zu bezichtigen?

Doch mit der Entdeckung der Brutkolonie in der Wüste Gobi wurde der vermeintliche Eierdieb rehabilitiert: Paläontologen hatten nämlich nicht nur eine ganze Reihe von Dinosaurier-Nestern gefunden, sondern auch das Skelett eines Oviraptors, der über seinen Eiern brütend vom Sandsturm überrascht worden war.

Häufiger als Skelette sind Spuren von Dinosauriern im Sediment: Abdrükke, so groß, daß sie nur von einem prähistorischen Tier stammen können. Ihre Identifizierung ist allerdings äußerst schwierig, da jedes Tier einen individuellen Abdruck hinterläßt und Wind und Wetter die Fußspuren vor und nach der Versteinerung verändern. Auch Größe, Gewicht und Geschwindigkeit des Tieres beeinflussen die Form der Fußabdrücke im Sediment.

Wenn eine eindeutige Zuordnung gelingt, können die Fußspuren den Wissenschaftlern ganze Bände erzählen: von einer Herde pflanzenfressender Vierbeiner, einem angriffslustigen Rudel Theropoden, die über einen riesigen Brontosaurus herfallen, oder von einer Dinosaurier-Familie, die mit ihren Jungen auf dem Weg zu einer Wasserstelle war.

Leider bleiben die Geschichten meist nur Vermutungen, denn beweisen kann man sie letztlich nicht. Trotzdem sind Dinosaurier-Fußspuren nicht nur Anlaß für Spekulationen. “Aus den Fährten läßt sich beispielsweise die Geschwindigkeit eines Tieres errechnen”, erklärt Peter Wellnhofer, Hauptkonservator und stellvertretender Direktor der bayerischen Staatssammlung für paläontologische und historische Geologie und Hüter des deutschen Archaeopterix. Aus der Größe, dem Abstand und der Tiefe der Abdrücke kann die Schrittlänge und die Geschwindigkeit eines Tieres zuverlässiger bestimmt werden als aus der Skelett-Anatomie.

Nach wie vor unbewiesen ist die Behauptung des amerikanischen Paläontologen James Farlow. Er glaubt, daß Tyrannosaurus rex kaum die Geschwindigkeit eines Rennpferdes erreicht haben dürfte – denn einen Sturz aus vollem Lauf hätte das gigantische Tier seiner Meinung nach nicht schadlos überstanden (bild der wissenschaft 7/1997, “Wie schnell war Tyrannosaurus?”).

Bislang nicht geklärt ist auch die Frage, ob Tyrannosaurier Jäger oder Aasfresser waren. Im Gegensatz zu Filmen wie “Jurassic Park” oder “Vergessene Welt”, in denen T. rex mit seinen Kiefern wahllos Ziegen und Autos zermalmt, halten viele Wissenschaftler die Zähne der Giganten für zu schwach, um den Strapazen eines Kampfes mit einem Beutetier standzuhalten. Neue Ergebnisse einer amerikanischen Gruppe von Paläontologen scheinen jedoch die “bissige” Film-Darstellung zu bestätigen.

Die Wissenschaftler des Museums für Paläontologie und Vertebraten-Zoologie der Universität Berkeley und Biomechaniker der Stanford Universität untersuchten nicht den Aufbau der Zähne – wie die meisten ihrer Kollegen. Sie interessierten sich für die Bißspuren auf den fossilen Resten der Beute: Beispielsweise die eines Tyrannosaurus rex auf den Knochen des gepanzerten Pflanzenfressers Triceratops.

bdw-Videoservice Ein Muß für Saurier-Süchtige ist die vierteilige Videoserie “Die Dinosaurier”. Der spannende Wissenschaftskrimi läßt die Riesenechsen aus der Urzeit wieder aufleben.

Jedes Video kostet DM 39,- (im Paket DM 129,-). Bestellkarte hinten im Heft. Durch Simulationen mit den Triceratops-ähnlichen Knochen von Rindern gelang es den Wissenschaftlern, die maximale Bißstärke des Dinosaurier-Königs zu berechnen. Demnach hatte ein Tyrannosaurier die Kraft von maximal 13400 Newton, was der eines Krokodils entspricht. Zum Vergleich: Der Mensch hat eine maximale Bißstärke von 749 Newton, ein Wolf von 1412 Newton. Die Wissenschaftler haben damit zwar nicht bewiesen, daß sich Tyrannosaurus rex auf Beutefang begab. Aber sie konnten demonstrieren, daß seine Zähne durchaus kampftauglich waren.

Ebenfalls ungeklärt ist, auf welche Weise ein jagender Theropod wie Tyrannosaurus seine Körpertemperatur regulierte. Die Struktur der Theropoden-Knochen spricht für einen reptilienähnlichen Stoffwechsel. Demnach müßten die Dinosaurier ihre Körper wie eine Eidechse in der Sonne gewärmt haben. Unter den Theropoden gab es jedoch schnelle Läufer mit einem relativ großen Gehirn, die viel Energie benötigten. Diese Tiere waren offenbar in der Lage, ihre Körpertemperatur zu regeln – wenn auch nicht in dem Maße wie Säugetiere. “Die Dinosaurier waren dennoch keine Warmblüter”, meint Peter Wellnhofer.

Wegen des hohen Energieverbrauchs hatten manche großen Dinosaurier das umgekehrte Problem: Sie mußten ihren massigen Körper abkühlen statt aufwärmen. Möglicherweise dienten ihnen hohle Knochen als eine Art Klimaanlage. “Eine derartige Pneumatisierung der Knochen könnte wie ein Kühlsystem gewirkt haben”, erklärt Michael Maisch vom Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Tübingen.

Neue Funde haben in der Paläontologie immer wieder dazu geführt, daß bislang als wissenschaftlich gesichert geltende Ergebnisse in einem neuen Licht erschienen: Tyrannosaurus rex, der ehemals unumstrittene König der Dinosaurier, hat mittlerweile Konkurrenz aus Argentinien und Marokko bekommen. Und die ersten fossilen Muskelfasern eines Theropoden, die im vergangenen Jahr gefunden wurden, versprechen weitere Überraschungen aus dem Leben der faszinierenden Urwelt-Riesen.

Infos im Internet Dinosaurier-Museumstour: http://tyrrell.magtech.ab.ca/tour/dinorign.htm

Das A bis Z der Dinosaurier: http://web.syr.edu/~dbgoldma/pictures.html

Julia Thiele

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