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ALS DIE KRUSTE KRACHTE

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

ALS DIE KRUSTE KRACHTE
Die Idee ist so einfach, dass man sich wundern muss, warum niemand früher darauf gekommen ist: Ein gewaltiger Meteoriteneinschlag könnte die Plattentektonik auf der Erde ausgelöst haben. von Rüdiger Vaas

„Alles fliesst“, wusste schon der griechische Philosoph Heraklit. Das gilt auch für die vermeintlich feste Erde: In langen Zeiträumen verändert unser Planet völlig sein Gesicht. Denn auf dem zähflüssigen, teilweise geschmolzenen Erdinneren treiben sieben große und etliche kleinere tektonische Platten ähnlich wie Eisschollen auf dem Meer (das griechische Wort „ tekton“ heißt Erbauer). Die 50 bis 100 Kilometer dicken Platten bilden die Böden der Ozeane und die Kontinente. Diese waren in den letzten 1,5 Milliarden Jahren mindestens dreimal zu einem Superkontinent vereinigt, der dann wieder zerbrochen ist. Und sie werden auch in vielleicht 250 Millionen Jahren wieder eine gewaltige Landmasse formen (bild der wissenschaft 6/2008, „Koloss der Kontinente“).

Doch diese Dynamik existiert nicht seit Ewigkeiten. Irgendwann, nachdem sich die zunächst glutflüssige Urerde abgekühlt hatte, begann die Plattentektonik. Was genau den Anstoß gab, darüber rätseln Geophysiker seit Jahrzehnten. Vor einigen Monaten hat Vicki Hansen von der University of Minnesota-Duluth im renommierten Fachblatt „Geology“ eine Hypothese veröffentlicht, die eine plausible Antwort gibt: Die brachiale Gewalt eines Meteoriteneinschlags könnte die Erdoberfläche in Bewegung versetzt haben.

KOSMISCHER ANSTOSS

Geophysiker vermuten schon lange, dass die Geodynamik im Archaikum vor 2,5 bis 3,8 Milliarden Jahren begann. Unklar blieb, wie das geschah. Denn die Urerde war so heiß, dass die Erdkruste sich nicht vollständig verfestigen konnte. Der Einschlag eines großen Planetoiden oder Kometen an einer vergleichsweise dünnen Stelle der Erdkruste könnte eines Tages bewirkt haben, dass dichtes geschmolzenes Material aus dem Erdmantel nach oben quoll und die ersten festen tektonischen Platten bildete. Da dieses Magma einen höheren Schmelzpunkt als die umgebende Kruste hatte, müsste es beim Abkühlen auch rascher erstarrt sein. Wenn der Einschlag heftig genug war, konnte er die dünne, von Konvektionsströmungen im Mantel geschwächte Erdkruste aufreißen, so die Argumentation von Vicki Hansen. Durch das emporquellende Mantelmaterial entstand ein Gebirgsrücken über dem Riss in der Kruste und dann je eine tektonische Platte links und rechts davon (siehe Grafik rechts). Die Platten schoben die Kruste zur Seite bis an den Rand des gigantischen Einschlagskraters, wo sie unter die unbeschädigte Erdkruste abtauchten – die „Subduktion“ begann. Vicki Hansen spekuliert, dass sich die Plattengrenzen entlang von Schwachstellen in der Erdkruste über den Globus ausgebreitet haben und vielleicht andere Einschlagskratern miteinander verbanden.

Dass im Archaikum zahlreiche Meteoriten auf die Erde geprallt sein müssen, wissen Astronomen schon lange. Zählungen und Datierungen der Krater auf dem Mond verraten das. „Die Idee ist gut“, kommentiert der Geophysiker Peter Cawood von der University of Western Australia in Perth Hansens Hypothese. „Die Hypothese beschreibt einen plausiblen Mechanismus, um den schwierigen Anfang der Subduktionsprozesse zu erklären.“

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WENN DAS SCHMIERMITTEL AUSGEHT

Einmal in Gang gekommen, läuft die tektonische Dynamik wie geschmiert. Doch das wird nicht immer so bleiben – denn der Prozess stoppt, wenn das „Schmiermittel“ zur Neige geht. Als solches fungiert das im Gestein eingeschlossene Wasser. Es verdunstet, wenn die irdischen Durchschnittstemperaturen 60 bis 70 Grad übersteigen. Das wird vermutlich in 1,6 Milliarden Jahren der Fall sein, wenn die Sonne 15 Prozent heller strahlt als heute. Sogar die Ozeane werden dann verschwinden, und alles Leben aussterben (bild der wissenschaft 11/2007, „Flammendes Finale“). Die Plattentektonik kommt dann allmählich zum Erliegen. Die Erdkruste wird zu einer starren Hülle, wie sie seit Langem der Planet Mars hat. Dann hören auch die Gebirgsbildungsprozesse auf – die Erde wird immer glatter. Erdbeben und Vulkane gibt es nicht mehr.

Als der Geophysiker Adrian Lenardic von der Rice University in Houston, Texas, mit seinen Kollegen den Stillstand der Plattentektonik in Computersimulationen genauer erforschte, entdeckte er, dass es auch einen ganz anderen Grund für das Erliegen der Erddynamik geben könnte. Es braucht dazu nicht unbedingt Wasser als Schmiermittel. Wenn sich nämlich die Erdatmosphäre aufheizen würde, könnte die Wärme aus dem Erdinneren weniger gut entweichen. Dadurch geriete die „ Mantelkonvektion“ – der Wärmetransport im Erdmantel – durcheinander, und das heiße Mantelgestein wäre weniger zäh. In der Folge würde der „innere Antrieb“, der die tektonischen Platten in Bewegung hält, an Kraft verlieren.

Lenardics Studie hilft auch, andere Himmelskörper besser zu verstehen. Merkur und Erdmond hatten wohl schon immer starre Oberflächen, nicht aber der Mars. Bei der Venus und dem Jupitermond Io könnte es tektonische Prozesse gegeben haben, die noch nicht sehr lange aufgehört haben und vielleicht sogar wieder in Gang kommen.

ZERBRÖSELN NACH DER PAUSE

Vielleicht machte auch die Plattentektonik auf der Erde Pausen, spekuliert Paul Silver von der Carnegie Institution in Washington. Als vor 1,6 bis 1,1 Milliarden Jahren der Superkontinent Rodinia den Globus beherrschte, könnten die Subduktionsprozesse für 100 Millionen Jahre aufgehört haben. Der Vulkanismus erstarb, die Erdkruste wurde kühler und dicker. Ein Neustart der Plattentektonik erfolgte vielleicht, als der Superkontinent unter seinem eigenen Gewicht zerbrache. Graeme Eagles von der University of London und Matthias König vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven haben vor Kurzem ein Modell entwickelt, das beschreibt, wie ein solcher kontinentaler Zusammenbruch vor sich gegangen sein könnte.

Die Prozesse, die das Antlitz unseres Planeten immer wieder umgestaltet haben, sind freilich harmlos gegenüber der Urgewalt des Meteoriteneinschlags, der das ganze Treiben erst in Gang gebracht haben könnte. Dieser Kickstart der Plattentektonik war ein Meilenstein in der Erdgeschichte. Denn der damit einhergehende Vulkanismus änderte die Zusammensetzung der Erdatmosphäre drastisch – eine entscheidende Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung des irdischen Lebens. ■

ES BEGANN MIT EINEM SCHLAG

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