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Unsere Hochschulen brauchen Ausländer

Allgemein

Unsere Hochschulen brauchen Ausländer
Die deutschen Universitäten haben in den vergangenen Jahrzehnten an internationalem Profil verloren. Wie die Trendwende geschafft werden kann, beschreibt DAAD-Vizechef Prof. Max Huber.

bild der wissenschaft: Als Bundesbeauftragter für die Auslandsvermarktung kennen Sie die internationale Leistungsfähigkeit deutscher Hochschulen. Wie schneiden deutsche Unis beispielsweise im Vergleich zu US-Hochschulen ab, Herr Prof. Huber?

Huber: In den USA gibt es etwa 3000 Universitäten, darunter eine Handvoll international herausragender Spitzenuniversitäten. Daneben gibt es eine Reihe von „research universities“, mit denen sich unsere Universitäten durchaus vergleichen können. Wir dürfen aber nicht außer acht lassen, daß es in den USA viele Institutionen gibt, die mit unseren Hochschulen nicht mithalten können.

bdw: Und die besonders guten US-Hochschulen sind deutlich besser als irgendeine deutsche Universität?

Huber: Es gibt auch bei uns leistungsfähige Fakultäten, Institute und viele Hochschullehrer, die den Wettbewerb mit den amerikanischen Spitzenuniversitäten aufnehmen können. So meine ich, daß sich etwa die Mathematik in Harvard und die in Bonn nicht viel schenken. In ihrer öffentlichen Wirkung und Wahrnehmung sind die dortigen Spitzenuniversitäten unseren Hochschulen allerdings deutlich überlegen.

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bdw: Spätestens seit dem Zerfall des Ostblocks liefern die Vereinigten Staaten von Amerika die Leitkultur, an der sich die ganze Welt orientiert. Keine Frage, daß auch Akademiker verstärkt dort hinpilgern. Was haben deutsche Universitäten diesen Verlockungen entgegenzusetzen?

Huber: Die Ausbildung in Deutschland ist in aller Regel sehr gut. Wer etwa Maschinenbau studieren will, hat bei uns die Auswahl unter mehreren Universitäten, in denen die Studierenden hervorragend ausgebildet werden. Das gilt für fast alle Studienrichtungen. Ein weiterer Vorteil unserer Hochschulen ist es, daß man schon während des Studiums durch die Diplom- oder Magisterarbeit in die Forschung einbezogen wird. Die frühzeitige Beschäftigung mit komplexen Problemen qualifiziert unseren Nachwuchs außerordentlich. In den USA schreibt man vor der Promotion in aller Regel nur kleine Themenpapiere.

bdw: Neuerdings bemühen sich die deutschen Universitäten engagierter als früher um ausländischen Nachwuchs. Was sind die Gründe?

Huber: Ähnlich wie in der Wirtschaft entwickelt sich die Globalisierung in ihrer vollen Ausprägung erst seit den neunziger Jahren. Unser Bildungssystem muß sich im internationalen Konkurrenzkampf behaupten. Wir begrüßen es, wenn internationale Spitzenkräfte nach Deutschland kommen, um an unseren Universitäten und Forschungseinrichtungen zu arbeiten. Die Amerikaner haben den Mangel an eigenen Nachwuchskräften zehn Jahre vor uns erkannt und die Weichen längst gestellt. Sie tun sich damit auch leichter als wir. Zum einen sind die USA seit jeher ein Einwanderungsland und halten sich nicht lang damit auf, wenn ein neuer Ausländer am Arbeitsplatz oder in der Wohnsiedlung auftaucht. Und außerdem lösen sie Probleme pragmatischer als wir. Wenn es an Doktoranden fehlt, wirbt man sie unkompliziert und eben in aller Welt an.

bdw: Wie wirbt man unkompliziert?

Huber: Dieser Tage hat mir eine australische Kollegin ganz stolz erzählt, daß man jetzt guten Doktoranden aus dem Ausland die Studiengebühren in Höhe von mehreren zehntausend Dollar erläßt. Dort wird der Erlaß der Studiengebühren als lukratives Stipendium verkauft, während man in Deutschland gar keine Gebühren bezahlen muß. Und wir vermarkten das noch nicht einmal.

bdw: Auch die Briten gehen in die Offensive und kurbeln daran, ihre wissenschaftliche Spitzenstellung zu erhalten.

Huber: Das ist zutreffend. Tony Blair hat in einer eindrucksvollen Rede angekündigt, daß Großbritannien alles daransetzen wird, um in den nächsten fünf Jahren weitere 75000 Studierende außerhalb der EU anzuwerben. Aus politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Gründen, wie Blair sagte, und im übrigen auch, weil diese Studierenden jährlich rund drei Milliarden Mark an Studiengebühren in die Staatskasse abführen.

bdw: Was ist zu tun?

Huber: Unsere Aufgabe ist es nicht nur, Nachwuchsforscher aus dem Ausland zu gewinnen, sondern wir müssen auch beginnen, unsere Ausbildung zu exportieren. Das ist für deutsche Universitäten ein völlig neues Anliegen. Denn Niederlassungen im Ausland, beispielsweise in Kuala Lumpur, Jakarta oder Mexico City, zu gründen und in Kooperation mit ortsansässigen Universitäten Menschen auszubilden, die als Studienabschluß ein Doppeldiplom erhalten, ist für eine deutsche Hochschule noch ungewohnt. Amerikaner und Engländer tun das seit Jahren. Die deutschen Universitäten kamen dagegen noch nie über ein Versuchsstadium hinaus. Das vermutlich einzige vorzeigbare Ergebnis ist ein chinesisch-deutsches Hochschulkolleg in Schanghai, das der DAAD ins Leben gerufen hat. Dort wird seit gut drei Jahren auf deutsch Maschinenbau, Elektrotechnik und Betriebswirtschaft gelehrt. Neben deutschen Professoren unterrichten im wesentlichen chinesische Dozenten, die bei uns ausgebildet worden sind.

bdw: Wer bezahlt die Dozenten?

Huber: Wir haben dort inzwischen mehrere Stiftungslehrstühle, die von der deutschen Wirtschaft eingerichtet worden sind – etwa von Volkswagen, DaimlerChrysler, Bayer und der Allianz.

bdw: Was für ein Interesse hat ein Versicherungskonzern wie die Allianz an einer solchen Kooperation?

Huber: Fast 1,3 Milliarden Menschen in einem Land, das mit Macht den Anschluß an westliche Standards sucht, stellen einen interessanten Markt dar – auch für eine Versicherungsgesellschaft. Wer clever ist, wird die dafür notwendige Verkaufsorganisation nicht mit Ausländern, sondern mit Chinesen bestücken. Nach demselben Prinzip werden auch Unternehmen anderer Branchen verfahren. Es liegt auf der Hand, potentielle Mitarbeiter schon frühzeitig durch ein entsprechend angelegtes Studium an die kulturellen Eigenschaften eines Landes zu gewöhnen. Die US-Amerikaner machen uns das seit Jahren geschickt vor. Insofern ist das Interesse der Wissenschaft an Karrieren ausländischer Kollegen auch im Interesse der Wirtschaft und eröffnet uns die Perspektive, Vorleistungen zu refinanzieren.

bdw: Wo bekommen Sie das Geld für die Marketingaktivitäten her?

Huber: Neben dem Etat des DAAD stehen in den nächsten drei Jahren zusätzliche Forschungsmittel zur Verfügung – aus den UMTS-Zinsgewinnen durch Abbau von Altverschuldungen, die die Bundesrepublik Deutschland durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen vorgenommen hat. Dadurch können wir eine Reihe von Programmen anschieben, für die bisher kein Geld da war.

bdw: Wie man hört, ist die Bundesrepublik Deutschland für ausländische Top-Forscher auch deshalb wenig attraktiv, weil Koryphäen in der Schweiz, in den USA, in Kanada deutlich mehr verdienen.

Huber: Der internationale Wettbewerb zwingt uns dazu, das öffentlich festgemauerte Besoldungsschema zu überdenken. Anders als der deutsche Fußball hat die deutsche Wissenschaft das Image, nicht genug für ausländische Spitzenstars zu tun. Das liegt nicht nur am Geld, sondern vielfach auch an teilweise überholten Verwaltungsvorschriften und Erlassen – vor allem im Ausländer- und Arbeitsrecht. Außerdem mangelt es an Wettbewerb unter unseren Universitäten. Viele Detailregulierungen hemmen die Kreativität, Neues zu schaffen. Wenn eine Hochschule für einen Spitzenforscher viel Geld auszugeben gedenkt, sollte man es der Universität überlassen, das entsprechend zu organisieren.

bdw: Amerika, du hast es besser?

Huber: Die privaten Spitzenuniversitäten können dort ganz anders agieren – und sind so Zugpferd auch für staatliche Spitzenuniversitäten. Wo die einen etwas vorgeben, müssen die anderen mithalten, wollen sie nicht an Qualität verlieren.

bdw: Wettbewerb belebt das Geschäft. Das gilt auch für Dienstleister. Und Universitäten sind Dienstleister.

Huber: In der Tat ist eine universitäre Ausbildung eine hochkarätige Dienstleistung, die dem, der sie entgegennimmt, außerordentliche Chancen auf seinem Lebensweg eröffnet. Diese Dienstleistung ist bei uns ein noch weitgehend verkannter Exportartikel.

bdw: Beim Wettbewerb um ausländische Nachwuchskräfte ist ein entscheidender Nachteil Deutschlands unsere Muttersprache, die bekanntermaßen schwer zu erlernen ist.

Huber: Klar, wenn ein Chinese bei uns Mathematik studieren will, wird er sich im Vorfeld nur ungern mit Deutschprüfungen rumschlagen – um so mehr, als sich Mathematiker untereinander nebst Formeln auf Englisch verständigen. Zwar ist es nicht sinnvoll, in Deutschland alle Vorlesungen auf Englisch zu halten. Aber was hindert uns daran, Studiengänge an einigen Hochschulen und in bestimmten Fächern auf Englisch, aber mit begleitendem Deutschkurs anzubieten? Damit wäre für viele die Sprachbarriere aus der Welt geschafft. Wer an englischsprachigen Vorlesungen teilnimmt, kann nach unseren Erfahrungen dennoch bereits nach wenigen Semestern ordentlich Deutsch. Das ergibt sich schon aus Freundschaften, die geschlossen werden. Und da das Studium für die meisten Menschen zu den prägendsten Entwicklungsabschnitten des Lebens zählt, schließen die meisten ausländischen Studierenden in dieser Zeit auch Freundschaft mit ihrem Gastland. Daß dabei künftig deutsche Hochschulen international besser abschneiden, liegt in unserem eigenen Interesse: Wenn sich unter den Führungseliten anderer Länder viele Persönlichkeiten befinden, die durch Studium oder Forschungsaufenthalt an einer deutschen Hochschule geprägt sind, dient das unserer Wissenschaft, unserer Politik, unserer Wirtschaft und kommt letztlich dem ganzen Land zugute.

Max. G. Huber Jahrgang 1937, hat einen Mehrfachjob. Er ist Lehrstuhlinhaber für Theoretische Physik in Bonn. Zugleich ist er Vizepräsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und seit September 1998 Bundesbeauftragter für das internationale Hochschulmarketing deutscher Universitäten. Der gebürtige Freiburger lehrte von Mitte der sechziger Jahre an der Duke-University in den USA. Anschließend war er ordentlicher Professor der Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 1983 ist er an der Universität Bonn. Von 1992 bis 1997 war er deren Rektor.

Wolfgang Hess

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