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Die Ziegenmilch macht’s

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Die Ziegenmilch macht’s

„Eine Art Club-urlaub ist das für die Ziegen – alles, was sie möglicherweise wollen könnten, bekommen sie auch“, sagt Tom Newberry von der amerikanischen Firma GTC. Kein Wunder: Die Ziegen sind die Erfolgsgaranten seines Unternehmens. Denn mit ihrer Milch bilden die verwöhnten Bewohnerinnen der Hightech-Ställe im ländlichen Framingham, Massachusetts, ein menschliches Protein namens Antithrombin III. Der Blutgerinnungs-Hemmer ließ sich bislang ausschließlich aus menschlichem Spenderblut gewinnen.

Um die Ziegen dazu zu bringen, das ihnen fremde Eiweiß zu produzieren, musste das zugehörige Gen samt einer Kontrollsequenz ins Erbgut der Tiere eingeschleust werden. Dazu injizierten die Wissenschaftler bei GTC die entsprechende DNA-Sequenz in frisch befruchtete Eizellen. Anschließend trug eine Leihmutter-Ziege den Embryo aus. „Obwohl nicht jede Zelle das fremde Erbgut einbaut und sich auch nicht jeder Embryo entwickelt, war dieser Teil kein Problem“, erläutert Newberry. Die erste Antithrombin-Produktion im Euter gelang in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre, wie bild der wissenschaft in der Juli-Ausgabe 1999 berichtete – damals erst experimentell. Doch das Projekt entwickelte sich. Heute erzeugen mehr als 60 der knapp 1600 GTC-Ziegen Antithrombin III.

Eine große Herausforderung war die Aufarbeitung des Eiweißes. Denn die gerinnungshemmenden Moleküle müssen so frei von Verunreinigungen sein, dass jegliche Gefahr einer Krankheitsübertragung von Ziege auf Mensch ausgeschlossen werden kann. „Im Prinzip mussten wir die gesamte Milch aus der Milch entfernen“, kalauert Newberry.

Anfang 2004 waren diese technischen Fragen soweit geklärt, dass das Unternehmen bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA einen Antrag auf Zulassung ihres Wirkstoffs stellte: für die Behandlung von angeborenem Antithrombin-Mangel. Das ist eine Erbkrankheit, durch die das Risiko für Thrombosen, etwa während einer Operation oder nach einer Geburt, stark erhöht ist. Die Bewertung des Arzneimittels sollte auf der Basis einer klinischen Studie mit nur 14 Patienten erfolgen – einer Zahl, die wegen der Seltenheit der Erkrankung zwar ungewöhnlich niedrig, jedoch nach Ansicht der Wissenschaftler und „in Absprache mit der EMEA“, wie Newberry sagt, ausreichend hoch gewesen sei. Trotzdem erlebte das Unternehmen im Februar 2006 einen herben Rückschlag: Die EMEA lehnte die Zulassung des Wirkstoffs ab.

Gründe gab es gleich mehrere: Es sei nicht nachgewiesen worden, dass das Protein keine Immunreaktionen hervorrufe, hieß es in der Stellungnahme. Außerdem wertete die Behörde lediglich die fünf Probanden, bei denen das Medikament vor einer Operation verabreicht worden war. Die anderen neun Freiwilligen waren Schwangere gewesen, die vor der Entbindung behandelt wurden. „Bei diesen Probandinnen hatten wir das Problem, dass ihr Stoffwechsel unerwartet reagierte und wir die ursprüngliche Dosis anpassen mussten“, erklärt Newberry. „So erfüllten wir die angemeldeten Vorgaben nicht mehr.“

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Die Amerikaner legten Widerspruch ein, worauf ein Gremium aus unabhängigen Experten die Ergebnisse erneut begutachtete – mit dem Ergebnis: Die Vorteile einer Behandlung mit dem Gerinnungshemmer wiegen die möglichen Risiken auf. Das Gremium empfahl, den Wirkstoff zuzulassen.

Am 2. August 2006 gab die EMEA grünes Licht für die Vermarktung in Europa. Newberry: „Wir rechnen damit, dass das Medikament ab dem zweiten Quartal 2007 erhältlich sein wird.“ Mehr als ein Jahrzehnt Entwicklungsarbeit wird dann hinter den Forschern liegen. Ihr Lohn: Der weltweit erste von einem transgenen Tier produzierte Wirkstoff, der zum Wohl kranker Menschen eingesetzt wird. Ilka Lehnen-Beyel ■

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