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Die Macht der Mütter

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Die Macht der Mütter
Menschen sind weit mehr als das Ebenbild ihrer Gene. Schon kurz nach der Befruchtung beginnt der Körper der Mutter das Kind zu programmieren.

Auf dem Ultraschallbild erscheint nur ein walnussgroßer pulsierender Fleck. Aber für Jana May beginnt in diesem Moment einer der spannendsten Abschnitte ihres Lebens: Sie ist zum ersten Mal schwanger. „Es fühlt sich an, als würden Blasen im Wasser aufsteigen“, sagt sie, als sich das Baby das erste Mal bewegt.

Schon bald rebelliert das Kind, wenn sich die junge Frau in lauter Umgebung aufhält. Und es kommt nach kurzer Zeit zur Ruhe, wenn abends die leise Musik der Spieluhr erklingt. „Dass das Kind schon vor der Geburt so viel wahrnimmt, hätte ich nie gedacht „, meint Jana kopfschüttelnd.

Der innige Kontakt des Fötus mit Mutter und Umwelt sorgt für einen einmaligen Vorgang im Leben eines Menschen: „Der unreife Organismus lernt in dieser hochsensiblen Phase von der Mutter, was normal ist. Gehirn, Hormonsysteme und Gene werden auf Mama geeicht“, erklärt Andreas Plagemann. Diesen Prozess der „fetalen Programmierung“ – oder auch „vorgeburtlichen Prägung“ – erforscht der Mediziner von der Klinik für Geburtsmedizin der Berliner Charité seit einigen Jahren.

Geht die Prägung in die falsche Richtung, hat das Kind daran unter Umständen lebenslang zu leiden. Übergewicht, Diabetes, Herzkreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Allergien und Depressionen sind dann wortwörtlich programmiert.

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Zunächst bestimmt alleine der Körper der Mutter, wo es mit dem Sprössling im Leben lang geht. Sein Einfluss während der Schwangerschaft reicht weit über die Geburt hinaus. Im Genom und im Gehirn trägt jeder Mensch bis ins hohe Alter die mütterliche Handschrift.

Im Alleingang legt die Mutter fest, wie viel Nahrung das Kind braucht, bis es satt ist. Überhäuft die Schwangere ihr Kind im Mutterleib mit Nährstoffen, so wird es zeitlebens Megaportionen verdrücken müssen. Der Grund: Das Ungeborene schüttet emsig die Hormone Leptin und Insulin aus, um das Überangebot zu bewältigen. Im Zwischenhirn sitzen Messfühler, die den Gehalt beider Hormone im Blut permanent registrieren. Beim Erwachsenen geben sie das Signal fürs Sattsein.

Diese Messzentren werden drei Monate vor der Geburt kalibriert. Und bei Überangebot werden hohe Hormonspiegel sowie Essensberge als normal definiert. „Ein so geeichter Messfühler für den Appetit wird unsensibel“, betont Plagemann. Das Kind wird als Nimmersatt geboren und neigt dazu, dick zu werden. Dem Übergewicht folgen oft Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen. „ Die Entwicklung des Gehirns ist mit der Geburt weit fortgeschritten. Die Fehlprogrammierung der Sättigungsregulation bleibt deshalb lebenslang bestehen“, stellt der Mediziner fest.

Vor allem bei Übergewicht, aber auch bei einem Schwangerschaftsdiabetes, läuft eine werdende Mutter Gefahr, ihr Baby ungewollt mit Zucker zu überhäufen. Früher war dies eine seltene Störung. Inzwischen entwickelt mindestens jede zehnte Frau in Deutschland während der neun Monate der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit, meist ohne etwas davon zu bemerken.

Nach der Geburt verschwindet die Stoffwechselstörung bei der Mutter oft wieder, das Kinder aber ist häufig zeitlebens gebrandmarkt: Der Nachwuchs zuckerkranker Mütter leidet später zwei- bis dreimal so häufig an Diabetes wie der gesunder Mütter.

„Diese Zahlen gelten unabhängig von der genetischen Veranlagung“, unterstreicht Plagemann. Sogar die Enkel sind überraschenderweise gefährdet, zuckerkrank und übergewichtig zu werden, wenn die Oma einen Schwangerschaftsdiabetes hatte.

Werden die Gene eines Mädchens vor seiner Geburt nämlich so programmiert, dass es für einen Diabetes empfänglicher wird, behält es diese Programmierung ein Leben lang und kann sie später an die eigenen Kinder weitergeben. Deshalb taucht der Typ-2-Diabetes bedeutend häufiger über die mütterliche Linie auf als über die väterliche.

„Der Schneeballeffekt über die Generationen kann die seuchenartige Ausbreitung des Übergewichtes mit erklären, die wir derzeit beobachten“, meint Plagemanns Kollegin Renate Bergmann. In den USA, aber auch in Deutschland, ist inzwischen mehr als die Hälfte der Bevölkerung zu dick. „Da die Zahl der Übergewichtigen sich in kurzer Zeit stark erhöht hat, hat das sicher nichts mit den Genen zu tun“, meint Plagemann.

Eigenschaften können auch ohne Gene über die Mutter auf die nächste Generation übertragen werden. Dieses Phänomen fesselt den Geburtsmediziner seit seiner Zeit als Student: „Auch Klonschaf Dolly war mehr als das Ebenbild seines genetischen Ausgangsmaterials. Das ist der beste Beweis dafür, dass es Programmierung gibt.“

Plagemann leitet aus seinen Ergebnissen praktische Empfehlungen ab: Frauen sollten mit normalem Gewicht in die Schwangerschaft gehen, Sport treiben und nicht mehr als zehn Kilo zunehmen, um den Kindern nicht eine lebenslange Hypothek aufzubürden. Ergänzend drängt er auf einen Pflichttest auf Glucosetoleranz, der einen Schwangerschaftsdiabetes zuverlässig aufdeckt. Damit könnten schwerwiegende Folgen für das Kind verhindert werden, ist Plagemann überzeugt. Sollte der Stoffwechsel der Mutter gestört sein, kann er mit Medikamenten so korrigiert werden, dass das Baby vor der Zuckerflut im Bauch verschont bleibt. Heute wird ein solcher Test aber nur vereinzelt durchgeführt.

Gene und vorgeburtliche Prägung sind jedoch nicht unabhängig voneinander. Es gibt Anzeichen dafür, dass die vorgeburtliche Prägung die Aktivität der Gene mit festlegt. Alle Gene verfügen über eine Art „Dimmer“: Ist das Gen ausgeknipst, dann wird die Information daraus nicht abgerufen. Ist es aber mehr oder minder stark aktiv, wird sein Bauplan zur Produktion von Eiweißen herangezogen, es wird „exprimiert“.

Als Dimmer arbeitet oft eine Methylgruppe, die an einem der vier Bausteine der Erbguts – C, T, G, A – sitzt. In der Gebärmutter wird einigen Genen des heranwachsenden Kindes ein solcher Dimmer verpasst. Im Zwischenhirn von Kindern übergewichtiger Mütter und solchen mit Schwangerschaftsdiabetes sind die Gene für die Appetitanreger Galanin und Neuropeptid Y ständig auf höchster Stufe eingeschaltet.

„Nicht Gedanken oder Gefühle beeinflussen die Gen-Expression des Babys, sondern in erster Linie Ernährung, Hormone und Stoffwechsel der Mutter“, sagt Gerald Hüther, Neurobiologe an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Göttingen.

Wie weitreichend diese Prägung der Gene ist, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2003: Amerikanische Forscher hatten eigens Ratten gezüchtet, die zur Fettsucht neigen und sich durch ein gelbes Fell zu erkennen gaben. An diesen Nagern testeten die Wissenschaftler, wie sich die Kost in der Schwangerschaft auswirkt. Fütterten sie die Ratten mit einer Diät reich an Vitaminen und Mineralstoffen, wurden die krankmachenden Gene ausgeschaltet. Sogar das Fell der Tiere aus diesem Wurf war braun – statt gelb, wie das der Mutter. Die Gene in den gesunden Tieren waren methyliert – und damit deaktiviert worden. Wurden die Mütter nährstoffarm gefüttert, kamen dicke gelbe Ratten zur Welt.

Lebensmittelbestandteile wie Vitamin B12, Folsäure, Cholin und Betain verfügen über viele Methylgruppen in ihrer chemischen Struktur. „Es ist vielleicht noch zu früh für eine solche Schlussfolgerung, aber man könnte aus dem Versuch ableiten, dass eine methylgruppenreiche Ernährung das Risiko für Diabetes und Krebs senkt“, kommentiert der US-Mediziner Randy Mirtle von der Duke University in North Carolina das Experiment.

Die Natur hält noch drastischere Beispiele für den Einfluss der Ernährung auf den Nachwuchs parat. Unter Bienen bestimmt der „ Babybrei“, ob das Insekt später schuften muss oder ob es sich vermehren darf. Bekommen die Larven weniger als drei Tage Gelée royale, so verkümmern ihre Geschlechtsorgane und sie werden zu Arbeitsbienen, die spätestens nach einem halben Jahr sterben. Werden sie dagegen jeden Tag mit Gelée royale verwöhnt, so wachsen sie zu einer stattlichen Bienenkönigin von ungeheurer Fruchtbarkeit heran. Ihr steht ein geburtenreiches langes Leben von manchmal sechs Jahren bevor.

Auch wenn ein himmelweiter Unterschied zwischen Bienenlarven und menschlichen Babys besteht, so deutet doch vieles darauf hin, dass die Versorgung im Mutterleib beim Menschen gegen spätere Krankheiten rüsten kann. Solches Wissen wird längst in Ernährungstipps für Schwangere umgemünzt. „Meine Frauenärztin hat mir ein Präparat mit Folsäure und Jod empfohlen“, erinnert sich Jana.

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Jod vor einer vergrößerten Schilddrüse beim Kind schützt. Und Folsäure wirkt Neuralrohrdefekten entgegen – Fehlbildungen des Gehirns und des Rückenmarks. „Viel Gemüse, viel Obst, ab und an Fleisch und Fisch, nichts Frittiertes, kein Alkohol und nicht zu viel Süßes“, zählt die Potsdamerin die einschlägigen Essensregeln auf. Die Wissenschaft hat diesen scheinbar profanen Tipps wenig hinzuzufügen.

Überraschen mag jedoch, dass bestimmte Bakterien dem Ungeborenen gut tun sollen. Zumal bislang vor allem vor allerlei gefährlichen Keimen wie Listerien gewarnt wurde. „Man darf kein rohes Fleisch, keine rohe Wurst, Schinken, Käse und Milchprodukte essen. Da bleibt nicht mehr viel übrig“, seufzt Jana. Doch inzwischen heißt es, dass probiotische Bakterien Allergien und Neurodermitis vorbeugen können. Laut einer finnischen Studie lässt sich die Zahl der kranken Kinder durch ihren Einfluss halbieren, auch wenn beide Eltern oder mindestens ein Elternteil vorbelastet sind.

Unklar ist bislang, wie die Nahrungsbestandteile auf das Baby oder gar auf dessen Gene oder Gehirn einwirken. Trotzdem träumen einige Forscher bereits von einem individuellen Speiseplan für Schwangere: „Jeder Frau kann entsprechend ihren genetischen Variationen ein individueller Ernährungsplan gegeben werden, der ein gesundes und normales Kind garantiert“, verheißt Jonathan Gitlin, Entwicklungsbiologe von der Washington University School of Medicine.

Plagemann wehrt sich gegen solche Versprechen. „Es ist zu früh für praktische Empfehlungen.“ Er will zunächst die fetale Programmierung auf ein solides wissenschaftliches Fundament stellen. Die Entwicklungsbiologie sei sträflich vernachlässigt worden, denn man habe 30 Jahre lang nur auf die Genetik geschaut.

So geben die ersten Indizien der vorgeburtlichen Prägung noch immer Rätsel auf. In den 1990er-Jahren entdeckte der britische Epidemiologe David Barker, dass Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht kürzer leben, häufiger Infarkte erleiden und oft zuckerkrank werden. Je weniger Babyspeck ein Mensch als Neugeborener hatte, desto höher ist sein Risiko für hohen Blutdruck im Laufe des Lebens und für schlechte Blutfettwerte im Alter. Und unfruchtbare Männern waren häufig früher zierliche Jungs.

Die späte Rache der fehlenden Pfunde in der Wiege wurde bis heute dutzendfach medizinisch bestätigt. Doch warum Leichtgewichte diese Bürde tragen, ist noch Gegenstand akademischen Streits. „Es scheint paradox, dass untergewichtige und übergewichtige Babys mit denselben Krankheitsrisiken ins Leben starten. Vielleicht ist der Grund, dass die Eltern ihr zu leichtes Baby reflexartig überernähren, um es aufzupäppeln“, vermutet Plagemann. Die Aufholjagd der Pfunde könnte die hageren Kinder, deren Genom im Mutterleib auf sparsamen Energieverbrauch eingestellt wurde, überfordern, und ihr Stoffwechsel könnte durch die Überfütterung entgleisen.

Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die in den Niederlanden unmittelbar nach dem Hungerwinter Anfang 1945 geboren wurden, ein größeres Risiko besitzen, an Schizophrenie oder an einer Depression zu erkranken. Viele Schwangere nahmen damals nicht mehr als 500 Kilokalorien am Tag zu sich, wie die Lebensmittelmarken bezeugen. Das muss für die werdenden Mütter viel Stress bedeutet haben. Die Mediziner vermuten jedenfalls, dass die Kinder permanent zu viele Stresshormone ausschütteten, was sie später anfälliger für psychische Erkrankungen machte.

Dies deckt sich mit neueren Befunden: Die Babys gestresster Frauen sind unruhiger, strampeln heftiger mit den Beinen und schreien mehr. Ihr Herz schlägt schneller. Sie neigen zu Bluthochdruck und später zu auffälligem Verhalten.

„Diese Form der Prägung ist aus Sicht der Evolution durchaus sinnvoll. Dank der Stresshormone empfindet man schneller Angst und ist wachsamer. Tiere – aber auch unsere Vorfahren – hatten in einer gefährlichen Umwelt mit solchem Verhalten eine größere Chance, ins fortpflanzungsfähige Alter zu kommen“, erklärt Matthias Schwab, Neurologe an der Universität Jena. Das Baby wird durch den mütterlichen Stress auf ein Leben mit Tücken vorbereitet.

Das mütterliche Stresshormon Cortisol wird größtenteils von der Plazenta abgefangen, aber etwa ein Zehntel dringt durch. Die kleine Menge genügt, um einen Sonnenschein in einen Wirbelwind zu verwandeln. Der Körper des Kindes wird darauf eingestellt, später selbst so viel Cortisol zu bilden, wie es Mama in den neun Monaten vorgelebt hat. Außerdem bildet er große Mengen von PMOC, denn das Gen für diesen Botenstoff läuft auf Hochtouren. Das PMOC blockiert im Gehirn das Hungergefühl und regt zusätzlich die Ausschüttung des Cortisols an. „Diese Verflechtung von Stress und Sättigung finden wir immer wieder. Wenn man sich in die Zeit der Jäger und Sammler zurückversetzt, erscheint das plausibel: Wenn ich flüchten muss, dann esse ich nicht“, meint Plagemann.

Viele Details über den Einfluss von Stress kennen die Forscher allerdings nur aus Tierversuchen. „Wir können unsere Probanden nicht 30 Jahre lang begleiten, um die Spuren der Schwangerschaft bei ihnen zu verfolgen“, rechtfertigt Schwab. Fest steht: Schafe und Ratten leiden an unruhigem und kurzem Schlaf, wenn den Müttern künstlich Stresshormone gespritzt wurden. Sie reagieren apathisch auf das angebotene Futter und reißen sich nicht wie ihre Artgenossen um Leckerbissen. Dieses Verhalten lässt sich lebenslang beobachten.

„Bloß kein Stress“, möchte man angesichts dieser Befunde jeder Schwangeren ans Herz legen. Aber Schwab winkt ab: „Wenn ein bisschen Stress schon gefährlich für das Kind wäre, dann würde es die Menschheit gar nicht mehr geben: Schwangerschaft ist keine Krankheit.“ Früher gingen den Menschen Hunger und Raubtiere auf die Nerven, heute stresst eben mal die Arbeit oder der lärmende Nachbar. Kein Grund zur Sorge, findet der Jenaer Neurologe und hält es für das Beste, so normal wie möglich zu leben. Steht eine Frau über mehrere Tage hinweg unter Strom, empfiehlt Schwab Entspannungsübungen, um den Druck abzubauen.

„Ich habe total viel geschlafen“, erinnert sich Jana. Für ausgedehnte Spaziergänge und sogar einfach zum Einlegen einer Musik-CD fühlte sie sich oft zu müde. Zehn Wochen vor der Geburt besuchte sie dann einen Kurs für Schwangerschaftsjoga. Viele Kurse konnte die Arbeitspsychologin wegen ihres Berufes allerdings nicht besuchen: Ihr Job erforderte trotz prallem Bauch Höchstleistung. „Wenn ich Stress hatte, meldete sich das Baby einige Stunden nicht mehr. Kein Strampeln, gar nichts.“ Um vorzeitige Wehen zu verhindern, verordnete die Frauenärztin Jana Magnesiumtabletten. Warum Magnesium die Wehen unterdrückt, wissen die Geburtsmediziner allerdings nicht.

Bei einer internationalen Studie mit 200 Schwangeren will Jürgen Dötsch, Mediziner an der Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg, nun aus dem Mutterkuchen als einem Relikt der mütterlichen Mitgift herauslesen, was den Kindern mit auf den Weg gegeben wurde. Die ausrangierte Plazenta der Schwangeren wird nach 400 Eiweißen und Hormonen wie Leptin durchforstet. Zugleich werden die Kinder einige Jahre lang regelmäßig untersucht. Besonders Diabetes, Nierenfunktion und Bluthochdruck stehen dabei im Visier der Mediziner. „Der Mutterkuchen verrät etwas über das spätere Krankheitsrisiko“, ist Dötsch überzeugt. „Es wäre für die pharmazeutische Industrie sehr interessant, wenn man schon nach der Geburt sagen könnte, welche Gesundheitsgefahren auf einen Menschen lauern.“

Bei solchen Äußerungen stehen manchen Fachkollegen die Haare zu Berge: „Wir müssen sehr vorsichtig sein mit derartigen Hypothesen. Die Krankenkassen könnten einen Risikoaufschlag verlangen und Mütter verklagt werden, weil sie sich während der Schwangerschaft nicht richtig ernährt haben“, malt Schwab sein Schreckensszenario aus.

Die Programmierbarkeit nimmt im Kleinkindalter ab. Das Gehirn verliert seine außerordentliche Formbarkeit. Gerade entwicklungsgeschichtlich ältere Regionen wie der Hypothalamus sind bei der Geburt nahezu vollends ausgebildet. Dieses Urzentrum steuert archaische Reflexe wie Stress und Hunger.

Andere Bereiche wie der Stirnlappen oder das Limbische System entfalten sich aber bis zur Pubertät. Und noch im hohen Alter werden neue Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen geschlossen. „ Bildung, Erziehung und Lebenserfahrungen nehmen darauf Einfluss“, betont Schwab. Die Vorstellung, der Lebensweg sei mit der Geburt vorgeschrieben, ist in seinen Augen ebenso Humbug wie die frühere Annahme, die Gene machten den Menschen aus.

Es wäre auch bitter, wenn das Leben bei der Geburt festgelegt wäre. „Richtig aufregend wird es erst in den Monaten und Jahren danach“, bekräftigt Jana. Sie ist inzwischen glückliche Mutter von Tochter Emilia, die krabbelnd die Wohnung erkundet. Keine Frage: Für Emilia hat das Leben noch viel zu bieten. ■

Der menschliche Körper ist das Hauptthema von bdw-Autorin SUSANNE DONNER. In bdw 4/2006 berichtete sie zuletzt über neue Transplantationstechniken.

Susanne Donner

COMMUNITY Fernsehen

Wie die Zeit im Mutterleib unser gesamtes späteres Leben beeinflusst, hat auch die Kollegen vom TV-Wissenschaftsmagazin nano auf 3sat fasziniert. In Zusammenarbeit mit bild der wissenschaft haben sie einen spannenden Fernsehfilm zum Thema produziert. Er wird am Donnerstag, den 1. März, um 18.30 Uhr das erste Mal ausgestrahlt. Weitere Informationen und Sendetermine finden Sie auf: www.3sat.de/nano

Ohne Titel

• Wichtige Voreinstellungen für Gehirn, Erbinformation und Stoffwechsel eines Kindes werden während der Schwangerschaft festgelegt.

• Fehlprogrammierungen im Mutterleib erhöhen das Risiko für Diabetes, Übergewicht und Bluthochdruck.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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