Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Technik-Trend: Blindes Verständnis

Allgemein

Technik-Trend: Blindes Verständnis
Die Funktechnologie Blue Tooth verbindet Geräte drahtlos. Die ersten Produkte kommen jetzt in die Geschäfte.

Holger Lennartz braucht kein Druckerkabel mehr. Sein Notebook kommandiert den heimischen Printer drahtlos, wenn nötig auch durch Wände. Bluetooth (zu Deutsch: Blauzahn) heißt die Technik, die dahintersteckt. Der weltweit einheitliche Funkstandard für den Nahbereich soll in den kommenden Jahren Büros und Wohnzimmer von lästigen und unästhetischen Kabelknäueln befreien. Als Bluetooth-Produktmanager gehört Lennartz zu den frühen Nutzern der neuen Datentransfermethode. Sein Arbeitgeber, die Mönchengladbacher RFI Elektronik, hat in diesem Herbst als eines der ersten Unternehmen weltweit Geräte mit der Drahtlos-Technik auf den Markt gebracht (siehe „Technik-Test“ auf S. 114). Gemessen an den Visionen mancher Hersteller gehören die Bluetooth-PC-Karte und der dazugehörige Drucker-Adapter von RFI eher zu den bodenständigen Blauzahn-Anwendungen.

Der US- Konzern Motorola prophezeit auf seiner Bluetooth-Internetseite (www.motorola.com/bluetooth), wie die neue Technik das Leben künftig einfacher machen wird: So könnte ein elektronischer Funk-Schlüssel die Haustür bei Annäherung öffnen, das Licht anschalten und die Heizung auf die persönlichen Einstellungen hochregeln. Fluggäste werden bei Betreten des Airports automatisch eingebucht, ohne daß sie sich an einen Schalter oder Check-In- Automaten begeben müssen. Für die Wartezeit stehen ihnen Funk-Internet-Zugänge zur Verfügung, in die sie sich mit ihrem Notebook einloggen können. Zunächst soll Bluetooth aber vor allem Infrarot-Schnittstellen ersetzen, die heute in Notebooks, Mini-Computern – sogenannten Personal Digital Assistants (PDA) – und hochwertigen Handys integriert sind. Hauptvorteil: Anders als Infrarot-Geräte sind Bluetooth-Anwendungen nicht auf Sichtkontakt angewiesen. Die Verbindung kommt auch durch Hindernisse zustande.

Die Idee zu Bluetooth stammt von Entwicklern des schwedischen Mobilfunkkonzerns Ericsson. Der Name gehörte dem dänischen Wikingerherrscher Harald Blåtand (übersetzt: Blauzahn), der als König der Einheit in die skandinavische Geschichte einging. Im 10. Jahrhundert schuf er aus seinem kleinen Land, das anfangs nur aus der Insel Jütland bestand, ein skandinavisches Großreich, das weite Teile Norwegens umfaßte. Vor einem ähnlichen Siegeszug steht das heutige Bluetooth in der Welt der Technik – so jedenfalls die Vision der Unterstützerfirmen. Als weltweit einheitlicher Standard soll Bluetooth künftig in praktisch jedes Gerät integriert werden. Zwei zufällig zusammengebrachte Notebooks aus beliebigen Teilen der Welt verstehen sich dann blind und tauschen bei Bedarf ohne Kabel Daten aus.

Die Chancen, daß es tatsächlich so kommt, stehen nicht schlecht: Mehr als 2000 Unternehmen haben sich bisher der „ Bluetooth Special Interest Group“ SIG (www.bluetooth.com) angeschlossen, die die Spezifikationen für die drahtlose Übertragungstechnologie weiterentwickelt. Die Teilnehmerliste liest sich wie das „Who is who“ der High-Tech-Branche:

Anzeige

Neben Ericsson gehören zum Beispiel Firmen wie IBM, Microsoft, Intel, Toshiba, Motorola und Nokia dazu. In den kommenden Jahren werden sie etliche Millionen Geräte mit Bluetooth-Schnittstelle auf den Markt bringen, schätzt das US-Marktforschungsunternehmen Cahners In-Stat. 2005 sollen es bereits 1,4 Milliarden sein. Zumindest bis zum Jahresende wird von einem Bluetooth-Boom noch wenig zu spüren sein. Denn viele Hersteller haben den Marktstart ihrer Produkte auf 2001 verschoben. Und für die meisten Privat-Nutzer wird Bluetooth anfangs schlicht zu teuer sein.

„Die ersten Bluetooth-Anwender werden Besitzer von High-End-Handys und solche sein, die ihr Notebook beruflich nutzen“, prophezeit deshalb die Analystin Joyce Putscher von Cahners InStat. Tatsächlich konzentrieren sich viele Hersteller mit ihrer ersten Produktwelle auf PC-Karten für Notebooks sowie auf Mobiltelefone und das entsprechende Zubehör.

Probleme könnte der Frequenzbereich bereiten, in dem Bluetooth-Anwendungen sich per Funk austauschen (siehe Kasten „ Bluetooth– Die Technik“). In den meisten Industrieländern ist er zwar frei nutzbar. Aber noch immer reservieren ihn einige Staaten – wie Spanien und Japan – für andere Zwecke. Nach und nach werden die blockierten Frequenzen aber vermutlich freigegeben. In Frankreich sind deshalb ab dem 1. Januar 2001 Bluetooth-Anwendungen uneingeschränkt möglich. Bislang beanspruchte die Armee das Frequenzband. Ungemach droht möglicherweise von anderen technischen Geräten: Schnurlose Telefone, Garagentoröffner und Mikrowellenherde nutzen teilweise die gleichen Frequenzen wie Bluetooth. Um Störungen durch Interferenzen weitgehend auszuschalten, ersannen die Entwickler ein Verfahren namens Frequency Hopping. „Wir haben bei Tests mit unseren Geräten keine Probleme feststellen können“, sagt RFI-Produktmanager Lennartz. „Aber volle Gewißheit gibt es natürlich erst, wenn sehr viele Bluetooth-Geräte im Einsatz sind.“

Übrigens: Auch wenn bald in jedem Zimmer mehrere Apparate Daten durch die Gegend funken, besteht kaum Gefahr durch Elektrosmog, denn die Sendeleistung von Bluetooth-Schnittstellen ist äußerst gering: Handys funken mit der 800fachen Power.

Bluethooth-die Technik ENTWICKELT wurde Bluetooth für die Datenübermittlung im Nahbereich. Über Entfernungen von maximal zehn Metern kann zum Beispiel ein Notebook ein Dokument an einen Drucker funken. Sind die Geräte durch Wände oder andere Hindernisse getrennt, sinkt die Reichweite unter Umständen auf wenige Meter. Bei Einsatz von Sendeverstärkern können allerdings Distanzen von bis zu 100 Metern überbrückt werden.

Die Geräte identifizieren sich innerhalb der Funkreichweite selbständig mittels einer eindeutigen Seriennummer. Bis zu acht Apparate bilden ein kleines Netzwerk, ein sogenanntes Piconet. Eines der Geräte, der „Master“, kontrolliert den Datenaustausch mit den anderen, genannt „Slaves“. Mehrere solcher Piconets können miteinander kommunizieren, indem sie ein „Scatternet“ bilden. Die Bluetooth-Sender und -Empfänger tauschen sich über das ISM-Band (Industrial Scientific Medical) aus, das in den meisten Staaten frei und ohne Lizenz nutzbar ist. Diesen Frequenzbereich, der von 2,402 bis 2,480 Gigahertz reicht, unterteilt Bluetooth in 79 Kanäle. Bei der Datenübertragung wechseln die Bluetooth-Partner 1600mal pro Sekunde den Kanal. Hauptvorteil dieses Frequenz- Hoppings: Ist ein Kanal durch Störstrahlung eines anderen elektrischen Gerätes blockiert, wird die Übertragung nur für einen winzigen Sekundenbruchteil unterbrochen.

Mit der Bluetooth-Technologie läßt sich theoretisch eine Datenmenge von einem Megabit pro Sekunde übermitteln. Weil dazu aber auch Informationen gehören, die für die Kommunikation der Apparate erforderlich sind, liegt die tatsächliche Datenrate bei 723 Kilobit pro Sekunde. Das ist elfmal soviel wie durch eine ISDN-Telefonleitung paßt.

Frank Fleschner

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

auflö|sen  〈V.; hat〉 I 〈V. t.〉 etwas ~ 1 von einem Zusammenhang, von einer Bindung befreien 2 〈a. fig.〉 lösen, entwirren (Verschlungenes, Knoten, Rätsel, Problem) … mehr

Rag|na|rök  〈f.; –; unz.; nord. Myth.〉 Weltuntergang nach vergebl. Kampf der Götter mit bösen Mächten [<anord. regin, rögn … mehr

Ex|plan|ta|ti|on  〈f. 20; Med.〉 Entnahme von Gewebe od. Organen zur Transplantation od. zur Gewebezüchtung [<lat. ex … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige