ES IST NOCH VIEL ZU TUN Heute früh stand ich wieder vor dem Gerät, das in meinem Heimatbahnhof seit wenigen Monaten dazu da ist, DB-Fahrscheine zu allen Destinationen Deutschlands zu verkaufen. Den alten, danebenstehenden Automaten habe ich im Griff. Abgesehen davon, dass er mitunter nur exakt abgezähltes Münzgeld akzeptiert, ist er gutmütig und meiner Intelligenz angepasst. Doch auch den Neuen will ich verstehen. Also versuchte ich bei ihm, eine Fahrkarte zu meinem Arbeitsort zu kaufen. Nach exakt 23 Eingabebefehlern, die mir 3 Minuten und 5 Sekunden meines Lebens raubten, stand ich immer noch vor dem Nichts, brach den Vorgang ab und vertraute mich mit Erfolg dem alten Modell an. Der Frust sitzt tief: Immerhin hatte ich es früher schon zweimal geschafft, dem Hightech-Produkt die gewünschte Fahrkarte zu entlocken. Dreimal allerdings war ich kläglich gescheitert.
Solche Automaten sind ein trefflicher Beleg dafür, dass wir trotz umfangreicher Ansätze bei der Gehirnforschung noch am Anfang sind und deshalb vor vielen Rätseln stehen – gewichtige andere folgen auf den Seiten 18 bis 37. Einmal zeigen solche Maschinen, dass die oft als marktreif an-gepriesenen Spracherkennungssyteme weit hinter dem herhinken, was jeder Mensch von Kindesbeinen an kann: unterschiedliche Stimmen so verarbeiten, dass er sofort den Inhalt begreift. Verstünden wir wirklich, wie das Gehirn einen Wunsch von den Lippen abliest, hätten wir dieses Wissen sicher längst in Automaten verankert.
Ein weiteres Rätsel offenbart das Fahrkartenautomaten-Syndrom allerdings auch: Warum gelingt es dem menschlichen Gehirn bis heute nicht, die Abläufe beim maschinellen Kauf eines Fahrscheins so zu strukturieren, dass der Automat den Kunden bedient – und nicht der Kunde den Automaten?
Apropos: Im vergangenen Jahr enthielt bild der wissenschaft 15 Beiträge über Gehirnforschung. Zu welchen Themen, das können Sie dem Jahresinhaltsverzeichnis entnehmen, das wir allen Abonnenten mit dieser Ausgabe kostenfrei überreichen.