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Verhängnisvoller Babytest

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

Verhängnisvoller Babytest
Ein neuer Test stellt das Geschlecht von ungeborenen Kinder sehr früh fest. Kritiker befürchten dadurch mehr Abtreibungen.

Dank eines neuen genetischen Tests kann jetzt jede Frau in den USA schon ab der 5. Schwangerschaftswoche erfahren, ob sie das Kinderzimmer lieber blau oder rosa streichen sollte. Alles, was die werdende Mutter hierfür tun muss ist, ihren Laptop einzuschalten, auf die Website von PregnancyStore.com zu gehen und sich für umgerechnet etwa 250 Euro den „Baby Gender Mentor“ zu bestellen.

Das bedeutungsschwangere Päckchen kommt per Post. Darin befindet sich ein Schwangerschaftstest, eine sterile Nadel, ein Blatt Spezialpapier und ein frankierter Rückumschlag. Ein kleiner Stich in den Finger und zwei Tropfen Blut aufs Papier genügen – und die Probe kann an ein Labor geschickt werden. Denn im Blut der Mutter schwimmen auch Zellen des Ungeborenen. Sie will die Firma aufspüren. Nach drei Tagen erhält die werdende Mutter eine E-Mail, die ihr angeblich mit einer Zuverlässigkeit von 99,9 Prozent das Geschlecht des Babys verrät.

Doch was angeblich nur die Neugierde der Eltern befriedigen soll, sorgt für heftigen Streit. Amerikanische Lebensschützer wie Mitglieder von ProLife befürchten, dass der Baby Gender Mentor die Zahl der jährlichen Abtreibungen drastisch erhöhen könnte. Feministinnen werfen den Herstellern Sexismus vor. Sie rechnen ebenso wie manche Soziologen damit, dass solche Tests dem weit verbreiteten Stammhalter-Denken der US-Amerikaner Vorschub leisten.

Kaum auf dem Markt, wurde der Baby Gender Mentor zum vollen Erfolg: Seit er in Amerikas beliebtester Fernsehsendung, der NBC Today Show, vor laufender Kamera getestet wurde, haben ihn Tausende von Frauen online bestellt. Doch die Verlässlichkeit des Baby Gender Mentors wird in den amerikanischen Medien angezweifelt, weil zwei Frauen enttäuscht mit falschen Testergebnissen an die Öffentlichkeit gingen. Nachdem der Test im letzten Jahr den australischen und den britischen Markt eroberte, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis er auch hierzulande ein Verkaufsschlager wird.

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Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM), Hans-Rudolf Tinneberg, sieht dabei keinen Grund zur Beunruhigung: „Anders als in den USA besteht keinerlei Anlass zu der Annahme, dass Frauen in Deutschland ein gesundes Baby abtreiben werden, nur weil es nicht dem von ihnen erhofften Geschlecht entspricht.“

Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage von Forsa im Auftrag der DGRM an über 1000 Deutschen unterstützen das: Zwei Dritteln ist es gleichgültig, welches Geschlecht ihre künftigen Kinder haben, ein Drittel wünscht sich eine Familie mit einer ausgewogenen Zahl von Jungen und Mädchen. Nur sechs Prozent würden das Geschlecht ihrer Kinder mit Hilfe der Reproduktionsmedizin vorab bestimmen wollen, wenn dies erlaubt wäre.

Verheerende Konsequenzen könnte die Einführung des Baby Gender Mentors jedoch in Indien haben. Dort gehen viele rabiat vor, um keine Mädchen zu bekommen: Mit Ultraschall wird das Geschlecht des Fetus festgestellt. Ist es ein Mädchen statt des erwünschten Jungen, wird häufig abgetrieben – auch in der späten Schwangerschaft. Nach einer im Januar in der britischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten Untersuchung sollen allein in den letzten 20 Jahren in Indien 10 Millionen weibliche Feten abgetrieben worden sein. Die Zahl der in Indien hergestellten Ultraschallgeräte ist seit Ende der Achtzigerjahre um das 33-Fache gestiegen. Für den Baby Gender Mentor gibt es laut den Marketingexperten von PregnancyStore.com eine Marktlücke ungeahnten Ausmaßes, denn indische Familien, die alles für einen Jungen tun würden, sind die perfekte Zielgruppe für den Test. ■

Evelyn Hauenstein

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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