Das glaube ich nicht
Von vielen unbemerkt wächst zurzeit ein neues Menschenbild, genährt von Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft, die Begriffe wie Seele, Rationalität, Moral und Verantwortung infrage stellen. Was das für den Einzelnen und für uns alle bedeutet, darum geht es im neuen Buch des bdw-Redakteurs Rüdiger Vaas. Klar und knapp umreißt er darin, wo die Neurowissenschaft heute steht und welche Eingriffe ins Gehirn bereits möglich sind.
Die Hirnforschung wird zwar gerade dadurch beflügelt, dass das Gehirn als „Kern“ des Menschseins gilt. Doch gleichzeitig entzaubern die wissenschaftlichen Erkenntnisse die Individualität. Ob cholerisch, melancholisch oder fröhlich – alles ist demnach nur eine Frage von Botenstoffen. Auch die Handlungsfreiheit ist unter Beschuss geraten. Und selbst Gotteserlebnisse lassen sich durch Stimulation im Hirn hervorrufen.
Je mehr die Wissenschaft diese Prozesse aufklärt, desto stärker kommen Fragen auf, die sie nicht beantworten kann. Was ist Persönlichkeit? Gibt es eine Pflicht zu funktionieren, notfalls mithilfe von Medikamenten oder gar psychochirurgischen Eingriffen? Wenn wir es richtig finden, Kranken zu helfen, warum sollten wir nicht auch die Leistungen von Gesunden steigern? Vaas gibt keine endgültigen Antworten, sondern stellt weiterführende Fragen, indem er Szenarien durchspielt.
Seine Rundreise an die Grenzen der Neurowissenschaft macht deutlich: Die Hirnforschung wird unser Leben als Individuen in einer Gesellschaft beeinflussen – wie, das müssen wir selbst entscheiden. Antonia Rötger
Rüdiger Vaas SCHÖNE NEUE NEURO-WELT Hirzel, Stuttgart 2008 155 S., € 19,80 ISBN 978-3-7776-1538-7
