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Kosmisches Brummen

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Kosmisches Brummen
Ein Schwarzes Loch erzeugt Schallwellen und heizt damit intergalaktisches Gas auf.

Galaxien sind keine Einzelgänger, sondern bilden riesige Gruppen. Der Raum zwischen den Sternsystemen ist mit einem viele Millionen Grad heißen Gas erfüllt, das intensive Röntgenstrahlung aussendet. Warum es so heiß ist, blieb lange ein Rätsel. Jetzt haben britische und amerikanische Astronomen im Gas des Perseus-Galaxienhaufens Wellen entdeckt, die sich ringförmig ausbreiten und das Medium erhitzen. Gesteuert wird diese kosmische Zentralheizung von einem Schwarzen Loch im Zentrum einer Galaxie.

Andrew Fabian vom Institute of Astronomy in Cambridge, England, kam in den achtziger Jahren zu dem Schluss, dass sich das Röntgengas innerhalb von einigen Hundert Millionen Jahren abkühlen müsste. Dann sollte es sich zu Wolken verdichten, in denen neue Sterne entstehen. Fabian schätzte, dass auf diese Weise zwischen den Galaxien jedes Jahr bis zu 1000 neue Sonnen aufleuchten müssten. Eine enorm hohe Geburtenrate – denn in einer durchschnittlichen Spiralgalaxie wie der Milchstraße entstehen jährlich nicht einmal zehn Sterne.

Fabians aufsehenerregende Theorie wurde heftig diskutiert, sie hat aber einen Haken: Weder das kühle Gas noch die jungen Sterne ließen sich nachweisen. Fabian und seine Kollegen erdachten daher immer neue Hypothesen, um die Diskrepanz zwischen Theorie und Beobachtung zu erklären. Sie vermuteten beispielsweise, dass im intergalaktischen Gas fast ausschließlich kleine Sterne entstehen, die sich aus größerer Entfernung nicht eindeutig nachweisen lassen. Doch das widersprach aller Erfahrung.

Eine Entscheidung in dieser Debatte konnten nur neue Weltraum-Röntgenteleskope bringen, die kleinere Details im Innern der Galaxienhaufen erkennen lassen und die vor allem über empfindliche Spektrographen verfügen, mit denen sich die Gastemperaturen messen lassen. Erst das europäische Observatorium XMM-Newton und sein amerikanisches Pendant Chandra bieten seit vier Jahren diese Möglichkeiten. Mit XMM studierten Astronomen des Garchinger Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik (MPE) vor zwei Jahren den Virgo-Galaxienhaufen. Ergebnis: Es gibt dort definitiv kein kühles Gas. Die Materie muss also ständig geheizt werden. „Wir vermuteten damals, dass Schwarze Löcher in den Zentren aktiver Galaxien hierfür verantwortlich sind“, sagt MPE-Forscher Hans Böhringer.

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Ausgerechnet Fabian, der sich noch bis vor wenigen Monaten gegen diese Hypothese gewehrt hat, konnte sie jetzt mit Chandra bestätigten. Er beobachtete den 250 Millionen Lichtjahre entfernten Perseus-Haufen, in dessen Zentrum die Galaxie NGC 1275 steht. In dem Röntgengas, das sie umgibt, zeigten sich nach über 50 Stunden Belichtungszeit fast konzentrische Kreise. Es handelt sich um Druckwellen, die sich mit vier Millionen Kilometern pro Stunde ausbreiten. Dabei kneten sie das Gas kräftig durch und erhitzen es. „Wir haben die enormen Mengen an Licht und Hitze beobachtet, die bei Schwarzen Löchern erzeugt werden. Und jetzt haben wir auch deren Klang nachgewiesen“, sagt Fabian. Hören kann man dieses kosmische Brummen freilich nicht, da es 57 Oktaven unter dem eingestrichenen C liegt.

Ursache dieses Phänomens ist wohl tatsächlich ein Schwarzes Loch im Zentrum von NGC 1275. Es ist von einer Gasscheibe umgeben, aus der es einerseits Materie ansaugt. Gleichzeitig erzeugt es zwei Teilchenstrahlen, in denen Partikel mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ins All hinausschießen. Diese Jets enden an ihrer Vorderseite in zwei riesigen Gasblasen. Beim Aufprall gegen die Innenseiten der Blasen übertragen die Jets einen Druck auf das umgebende Gas und bringen es zum Schwingen.

Aus dem Abstand der Wellenberge und der Ausbreitungsgeschwindigkeit der beobachteten Ringe haben die Astrophysiker berechnet, dass die Jets die Blasen im Rhythmus von etwa zehn Millionen Jahren vermehrt anstoßen. Was den „Herzschlag“ des Schwarzen Lochs bewirkt, ist unklar. „Möglicherweise sind es Phasen, in der das Schwarze Loch verstärkt Nahrung in Form von Gas und Sternen zugeführt bekommt und dadurch aktiver wird“, vermutet Böhringer.

Thomas Bührke

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