Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

„Die kamen nicht vom Schwarzen Meer“

Allgemein

„Die kamen nicht vom Schwarzen Meer“
Was verraten Gen-Analysen über die ersten Bauern?

bild der wissenschaft: Herr Professor Lüning, Sie sind ein intimer Kenner der Bandkeramiker. Sind die ersten Bauern in Mitteleuropa Flüchtlinge einer Sintflutkatastrophe am Schwarzen Meer gewesen? Lüning: Die vieldiskutierte Überschwemmung des Schwarzmeergebietes hat natürlich die Anrainer an den Ufern betroffen, die mussten ins Hinterland ausweichen. Doch archäologisch ist davon nichts bekannt. Und schon gar nicht haben sich diese Bewegungen bis nach Ungarn ausgewirkt, wo das Frühneolithikum Mitteleuropas entstand. Was sich hier zwischen Ungarn und dem Rhein abspielte, hat mit dem Geschehen am Schwarzen Meer nicht das Geringste zu tun. Was auch immer dort passiert ist, es spielte keine Rolle für die frühen Bauern Mitteleuropas.

bdw: Neue Untersuchungen besagen, dass Ähnlichkeiten in unserem Erbgut eine neolithische Einwanderungsbewegung aus dem Mittleren Osten belegen. Lüning: Die genetischen Untersuchungen sind an modernen Menschen gemacht worden. Es gibt bisher kein einziges neolithisches Skelett in Europa, das überhaupt alte DNA geliefert hat. Und solange wir die nicht haben, können wir sie nicht mit moderner DNA vergleichen. Wir sind von der Neolithisierung Mitteleuropas durch 7000 Jahre getrennt. In diesen sieben Jahrtausenden ist viel passiert, politisch wie demographisch. Der heutige Zustand hat viele Wurzeln. Schon die jüngere Geschichte zeigt, was hier an Völkerschaften durchzog – von den Hunnen bis zu den Spaniern im 30-jährigen Krieg. Und alle haben ihre genetischen Spuren hinterlassen.

bdw: Wenn es keine große Einwanderung gegeben hat, müssen die Einheimischen Träger der bandkeramischen Kultur gewesen sein. Wie wurden die Menschen hier zu Bauern? Lüning: Es muss in jedem Falle Leute geben, die einem das Neue beibringen: „ Entwicklungshelfer“. Es finden sich bei solchen Akkulturationsvorgängen immer Menschen, die als Lehrer aus der neuen in die ältere Zivilisation eindringen. Wir haben für das Neolithikum keine Erfahrungswerte, wie viele Entwicklungshelfer nötig waren, um die Jäger und Sammler zu Bauern zu machen. Aber wie viele Missionare brauchte es denn, um ein Land wie Hessen vom Christentum zu überzeugen? Bonifatius war ein Mann mit einigem Begleitpersonal. Archäologisch würde man feststellen: Die Menschen sind in großen Teilen Hessens plötzlich Christen geworden, und das hat ein einziger Mann geschafft – mit der Kirche in Rom und dem Merowingerreich im Hintergrund als Organisation.

bdw: Auf wen trafen die neolithischen Entwicklungshelfer in Mitteleuropa? Lüning: Von der einheimischen Bevölkerung haben wir sehr wenige Spuren. Wir können sie eigentlich nur über ihre Kontakte mit den ältesten Bandkeramikern identifizieren. In deren Siedlungen finden wir Feuersteinmaterialien, deren Bearbeitung eindeutig auf die einheimischen Jäger und Sammler weist. Wenn sehr viele bandkeramische Bauern in ein leeres Land eingewandert wären – woher kämen dann die nachweislich einheimischen Traditionen in der Feuersteinbearbeitung? Die Einheimischen haben eine große Rolle beim Zustandekommen der bandkeramischen Kultur gespielt. Das war ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

Anzeige

Michael Zick

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Dossiers
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Mond  〈m. 1〉 1 〈Astron.〉 1.1 〈i. w. S.〉 einen Planeten umkreisender Himmelskörper  1.2 〈i. e. S.〉 der die Erde umkreisende Himmelskörper … mehr

Re|so|nanz  〈f. 20〉 1 〈Phys.〉 Mitschwingen, Mittönen eines Körpers durch auf ihn einwirkende Schwingungen gleicher Wellenlänge (kann beim ungebremsten Anwachsen zur Resonanzkatastrophe führen) 2 〈Chem.〉 das Hin– u. Herschwingen von Elektronen innerhalb von ungesättigten Molekülen; … mehr

pro|ven|za|lisch  〈[–vn–] Adj.〉 zu der südfranzös. Landschaft Provence gehörend, aus ihr stammend ● ~e Sprache Langue d’oc, (früher: Limousinisch, im MA: Lenga Romana), die noch heute in der Provence gesprochenen Mundarten … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige