Sieben Jahre lang hatte Claus Mattheck seine Flucht geplant. Im Schlauchboot wollte er abhauen – aus der DDR, „wo“, wie er sagt, „gelogen und bespitzelt wurde“. Im August 1974, kurz nachdem der gebürtige Dresdner das Physikstudium mit der Promotion abgeschlossen hatte, wollte er sein Vorhaben in die Tat umsetzen – doch es misslang. Die Folge: Zwei Jahre Haft im Zuchthaus Cottbus.
Doch der Rebell – schon im Gymnasium war seine Abiturnote wegen „ideologischer Unklarheiten“ gedrückt worden – nutzte diese Zeit. Gemeinsam mit seinem Zellengenossen, einem Frauenarzt, berechnete er die Blutströmung in der Plazenta, um eine Therapie gegen Gestose zu entwickeln. Bei dieser Krankheit wird der Mutterkuchen schlecht durchblutet, was zu einer Behinderung des Kindes führen kann. „Wir durften nichts aufschreiben und mussten alles auswendig lernen“, erinnert sich der heute 56-Jährige.
Im August 1976 wurde Claus Mattheck entlassen und in die Bundesrepublik abgeschoben. „Vorher musste ich noch jeden Tag drei Eier essen, damit mein desolater Gesundheitszustand nicht auffällt.“
Heute, 28 Jahre später, ist Mattheck Leiter der Abteilung Biomechanik am Forschungszentrum Karlsruhe und Träger des Deutschen Umweltpreises 2003. Anfang der neunziger Jahre hatte er eine Methode zur visuellen Baumkontrolle entwickelt. Sie ermöglicht, die Stabilität eines Baumes anhand äußerer Merkmale zu erkennen und macht präventives Abholzen unnötig. „Anfangs wurde ich belächelt, heute halte ich Vorträge auf der ganzen Welt mit Tausenden von Zuhörern“, freut sich Mattheck.
Hans Groth