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SCHLEPPEND VERSILBERT

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SCHLEPPEND VERSILBERT
Der von ihm erfundene Kunststoffschlauch mit Nanosilber-Partikeln „kann Zigtausende von Leben retten“, sagt Josef-Peter Guggenbichler. Und doch wollte ihn lange Zeit keiner haben.

VOR ALLEM STEINIG waren die letzten 15 Jahre für Josef-Peter Guggenbichler. So lange versucht der Kinderarzt von der Universität Erlangen bereits, seinen „Erlanger Silberkatheter“ im Medizinmarkt zu etablieren. Dieser Kunststoffschlauch ist vor allem für Patienten auf Intensivstationen gedacht, die einen ständigen Zugang zum Venensystem benötigen – etwa für die dauerhafte Verabreichung von Medikamenten. Das Besondere daran: Weil solche Katheter immer wieder lebensbedrohliche Infektionen verursachen, ist der Kunststoff bei Guggenbichlers Variante mit winzigen Silberpartikeln angereichert. Sie verhindern, dass krankmachende Bakterien oder Pilze sich auf dem Material ansiedeln (bild der wissenschaft 2/1998, „Schlechte Zeiten für Keime“).

„Diese Technologie kann Zigtausende von Leben retten“, ist sich der Erfinder auch heute noch sicher. Doch trotz nachgewiesener Wirksamkeit seines Produkts erwies sich die Vermarktung als zäh. Dabei hatte alles vielversprechend begonnen: Bereits 1998 sicherte Siemens sich die weltweiten Vertriebsrechte an dem Katheter, den Guggenbichler bis dahin in Eigenleistung und durch ein Start-up-Unternehmen entwickelt hatte. Anfang 1999 begann der Verkauf, im Rahmen eines Komplettangebots für Intensivstationen. „Dazu gehörten medizinische Geräte, Software, Schulungsseminare und Verbrauchsmaterialien, darunter meine Katheter“, erklärt der Erfinder. Indes: „Nicht ein einziges Paket wurde verkauft“, bedauert er. Siemens stellte den Vertrieb Ende September 1999 ein.

Guggenbichler räumt ein: Die ersten Versionen seines Katheters waren noch nicht ausgereift – zu teuer, die Fixierung am Patienten funktionierte nicht gut genug, und sie gaben nicht die optimale Silbermenge ab. Zusammen mit dem Erlanger Chemieprofessor Andreas Hirsch forschte er weiter, finanziert zum Teil durch Mittel des Landes Bayern, größtenteils jedoch durch eigenes Geld, und meldete 2000 eine verbesserte Version zum Patent an. Ende des gleichen Jahres tat sich endlich die nächste Chance auf: „Genau am Nikolaus-Tag meldete die Firma Medex Interesse an“, erinnert er sich. Ein Vertrag wurde geschlossen, und Mitte 2002 war der Katheter in verbesserter Variante ein zweites Mal auf dem Markt.

„In Italien, der Schweiz und England wuchsen die Verkaufszahlen langsam“, berichtet Guggenbichler. In Deutschland jedoch war das Interesse gering. Der Erlanger Mediziner hat dafür zwei Erklärungen. Zum einen haperte es am Marketing: „Auf Kongressen wurde ich gefragt: Das ist ja schön, aber wo kann ich es kaufen?“ Für entscheidender hält er indes etwas anderes: die damalige Abrechnungspraxis der Krankenhäuser. „Niemand wollte ernsthaft Infektionen vermeiden – schließlich waren die Intensivpatienten eine Art Goldesel: Für jeden Tag, den sie stationär behandelt wurden, konnte man kräftig abrechnen.“ Spürbar gestiegen sei das Interesse erst, als ab 2003 die Krankenhäuser nach diagnosebasierten Fallpauschalen („ Kopfpauschalen“) abrechnen mussten. Denn nun gab es unabhängig von der Zahl der Bettenbelegungstage stets denselben Betrag von den Kassen. „Seitdem sind langwierige Infektionen unerwünscht“, sagt Guggenbichler.

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Ende 2004 wurde Medex von dem britischen Medizinproduktanbieter Smiths Medical übernommen. Seit Juni letzten Jahres ist eine Weiterentwicklung des Silberkatheters im Gange, geplant sind zudem Aktivitäten auf dem US-Markt und in Japan. Außerdem sollen in Zukunft weitere Produkte in einer keimhemmenden Silbervariante angeboten werden. „Ich glaube, wir stehen jetzt wirklich vor dem Durchbruch“, resümiert Guggenbichler – um dann nachdenklich anzufügen: „Aber das habe ich ja schon sehr oft gesagt.“ Ilka Lehnen-Beyel ■

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