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Aufwind für Firmengründer

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Aufwind für Firmengründer
Karlsruhe ist eine Region erfolgreicher Unternehmensgründungen. Die Ursachen erläutert Dr. Jürgen Wüst, Geschäftsführer vom Karlsruher Existenzgründungs-Impuls, KEIM e. V.

bild der wissenschaft: Leiden auch Existenzgründer-Initiativen an den Folgen der Terroranschläge in den USA, Herr Dr. Wüst? Wüst: Sicherlich ist die eine oder andere kleine Lähmung aufgetreten. Einschneidende Veränderungen haben wir bei KEIM allerdings nicht zu spüren bekommen. bdw: Der rapide Verfall der Börsenkurse seit dem April 2000 hat sich auf das Gründerklima dagegen deutlich ausgewirkt. Wüst: Diese Entwicklung ist sicher ein Handikap. Auch in unserem Einzugsgebiet gab es vereinzelt Konkurse. Ich vermute, dass sich das deutlich gebesserte Firmengründerklima in Deutschland durch diese Einflüsse sowie den generellen Rückschlag in der Wirtschaftsdynamik wieder etwas verschlechtern wird. bdw: Die guten Jahre sind vorbei? Wüst: Nein. Ich sehe das nicht so pessimistisch. Gründer, die an ihre Idee wirklich glauben, bauen ihre Firma unabhängig von solchen Randbedingungen auf. Sie hängen an diesem Lebensziel. Man kann die jetzige Situation auch als Bereinigung sehen, durch die wacklige Kandidaten erst gar nicht auf Touren kommen und uns so einen späteren Flop ersparen. bdw: In den achtziger und frühen neunziger Jahren galt Deutschland nicht gerade als attraktives Gründerland für Technologiefirmen. Was hat sich seitdem verändert? Wüst: Auch begabte und motivierte Gründer brauchen ein adäquates Umfeld. Darum ist es heute weit besser bestellt. Das Milieu der vielen kleinen, aber wichtigen Unterstützungen hat sich zum Positiven gewandt. Auch unsere kulturelle Entwicklung verläuft anders. Die jungen Leute sind unabhängiger, organisieren sich besser und nehmen ihre Berufsplanung weit stärker selbst in die Hand, als das früher der Fall war. bdw: Wie positioniert sich Deutschland im europäischen Vergleich und wie im Vergleich zu den USA? Wüst: Großbritannien ist in Europa nach wie vor führend, was die Unterstützung mit Venture Capital angeht. In Frankreich fördert der Staat durch regionale Entwicklungsprogramme sehr stark. Auch in Schweden und Finnland ist viel in Bewegung, unterstützt durch starke amerikanische Einflüsse. Kurzum: Es ist Einiges in den Ländern um uns los. Doch Deutschland kann sich mit seinen Aktivitäten sehen lassen. Die USA spielen allerdings immer noch in einer anderen Liga. bdw: Wie viele Arbeitsplätze wurden in Deutschland durch technologische Existenzgründungen geschaffen? Wüst: Eine genaue Untersuchung hierzu gibt es nicht. Das Institut für Sozialwissenschaft der Universität Karlsruhe hat ermittelt, dass in den ersten Jahren nach dem Abschluss 7 Prozent der Hochschulabsolventen den Weg in die Selbstständigkeit gehen. Über alle Altersjahrgänge hinweg sind sogar 16 Prozent aller akademisch Qualifizierten selbstständig. Darunter fallen allerdings alle Freiberufler, also auch Ärzte, Architekten und Anwälte. bdw: Wo in Deutschland ist die Gründerszene besonders aktiv? Wüst: Die wichtigste Region ist München. Das hat auch damit zu tun, dass dort die Unternehmensberatung McKinsey vor mehreren Jahren einen Businessplan-Wettbewerb ausgeschrieben hat, der sehr viel angestoßen hat. Heute gilt diese Ausschreibung als der Urvater aller Businessplan-Wettbewerbe in Deutschland. Weitere starke Regionen sind Stuttgart, Karlsruhe, Dresden, Hamburg, Jena, Wuppertal-Hagen, Aachen, Dortmund, Heidelberg und Köln-Bonn. bdw: Vier der von Ihnen soeben genannten elf Regionen sind im Süden angesiedelt. Das ist wohl kein Zufall. Wüst: Da gibt es verschiedene Einflüsse. Zum einen ist der Süden traditionell durch einen starken Mittelstand gekennzeichnet. Der Nachwuchs dieses Mittelstands ist sehr nah dran an eigenen Firmengründungsideen. Daneben haben die dortigen Landesregierungen moderne Unternehmensgründungen früher als andere gefördert. Gerade Bayern hat sehr viel Geld in den Technologietransfer gesteckt – und damit indirekt in Firmengründungen. Dann ist da noch die generelle Attraktivität des Südens für junge Leute. Viele fühlen sich hier einfach „ sauwohl“. Viertens gibt es hier viele im Ranking gut positionierte Hochschulen, die überdies gut mit der Industrie vernetzt sind. bdw: Der Karlsruher Existenzgründungs-Impuls wurde Anfang 1999 ins Leben gerufen und soll Karlsruhe zu einer Modellregion für Unternehmensgründungen aus Hochschule und Forschungseinrichtung machen. Wo stehen Sie nach drei Jahren? Wüst: 1998 hat das Bundesforschungsministerium den Modellregion-Wettbewerb „Exist“ ausgeschrieben. 109 interessierte Regionen hatten sich beworben, 5 – darunter Karlsruhe – wurden ausgewählt. Das Forschungszentrum Karlsruhe hat die Sache in die Hand genommen und die Universität Karlsruhe sowie die Fachhochschulen in Karlsruhe und Pforzheim an Bord geholt. Zusammen mit der Technologie-Region, der IHK und der Stadt Karlsruhe haben wir den Verein KEIM e.V. gegründet. Durch diese Initiative wurden inzwischen 122 neue Firmen gegründet – im Schnitt mit 7 Mitarbeitern. Die größten Unternehmen haben schon 25 bis 30 Beschäftigte. Gegenwärtig kommt pro Woche eine neue Firma hinzu. 49 Prozent der Firmen beschäftigen sich mit der Informationstechnologie. Die Arbeitsplatzdynamik der führenden Firmen liegt bei 20 bis 30 Prozent pro Jahr und ist vergleichbar mit der Entwicklung, wie wir sie vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei Boston kennen. Keine schlechten Daten also. bdw: Wären die meisten dieser 122 Firmen nicht auch ohne KEIM entstanden? Wüst: Bei all diesen 122 Unternehmen hat KEIM nach Aussage ihrer Gründer durch seine Dienstleistungen „essenziell mit dazu beigetragen“, dass die Firma entstand. bdw: Wie erklären Sie den außerordentlich hohen Prozentsatz der IT-Unternehmensgründungen? Wüst: Karlsruhe war die erste deutsche Hochschule, die eine Informatik-Fakultät geschaffen hatte. Diese führende Stellung hat sich die Region bis heute erhalten. Symbolisch ist: Bill Gates hat hier einen Microsoft-Pool eingerichtet und ihn im vergangenen Jahr höchstselbst besucht. bdw: In welchen Bereichen erhoffen Sie sich noch mehr Gründungsdynamik? Wüst: Medizin und Medizintechnik haben ein großes Potenzial. Manche Firmengründungen sind hier bereits in der Pipeline. Sie werden Pharmaka, Implantate oder Sensoren herstellen, die dem Menschen gesundheitlich weiterhelfen. bdw: Was zeichnet einen Technologie orientierten Firmengründer aus? Wüst: Vor allem die gute Geschäftsidee und die Fähigkeit, an sich und die Idee zu glauben. Andererseits braucht man auch die Ratio, sich zu steuern, sich richtig einzuschätzen. Weiterhin muss man in Teams arbeiten können. Die meisten Firmen sind Teamgründungen und von zwei, drei oder gar vier Menschen initiiert. Weiterhin braucht man Charisma, muss andere mitreißen können. Schließlich ist auch Handwerkszeug wie Managementwissen und betriebswirtschaftliches Wissen nötig. bdw: Welche Rolle spielt die Examensnote? Wüst: Es zeigt sich immer wieder, dass es nicht die Studienabbrecher sind, die Erfolg haben, sondern die Absolventen mit guten Examensnoten. bdw: Und welche Rolle spielt das persönliche Einkommen für Unternehmensgründer? Wüst: Ich kenne viele, die erschreckend wenig an ihr Auskommen denken. Hier muss man die Gründer erst mal darauf stoßen, auch an ihre persönliche finanzielle Absicherung zu denken. Andererseits können Geschäftsführer von Start-up-Firmen in der Biotechnologie durchaus auf 75000 bis 130000 Euro oder mehr Jahresgehalt kommen. bdw: Wie formen Sie aus einem spezialisierten Hochschulabsolventen einen generalistisch ausgerichteten Unternehmensgründer? Wüst: Solides Fachwissen ist eine gute Ausgangsposition. Aber dann müssen breit gefächerte Fähigkeiten wie Aufgeschlossenheit oder Kommunikationsfähigkeit dazu kommen. Um die Kommunikation anzukurbeln haben wir beispielsweise den Club „Gründer helfen Gründern“ etabliert, in dem sich Neulinge informieren können. Um ein Unternehmen erfolgreich zu etablieren, ist es wichtig, sich in Netzwerke einzuarbeiten. Wir helfen auch dadurch, dass wir Coaches und Tutoren aus etablierten Institutionen und Unternehmen zur Verfügung stellen. bdw: Wie kommt diese Hilfe an? Wüst: Es ist ein schönes Erlebnis zu sehen, wie positiv das abläuft. Das hat mit den Eigenschaften unserer jüngeren Generation zu tun. Sie ist sehr aufgeschlossen, kontaktfreudig und initiativ. So haben wir in der Region unter den 22000 Studenten immerhin 3500, also gut 15 Prozent, die sich eingehender mit dem Gedanken befassen, mal selbst eine Firma zu gründen. KEIM unterstützt diese Studierenden beispielsweise dadurch, dass wir sie über E-Mails auf dem Laufenden halten. Viele kommen sogar zu unseren Tagungen. Der eigenwillige Gründer, der sich abschirmt, ist out. bdw: Die Gründerszene ist von Männern dominiert. Wissen Sie, wie hoch der Frauenanteil in der Karlsruher Gründerszene ist? Wüst: Die genaue Zahl habe ich nicht im Kopf. Ich schätze, dass aber nur 10 bis 15 Prozent der 122 Unternehmen von Gründerinnen initiiert wurden. Wir müssen deshalb gezielte Aktionen entwickeln, um Frauen stärker an diese Szene heranzuführen. bdw: Welche Perspektiven ergeben sich für die nächsten Jahre? Wüst: Wir haben in Deutschland viel bewegt. Fast alle potenziellen Unternehmensgründer dürften sich inzwischen durch unsere Aktionen angesprochen fühlen. Ziel sollte jetzt in erster Linie sein, das Erreichte qualitativ weiterzuentwickeln: Das heißt, es ist sinnvoller für den hoffnungsvollen Einzelnen mehr zu tun, statt nach immer weiteren Potenzialen Ausschau zu halten. Beim Kapital, das in der Frühphase einer Unternehmensgründung gebraucht wird – ehe Venture Capital verfügbar ist –, müssen sich die Kreditgeber stärker auf die jungen Leute zubewegen und innovative Finanzierungsmodelle entwickeln. Der stete Blick auf das Häuschen der Eltern ist mir zu wenig. Weiterhin ist die etablierte Wirtschaft gefordert: Sie muss in einen intensiveren Dialog mit Gründerwilligen eintreten, Geschäftsideen mitentwickeln oder Ideen, die im eigenen Unternehmen nicht umgesetzt werden können, zur Verfügung stellen. Auch die Schulen müssen sich stärker engagieren und Übungsprogramme in den Unterricht aufnehmen, um Schüler an Managementwissen heranzuführen. bdw: Haben Sie noch einen konkreten Rat für Studierende, die sich mit einer Unternehmensgründung beschäftigen? Wüst: Erstens: Einen guten Studienabschluss machen. Zweitens: Sich umfassend in Sachen Unternehmensführung weiterbilden. Drittens: Eine funktionierende Geschäftsidee mit einem soliden Businessplan in der Diskussion mit erfahrenen Partnern entwickeln. Das alles funktioniert am besten, wenn – viertens -– die Firma erst dann gegründet wird, wenn man einige Jahre Berufserfahrung hat.

Jürgen Wüst (Jahrgang 1940) studierte Physik, promovierte in Maschinenbau und startete seinen Berufsweg im damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe. Vor 25 Jahren wechselte er dort ins Projektmanagement. Ab 1980 leitete er die Abteilung Technologietransfer. 1998 wurde unter wesentlicher Beteiligung des Forschungszentrums der Karlsruher Existenzgründungs-Impuls KEIM e.V. gegründet, dessen Geschäftsführer Wüst seither ist.

Wolfgang Hess

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