US-Astronomen haben in der interstellaren Molekülwolke Sagittarius-B Vinylalkohol (CH2CHOH) entdeckt. Dieses relativ komplexe Molekül ist eine wichtige Verbindung in der organischen Chemie und ein Vorläufer für die Bausteine des Lebens. Der Nachweis gelang Barry Turner vom National Radio Astronomy Observatory in Charlottesville, Virginia, und seinem Team im Millimeter- Wellenlängenbereich mit dem 12-Meter-Radioteleskop auf dem Kitt Peak in Arizona. Die schwachen Radiosignale entstehen durch Quanteneffekte bei der Rotation und Vibration der Moleküle. Sagittarius-B befindet sich in der Nähe des Galaktischen Zentrums, rund 26000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Von den etwa 125 bekannten Molekülsorten im All entstehen die meisten durch Kollision von Atomen oder kleineren Molekülen. Doch Vinylalkohol und andere große Moleküle bilden sich vermutlich an der Oberfläche von Staubkörnern, die als Katalysatoren wirken. „Dieser Prozess wirft aber noch viele Fragen auf”, sagt Turner. „Insbesondere ist unklar, wie die Moleküle sich von den Staubkörnchen lösen und frei ins All gelangen.” Möglicherweise sind nahe heiße junge Sterne die Ursache, deren Strahlung die Eiskrusten der Staubkörnchen verdampfen lässt. „Aber vielleicht entsteht Vinylalkohol auch durch die Reaktion von einfacheren Molekülen wie Formaldehyd (H2CO) und Methanol (CH3OH) direkt im All”, spekuliert Turner.
Hans Groth