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Schönbildseher

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Schönbildseher

Das ist doch Kinderkram – diese beklebten Pappröhren mit den bunten Transparenzbildern am Ende. Vielleicht erinnern Sie sich noch, was Sie gesehen haben, als Sie das letzte Mal durch so ein Ding geschaut haben. Viele bunte Perlen? Und wenn man das Rohr dreht, verändert sich das Bild? Das ist richtig. Aber nur ein Bruchteil der Wahrheit. Schon wenn man ein solches Kaleidoskop ohne Drehung gegen das Licht hält, wundert man sich, dass die Glas- oder Kunststoffperlen ein viel größeres Feld ausfüllen als die Öffnung der Röhre. Dreht man nun das Kaleidoskop langsam, bewegen die Perlen sich nicht irgendwie, sondern bilden ein Muster. Die äußeren Bereiche wandern synchron mit den inneren, sie hängen quasi ferngesteuert zusammen. Schaut man ganz genau hin, erkennt man folgenden Effekt: Wenn die Glasperlen beim Drehen umkippen, purzeln manche im Uhrzeigersinn und manche entgegengesetzt. Ein Kinderspielzeug? Natürlich. Aber wir Erwachsenen wollen wissen, wie es funktioniert. „Kaleidoskop“ ist ein griechisches Kunstwort, das „Schönbildseher“ bedeutet. Es bietet eines der wenigen mathematisch-physikalischen Experimente, die urheberrechtlich geschützt sind. Der schottische Physiker David Brewster erhielt am 10. Juli 1817 ein Patent auf dieses Spielzeug. Im Jahre 1819 verfasste er ein Traktat mit dem Titel „ Treatise on the Kaleidoskope“ und machte seine Bildröhre damit populär.

Was ist an diesem Schönbildseher schutzwürdig? Wie bei jedem Patent muss es erstens ein Problem geben und dieses zweitens technisch gelöst werden. Das Problem war die Erzeugung schöner Muster, und gelöst wurde es durch den Einsatz von Spiegeln. Im Innern eines Kaleidoskops befinden sich also nicht nur bunte Glas- oder Kunststoffperlen. Die allein würden kein schönes Bild bieten, jedenfalls kein Muster. Erst drei Spiegel erzeugen das Muster – vollautomatisch. Sie sind so angeordnet, dass sie im Querschnitt ein gleichseitiges Dreieck bilden. Ganz vorne wird das Kaleidoskop durch zwei Milchglasscheiben begrenzt, zwischen denen sich die Perlen befinden. Warum erzeugen die Spiegel ein besonders schönes Muster? Stellen wir uns zunächst nur eine Perle vor. Diese wird in allen drei Spiegeln gespiegelt – im ersten, im zweiten und im dritten. Aber auch das Spiegelbild der Perle im ersten Spiegel wird im zweiten und im dritten Spiegel gespiegelt. Entsprechendes passiert mit den Spiegelbildern des zweiten und dritten Spiegels. Schließlich werden auch diese „Spiegelbilder zweiter Art“ widergespiegelt. Und so weiter und so weiter. Insgesamt ergibt sich ein unendliches Muster. In einem Kaleidoskop befindet sich natürlich nicht nur eine, sondern eine ganze Menge von Perlen, die eine völlig zufällige Anordnung haben. Durch das Spiegeln entsteht eine Struktur. Und die Faszination entsteht aus der Verbindung von Zufall und Ordnung. Wenn Sie das nächste Mal durch ein Kaleidoskop schauen, konzentrieren Sie Ihren Blick einmal nicht auf die Farben des Bildes, sondern auf dessen Struktur. Sie werden ein Muster aus lauter gleichseitigen Dreiecken erkennen. Jedes Dreieck, das außen zu sehen ist, ist das Spiegelbild des angrenzenden inneren Dreiecks. Sie merken: Man kann verstehen, was in einem solchen Schönbildseher passiert. Aber dadurch verliert das Kaleidoskop keineswegs seinen Zauber.

Albrecht Beutelspacher

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