Eines der Meisterstücke der Strukturbiologen war die Entschlüsselung der zellulären Müllabfuhr, des Proteasoms, eines riesigen, tonnenförmigen Komplexes. Das Besondere und Schwierige war nicht nur seine ungewöhnliche Größe, sondern die Tatsache, dass es aus vielen verschiedenen Eiweißen zusammengesetzt ist.
Zwei Arbeitsgruppen vom Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in München haben zwischen 1989 und 1995 die Struktur des Proteasoms der Hefe untersucht und fanden dabei auch viel über dessen Funktion heraus. Prof. Wolfgang Baumeister und sein Team benutzten dazu Elektronenmikroskope, die Abteilung von Nobelpreisträger Prof. Robert Huber analysierte das Gebilde mit Hilfe von Röntgenkristallographen bis ins einzelne Atom: Das Hefe-Proteasom ist eine kompliziert gebaute Nanomaschine aus 2 mal 14 verschiedenen Protein-Ketten. Von einem weiteren Multiprotein-Komplex gesteuert, baut das Proteasom fehlerhafte und nicht mehr benötigte Eiweiße ab.
Damit der Müllschlucker nicht wahllos in der Zelle wütet, werden die zum Abbau bestimmten Moleküle mit kleinen Signalen, den Ubiquitinen, markiert. Nur Proteine mit „Müllmarken“ kommen in den Müllschlucker, der sie zerhackt und in Einzelteilen wieder freisetzt. Diese zellulären Recyclingsysteme sind lebenswichtig – man findet Proteasomen in allen höheren Organismen und vielen Mikroorganismen.
Beim Menschen spielen Proteasomen überdies eine Hauptrolle bei der Immunabwehr: Sie zerschreddern Viren und Bakterien zu Bruchstücken, die die Zelle den Immunzellen präsentiert und damit die Anwesenheit der Erreger signalisiert.
Ein Team um Prof. Stefan Jentsch vom Münchner MPI entdeckte vor kurzem, dass der Müllschlucker sogar bei der Regulierung von Genen hilft: Ein Protein, das über das Aktivieren von Genen entscheidet, liegt normalerweise gefesselt vor. Wenn es gebraucht wird, kommt es in den Müllschredder, der in diesem Fall aber lediglich die Fesseln abknabbert.
Thomas Willke