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Wir sind alle Kinder der Sterne

Allgemein

Wir sind alle Kinder der Sterne
Lawrence M. Krauss, geboren 1954, ist Leiter der Fakultät für Physik an der Case Western University in Cleveland, Ohio. Der Professor für Physik und Astronomie hat populärwissenschaftliche Physik-Sachbücher sowie über 100 wissenschaftliche Fachartikel veröffentlicht – auch über die Möglichkeit des Lebens in der fernsten Zukunft des Universums.

bild der wissenschaft: „Die Physik von Star Trek“ ist Ihr erfolgreichstes Buch. Wie kamen Sie auf die Idee?

Krauss: Es begann mit einem Witz. Ich diskutierte mit meiner Lektorin über mein nächstes Buch, und sie sagte, ihre Tochter sei ein großer Star-Trek-Fan. Als ich zu Hause war, dachte ich an all die neue Physik in der Serie, die Transporter und so weiter. Das zog mich in den Bann, regte meine Vorstellungskraft an. Es wäre eine gute Sache, Leute zu erreichen, die sonst kein Interesse an Physik haben – ein Trick, sie zum Nachdenken zu bringen. Das veranlasste mich, das Buch zu schreiben. Aber es war eine sehr schwierige Sache. Von allen meinen Büchern war es wohl das größte Abenteuer. Es gibt so viele Experten. Ich wurde selber einer, denn ich habe alle Filme angesehen. Das Problem war, einerseits die Glaubwürdigkeit in der Scientific Community zu behalten und andererseits Millionen Star-Trek-Fans nicht gegen mich aufzubringen.

bdw: Doch genau das Gegenteil war der Fall.

Krauss: Ja, die Fans mochten das Buch, und meine Kollegen begrüßten es auch, als sie sahen, dass es von echter Physik handelt. Mein Prinzip war, der Physik treu zu bleiben. Meine Kollegen waren zufrieden, weil ich die Realität nicht verzerrte. – Mitten im Schreiben begann ich mich im Internet umzusehen, in den Chat-Räumen, und war überrascht. Alle diskutierten über Star-Trek-Physik, aber nicht über die Physik von Star Trek. Sie erfanden ein ganzes Universum, wo Star Trek konsistent war. Aber es ging nicht um die wirkliche Welt. Doch als das Buch erschienen war, schrieb einer der ersten Leser, er habe seit 20 Jahren nach einem solchen Buch Ausschau gehalten.

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bdw: Ihr neues Buch „Atom: An Odyssey from the Big Bang to Life on Earth and Beyond“ handelt von der Geschichte eines Sauerstoff-Atoms. Die erzählen Sie vom Urknall bis zur fernsten Zukunft des Universums. Das ist ein grandioses Thema. Was brachte Sie darauf?

Krauss: Ich wollte die Poesie zum Ausdruck bringen, die darin steckt, dass wir alle Kinder der Sterne sind. Ich wollte ein Buch schreiben, das poetischer und mehr erzählend ist als die anderen. Es ist mein ehrgeizigstes Buch, denn ich musste sehr viel über Biologie und Geologie dafür lernen. Es war ein gewaltiges und tolles Zwei-Jahres-Projekt. Die Idee hielt mich gefangen, ich hatte eine Story. Das gehört zum Poetischsten, was ich vom Universum weiß: Beinahe jedes Atom unseres Körpers war einst in einem Stern.

bdw: Populärwissenschaftliche Bücher zu schreiben, kostet viel Zeit. Was motiviert Sie dazu?

Krauss: Einer der Hauptgründe, warum ich mich für Wissenschaft zu interessieren begann, waren die allgemein verständlichen Bücher von Albert Einstein und George Gamow. Ich hoffe, mit meinen Büchern ebenfalls etwas von meiner Begeisterung an die jungen Menschen weiterzugeben und einige dazu anzuregen, über Wissenschaft nachzudenken. Der zweite Grund ist, dass ich Wissenschaft vor allem zu meinem Vergnügen betreibe. Vielleicht hat sie einen gewissen Wert, aber hauptsächlich macht sie mir Spaß. Trotzdem ist das Schreiben sinnvoll, weil in unserer modernen Gesellschaft die Menschen begierig sind, mehr über Wissenschaft zu erfahren. Und weil ich dazu beitragen kann, fühle ich mich verantwortlich, es auch zu tun. Als Schüler habe ich in einem Wissenschaftsmuseum gearbeitet. Das war eine sehr nützliche Erfahrung: Ich lernte zu kommunizieren und begriff, welche Erklärungen funktionieren und welche nicht. Außerdem bin ich ein sozialer Mensch, Physik unterläuft dies in gewisser Weise. Ich möchte auch etwas tun, das mich mit anderen verbindet.

bdw: Hilft Ihnen das Bücherschreiben auch bei Ihrer wissenschaftlichen Arbeit?

Krauss: Absolut. Wie Sie sicherlich wissen, muss man das, worüber man für ein breites Publikum schreibt, auf einer sehr tiefen Ebene verstehen. Unzählige Male entdeckte ich beim Schreiben, dass ich etwas nicht verstanden hatte, das ich zu verstehen glaubte: zum Beispiel die Entstehung der Sterne oder warum ein Neutron keinen elektrischen Dipol besitzt. So bringt mich das Schreiben dazu, Neues zu begreifen. Ich lerne auch eine Menge unterschiedlicher Menschen kennen, die ich als Akademiker sonst nicht getroffen hätte. Ich komme in der Welt herum, kann Zeit bei einem Set für einen Hollywood-Film verbringen. Es ist ein Abenteuer.

bdw: Haben Sie eine Botschaft?

Krauss: Die Botschaft aller meiner Bücher lautet, dass Wissenschaft ein integraler Bestandteil unserer Kultur ist. Sie hat großen Anteil daran, wie wir über uns und unsere Stellung im Universum denken – wie alle großen Ideen der Philosophie oder Politik. Und es betrübt mich, dass viele Leute einige der bemerkenswertesten Entwicklungen des menschlichen Intellekts nicht kennen. Die Botschaft ist, dass diese Ideen faszinierend sind. Und ich glaube, dass sie so einfach zugänglich sind wie gute Beschreibungen der Geschichte, wie die Künste, Literatur und Musik. Sie gehören zum Menschsein. Dabei fällt mir das Bonmot von Robert Wilson ein, dem berühmten Experimentalphysiker und ersten Direktor des Fermilab, der auch ein Künstler war. Gefragt, ob Fermilab etwas zur Verteidigung der Nation beitragen könnte, sagte er: „Nein, aber es trägt dazu bei, dass die Nation wert ist, verteidigt zu werden.“ Wissenschaft ist nicht nur wegen ihrer technologischen Bedeutung wichtig, und diese ist sicherlich sehr groß, sondern auch wegen der Art und Weise, wie sie das Bild von uns selbst ändert. Und es scheint mir, dass Menschen neuer Einsichten beraubt werden, wenn sie nichts von den wunderbaren wissenschaftlichen Entwicklungen wissen.

Das Gespräch führte Rüdiger Vaas

Rüdiger Vaas

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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