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Harte Nüsse für Autoknacker

Allgemein

Harte Nüsse für Autoknacker
Elektronische Wegfahrsperren machen Autoknackern das Leben schwer. Alarmanlagen, Wanzen, Peilsender, GPS und ausgeklügelte Verriegelungs- systeme sollen zusätzlich vor Einbruch und Diebstahl schützen.

Der Autodieb war besonders brutal und, wie er meinte, clever vorgegangen. Er hatte sich das Luxusauto samt Originalschlüssel mit Waffengewalt vom Eigentümer „besorgt“ – eine immer häufiger angewandte Methode des Autodiebstahls, das so genannte Carnapping. Doch nach einem Stopp an der nächsten Ampel ging der Wagen aus, und der Räuber versuchte vergebens, ihn wieder in Gang zu setzen. Der Motor war auf wundersame Weise abgestellt worden und sprang nicht wieder an. Was war geschehen? Ein Funksignal, ausgesandt von der Internationalen Raumstation (ISS), hatte über einen Mini-Empfänger im Fahrzeugschlüssel das Motormanagement lahm gelegt.

Ein solches Szenario, bei dem gestohlene Autos vom All aus geortet werden und der Motor „deaktiviert“ wird, soll spätestens in zwei Jahren Wirklichkeit sein. Im August 2001 dockte dazu ein russischer Progress-Raumfrachter an die Raumstation an. Mit an Bord war das Herzstück des „Global Transmission Services“ (GTS) – eines Systems zur Übertragung von Funksignalen aus dem All zur Erde. Das System nutzt eine Spezialantenne, die an der Unterseite des ISS-Servicemoduls „Zvezda“ angebracht ist, und kann mithilfe der Steuerelektronik im Inneren des Moduls Funksignale an Miniatur-Empfänger weltweit senden.

Erprobt wird GTS im Rahmen eines Pilotexperiments des deutschen Steinbeis-Transferzentrums Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart im baden-württembergischen Gäufelden. Es war das erste auf der Internationalen Raumstation gestartete Experiment. Unterstützt wird es von DaimlerChrysler, dem schweizerischen Uhrenhersteller Fortis, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der europäischen Weltraumbehörde ESA. „Für die erste Phase des Experiments ist die Untersuchung von zwei Anwendungsgebieten vorgesehen: der weltweiten Synchronisation von Armbanduhren und des Diebstahlschutzes für Kraftfahrzeuge“, sagt Projektleiter Dr. Felix Huber.

Das System wird von einer Zentrale in Stuttgart kontrolliert. Dort werden die Daten aufbereitet und überwacht, die dann der Sender an Bord der ISS abstrahlt. Einer der Vorteile: Im Vergleich zu gewöhnlichen Satelliten fliegt die Raumstation in einer sehr niedrigen Höhe von rund 400 Kilometern, ihre Bahn mit einem Winkel von 51,5 Grad gegenüber dem Äquator ist sehr stark geneigt. Damit kann jeder Ort der Erde zwischen den 70. Breitengraden auf der Nord- und Südhalbkugel per Funk fünf- bis siebenmal pro Tag erreicht werden. Für den Einsatz als Diebstahlschutz sendet das GTS-System codierte Nachrichten an den Empfängerchip, der daraufhin die Elektronik blockiert. Dabei kann der Chip entweder direkt im Auto oder im Fahrzeugschlüssel untergebracht sein. Damit lässt sich sogar verhindern, dass ein Dieb mit einem gestohlenen Originalschlüssel ein Fahrzeug entwendet, da der Schlüssel nach kurzer Zeit wirkungslos wird.

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Neue technische Tricks, um Autodieben das Handwerk zu legen, scheinen dringend nötig. Denn nach wie vor ist das Auto eine der beliebtesten Zielscheiben für kriminelle Aktivitäten. Die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung der Grenzen nach Osteuropa Anfang der neunziger Jahre hochschwappende große Welle von Fahrzeugdiebstählen ist allerdings inzwischen abgeebbt. So wurden im Jahr 2001 laut den deutschen Versicherern 61062 Autos als gestohlen gemeldet – das sind fast 50 Prozent weniger als 1993, als die Zahl der Autodiebstähle in Deutschland mit über 144000 gestohlenen Pkw ihren Höhepunkt erreichte.

Ein Grund für den Rückgang sind elektronische Wegfahrsperren. Das Allianz-Zentrum für Technik (AZT) hatte deren Einführung Anfang der neunziger Jahre gefordert. Seit 1995 bauen die Autohersteller sie als Schutz gegen Autodiebe in immer mehr Fahrzeugen ein – nicht zuletzt deshalb, weil die Kfz-Versicherer für Autos ohne Wegfahrsperre einen Aufschlag in der Kasko-/Diebstahlversicherung eingeführt haben. Heute zählt diese Sicherheitseinrichtung bei fast jedem Neuwagen zur Serienausstattung.

Die Wegfahrsperre verhindert, dass ein Dieb das Auto starten kann. Ein Fahrzeug mit Wegfahrsperre lässt sich nur in Betrieb nehmen, wenn ein bestimmtes codiertes Signal empfangen wird (siehe Kasten „Bei jedem Start ein neuer Code“) – allenfalls Profis unter den Langfingern haben da noch eine Chance. Doch auch die haben aufgerüstet. Sind sie erst einmal in das Wageninnere gelangt, gibt es durchaus einen Weg, die Wegfahrsperre zu umgehen: durch eine mitgebrachte computergelenkte Motorsteuerung. Mit ihrer Hilfe kann das Auto trotz elektronischer Sperre gestartet und weggefahren werden. Mit Spezialtechnik wird später die Original-Motorsteuerung des Wagens ausgelesen und umprogrammiert. Zusätzliche Bauteile und aufwändige technische Tricks sorgen dafür, dass das Fahrzeug wieder benutzbar wird. Der gestohlene Wagen verfügt dann sogar wieder über eine funktionierende Wegfahrsperre.

Die Frage ist also: Wie lässt sich verhindern, dass Langfinger überhaupt in das Auto hineinkommen? „Bei einem BMW kann man nicht ohne massive Beschädigungen Klappen oder Türen öffnen“, sagt Rainer Andres, Experte für die aktive Sicherheit der Gesamtfahrzeuge bei BMW. Den Dieben bleibt nur, die Karosserie aufzubohren. Schwachpunkt sind die Scheiben. Über eine Alarmanlage, die aufheult, sobald eine Scheibe eingeschlagen wird, verfügen serienmäßig bisher nur wenige, teure Fahrzeuge.

Mercedes-Benz bietet auf Wunsch – zusätzlich zur Wegfahrsperre – eine Alarmanlage, einen Abschleppschutz und eine Innenraumsicherung. Das Alarmhorn ist so platziert, dass es von außen gar nicht und selbst nach dem Öffnen der Motorhaube nur schwer zugänglich ist. Jedes Hantieren daran löst unweigerlich Alarm aus – ebenso das unerlaubte Öffnen einer Fahrzeugtür, des Kofferraums oder der Motorhaube sowie der Versuch, das Autoradio oder Zündschloss auszubauen. Der Abschleppschutz basiert auf einem hoch empfindlichen Sensor, der auf jede Lageänderung des Fahrzeugs anspricht und durch Hupen und Blinken auf einen Abschleppversuch reagiert. Die Innenraumsicherung besteht aus einem unsichtbaren „Vorhang“ aus Ultraschallwellen rund um die Fahrzeugkabine. Wird eine der Scheiben eingeschlagen, lösen Sensoren Alarm aus. Die Sicherung per Ultraschall bietet sogar dann Schutz vor Langfingern, wenn man vergessen hat, eine Seitenscheibe oder das Schiebedach zu schließen.

Zündschloss und Zündschlüssel herkömmlicher Art bietet Mercedes-Benz nur noch für wenige Automodelle an. Meist wird ein aufwändiges elektronisches System zur Verriegelung benutzt. Sein auffälligstes Merkmal: Der elektronische Zündschlüssel hat keinen Bart. Zum Starten des Motors wird nur die keilförmige Zunge in den Zündschalter gesteckt und kurz nach rechts gedreht. Im Inneren des Zündschalters wird dann blitzschnell elektronisch geprüft, ob der richtige Schlüssel eingesteckt wurde. Dazu wird über eine Induktionsschleife ein elektromagnetisches Testsignal in den Schlüssel übertragen, der darauf per Infrarotlicht mit einem codierten Datensignal antwortet. Der Mikrocomputer des Zündschalters prüft diesen Code. Nur wenn der mit einem gespeicherten Vergleichswert übereinstimmt, lässt sich die Zündung einschalten. Die Datencodes des elektronischen Schlüssels und die Vergleichswerte des Schalters werden nach jedem Starten neu berechnet und gespeichert.

Seit April 1999 können Mercedes-Käufer für verschiedene Fahrzeugmodelle das „Keyless-Go“-System ordern – eine Entwicklung von Siemens und des Automobilzulieferers Huf Hülsbeck & Fürst in Velbert. Dieses Sicherheitssystem kommt ganz ohne Schlüssel aus. Dessen Funktion übernimmt eine Chipkarte. Ihr Vorteil: Der Autofahrer braucht die Karte vor dem Einsteigen nicht in die Hand zu nehmen – sie kann in der Hemd- oder Jackentasche stecken bleiben.

Die Türgriffe sind mit berührungsempfindlichen Sensoren, und der Kofferraumdeckel ist mit einem speziellen Druckknopf ausgestattet. Sobald der Fahrer einen der Türgriffe berührt oder den Knopf am Heck drückt, empfängt seine Chipkarte ein Signal von Antennen, die in den Türen und im Heckstoßfänger des Wagens untergebracht sind. Die Karte antwortet per Funk mit einem Identifikationscode. Stimmt dieser mit dem gespeicherten Wert überein, werden Türen oder Kofferraumdeckel freigegeben. Das von Philips entwickelte „Keyless-Entry“-System funktioniert auf ähnliche Weise. Es wird zum Beispiel für den Renault Laguna, den LS 430 von Lexus und den Lancia Thesis angeboten. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden die meisten Autohersteller einen schlüssellosen Zugang zu ihren Fahrzeugen anbieten, prophezeit Thomas Rudolph vom Geschäftsbereich Identifikation bei Philips in Hamburg.

Der Nachteil: Ein solches System erkennt nicht, ob der Besitzer des Transponders wirklich berechtigt ist, das Fahrzeug zu öffnen, oder ob die Karte gestohlen ist. Deshalb sind Chipkarten nur ein Zwischenschritt. Mittelfristig setzt die Industrie auf biometrische Sensoren, die etwa den Fingerabdruck des Besitzers erkennen. Den Prototypen eines Fingerprint-Autoschlüssels hat Siemens präsentiert. Auch Irisscanner, die mit Infrarotlicht das Muster der Blutgefäße im Auge abtasten und den Fahrer über seine Netzhaut identifizieren, werden entwickelt.

Trotzdem hat der fahrzeugbezogene elektronische Schlüssel Vorteile gegenüber personenbezogenen biometrischen Sicherheitssystemen, sagt Philips-Experte Rudolph. So versagt die Identifizierung durch den Fingerabdruck, wenn Fahrzeuglenker häufig wechseln – etwa bei Leihwagen. Rund sieben Prozent der Deutschen haben zudem gar keinen identifizierbaren Fingerabdruck: Manchen Menschen fehlen die Linien an der Fingerkuppe bereits seit der Geburt, bei anderen sind sie durch Verletzungen verschwunden. Auch stark verschmutzte Finger erkennt der Sensor nicht – der Zugang zum Wagen bleibt dann auch dem rechtmäßigen Besitzer verwehrt.

Ist ein Fahrzeug trotz aller Sicherheitsmaßnahmen gestohlen worden, erlaubt das Global Positioning System (GPS) ein schnelles Aufspüren des Wagens via Satellit. „Vor allem zur Ortung gestohlener Lkw ist der Einsatz von GPS sinnvoll“, sagt Klaus Brandenstein, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin. Allein die Ladung ist im Schnitt etwa 80000 Euro wert. „Herkömmliche Sicherheitsvorkehrungen wie Plomben und Wegfahrsperre reichen schon lange nicht mehr aus, um Lkw gegen professionelle Diebe zu schützen“, sagt Pieter Satorius, Geschäftsführer der Firma Sutainer. Gemeinsam mit Sicherheitsspezialisten aus der Transportbranche entwickelte das Hamburger Unternehmen ein Schutzsystem für Lastwagen, das eine elektronische Verriegelung mit dem GPS-System und der Mobilfunktechnik verbindet. Erste Geräte des „Intelligent Transport Security Systems“ (ITSS) sind seit einigen Monaten auf dem Markt.

Die Funktionsweise des Systems: Per Ortung via Satellit wird der Standort des Fahrzeugs jederzeit und an jedem Ort der Welt auf wenige Meter genau ermittelt. „Der Fahrer muss unmittelbar vor jedem Start einen PIN-Code eingeben, mit dem er sich identifiziert. Der Lkw weiß dann, dass der richtige Fahrer am Steuer sitzt“, erklärt Sutainer-Chef Satorius. „Wird ein Fahrer überfallen und gezwungen, dem Dieb sein Fahrzeug zu überlassen, merkt der Lkw, dass der falsche Fahrer hinterm Lenkrad sitzt, weil kein PIN-Code vor dem Starten eingegeben wird.“ Das System ruft dann per Mobilfunk die Polizei und baut gleichzeitig eine Telefonverbindung zur Spedition auf, so dass Gespräche im Fahrerhaus abgehört werden können. Außerdem bleibt der Lkw nach 1,5 Kilometern automatisch stehen. Per GPS kann er dann rasch aufgespürt werden.

Auch die geladene Ware ist durch ITSS geschützt: Die Ladetüren werden vom Computer der Spedition aus elektronisch verriegelt. Der Fahrer kann sie nur zu programmierten Zeiten und an bestimmten Orten öffnen. „Zahlreiche Lkw-Hersteller haben bereits ihr Interesse an der ITSS-Technik bekundet“, berichtet Sutainer-Chef Satorius.

Gestohlene Pkw lassen sich mithilfe von „LoJack Detektor“ wiederfinden. Das von der gleichnamigen Berliner Firma betriebene System besteht aus Sendern und Empfängern, über die ein entwendetes Auto per Funk auf sich aufmerksam macht und – unbemerkt von dem Dieb – verrät, wohin es chauffiert wird. Unter dem Namen „LoJack“ wurde das System von Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) entwickelt und ist in Amerika bereits seit Mitte der achtziger Jahre im Einsatz. Inzwischen wurde es weltweit in etwa zwei Dutzend Ländern eingeführt. Bei uns wurde der Geheimagent im Auto, der auch als Baumaschinen- und Lkw-Variante erhältlich ist, erst im Juli 2001 vorgestellt. Denn man war hierzulande der Meinung, durch die elektronischen Wegfahrsperren das Diebstahlproblem gelöst zu haben. Zudem fand sich lange niemand, der zu der nötigen Investition von mehreren Millionen Euro bereit war.

Die Funktionsweise von LoJack Detektor klingt ein wenig nach James Bond: Die Anlage wird versteckt im Auto eingebaut. Selbst der Käufer des Wagens erfährt nicht, wo sie sich befindet. Der Detektor arbeitet mit einer Sende- und Empfangseinheit und einer eigenen Batterie. Wird der Wagen unerlaubt bewegt, sendet das System automatisch ein Signal mit einem Erkennungscode an eine Zentrale. Nach Rücksprache mit dem Halter stellt man zunächst fest, ob das Fahrzeug tatsächlich gestohlen wurde. In diesem Fall wird Anzeige erstattet und die Suche nach dem gestohlenen Fahrzeug eingeleitet. Den Erkennungscode fangen spezielle Empfänger auf. Das Sicherheitsnetz des Systems besteht aus fest installierten Empfangsstationen sowie mobilen Einsatzkräften in Fahrzeugen und Hubschraubern.

Rund 1200 Euro inklusive Einbau kostet der LoJack Detektor. Doch die Investition lohnt sich: Viele Versicherungen gewähren dafür einen Rabatt auf die Kaskoversicherung.

Heike Stüvel

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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