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Von tollkühnen Männern und ihren fliegenden Kisten

Allgemein

Von tollkühnen Männern und ihren fliegenden Kisten
Modellflugzeuge

Noch herrscht Winter. Doch viele Modellflieger fiebern bereits dem Beginn der Flugsaison im Frühjahr entgegen. Ihre ferngesteuerten Flugzeugmodelle warten mit immer raffinierterer Technik auf.Mit rauchender Turbine rollt der Kampfjet vom Typ F-16 Fighting Falcon auf die Startbahn des Luftwaffenstützpunktes in Alhorn. Die Maschine bleibt kurz stehen, ein letzter Check vor dem Start. Dann heult das Düsentriebwerk auf, der Jet beschleunigt und hebt nach wenigen Sekunden ab. Das Fahrwerk verschwindet im Rumpf, und der Pilot bringt die Maschine auf Endgeschwindigkeit. Unter den staunenden Blicken des Publikums beginnt das Showprogramm: Die rote Rauchschleppe des Jets zeichnet die abenteuerlichsten Figuren in den blauen Himmel. Nach mehreren Loopings zieht der Pilot die Maschine steil nach oben, dann kippt sie über die rechte Tragfläche und beginnt zu trudeln. Die Zuschauer halten den Atem an: Erst kurz vor dem Boden fängt sich das Flugzeug wieder, und es folgen weitere kunstvolle Manöver wie Rollen oder Rückenflug.

Die perfekte Illusion: Der Jet ist kaum zwei Meter lang, und der Pilot steht mit der Fernsteuerung in der Hand auf einer Tribüne. Aus der Perspektive der knapp 30 Zentimeter großen Puppe auf dem Pilotensitz des Jets wäre das Modell vom Original allerdings kaum zu unterscheiden. Die Liebe zum Detail zeigt sich in den originalgetreuen Warnhinweisen für den Schleudersitz. Fast 1000 Stunden Arbeit stecken in einem solchen High-Tech-Modell. Das technische Highlight ist der Antrieb: Mit den kleinen Düsenturbinen ist auch die letzte Beschränkung für Modellflieger Vergangenheit.

Solche technischen Wunderwerke sind allerdings schon aus Kostengründen Einzelstücke. Die meisten der rund 200000 Modellflieger in Deutschland begnügen sich mit den zahllosen Bausätzen, die es im Handel gibt. Aber auch hier muss man sich intensiv mit der Technik und den Gesetzen der Aerodynamik beschäftigen. „Der Modellflug ist eines der anspruchsvollsten Hobbys. Voraussetzungen sind technisches Verständnis, ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit”, sagt Tom Wellhausen von der Pressestelle des Deutschen Modellflieger Verbandes. Dabei sind Modellflieger keineswegs verschrobene Freaks oder Einzelgänger: „ Viele haben über dieses Hobby ihren Beruf gefunden. Sie sind heute Luftfahrtingenieure oder Berufspiloten”, betont Wellhausen. Den Wünschen sind fast keine Grenzen gesetzt: Nahezu alles, was es in der wirklichen Luftfahrt gibt, ist auch für Modellflieger zu haben. Einziges Limit ist das Maximalgewicht von 25 Kilogramm. Für schwerere Modelle ist eine aufwändige und teure Einzelabnahme erforderlich.

Bei allen Flugmodellen sind eine leichte Konstruktion und gleichzeitig hohe Stabilität oberstes Gebot. Bei extremen Manövern im Kunstflug können auf das Flugzeug Kräfte wirken, die der 20fachen Erdbeschleunigung entsprechen. Auch dabei lautet die Faustregel, sich möglichst am Original zu orientieren. Für die meisten Modellmaschinen wird leichtes Holz oder faserverstärkter Kunststoff verwendet. Kurios: Der Einsatz solcher Kunststoffe für große Passagierflugzeuge wurde vor wenigen Jahren als technische Revolution gefeiert, dabei benutzen Modellflieger das Material seit Jahrzehnten. Metall sucht man im Modellbau allerdings vergebens, denn es lässt sich schlecht bearbeiten und ist zu schwer.

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Kleine Stellmotoren bewegen Ruder und Klappen des Flugmodells. Die wenige Zentimeter kleinen Winzlinge können wahre Kraftmeier sein: Bei großen und schnellen Modellen entsprechen die Kräfte durch den Luftwiderstand dem Stemmen eines 20 Kilogramm schweren Gewichts. Diese „Servos” betätigen auch die Mechanismen für Show-Effekte – wie den Abwurf von Zusatztanks oder den Absprung eines Fallschirmspringers. Jeder Stellmotor wird über einen eigenen Kanal der meist digitalen Fernsteuerung gelenkt.

Für den nötigen Vortrieb sorgen immer raffiniertere Verbrennungs- oder Elektromotoren. Die Verbrennungsmotoren sind wahre Wunderwerke der Feinmechanik. Die kleinen Zweitaktmotoren sind bei einem Gewicht von gerade 400 Gramm immerhin rund ein Kilowatt stark. Richtig auf Touren kommen sie bei rekordverdächtigen 30000 Umdrehungen pro Minute – ein Formel-1-Rennwagen bringt es gerade mal auf die Hälfte. Mechanisch anspruchsvoller und leiser sind die Viertaktmotoren. Für Perfektionisten mit großen Modellen gibt es Motoren mit acht Zylindern, die mit einem viertel Liter Hubraum um die zehn Kilowatt stark sind. Als letzter Schrei gelten Turbinentriebwerke. Sie kommen in hochwertigen Jet-Modellen oder Hubschraubern zum Einsatz und sind oft Eigenkonstruktionen von Enthusiasten. Ihre volle Schubleistung bringen sie bei 120000 Umdrehungen pro Minute – also bei zehnmal so viel Umdrehungen wie ihre großen Vorbilder. Erst seit einigen Jahren werden sie zu Preisen um die 3000 Euro angeboten und sind damit für viele Modellbauer erschwinglich.

Besonders umweltfreundlich und fast geräuschlos arbeiten Elektromotoren. Auch sie gibt es in allen Leistungsklassen, und dank starker Akkuzellen können Elektrosegler über eine Stunde lang fliegen.

Für welches Flugmodell man sich entscheidet, ist in erster Linie eine Gemütsfrage. Genießer bevorzugen das elegante Flugbild eines der bis zu sechs Meter großen Segelflugzeuge – die größte Herausforderung ist dabei die ständige Suche nach Aufwinden. Standard sind aber einmotorige Maschinen mit einer Spannweite von etwa zwei Metern. Für reichlich Action sorgen aerodynamisch perfekte Kunstflugmaschinen und bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnelle Speedflieger. Das Gegenstück zu den pfeilschnellen Kunstfliegern sind die filigranen Slow-Fly-Modelle. Sie bringen flugfertig kaum mehr als 200 Gramm auf die Waage und werden mit der Geschwindigkeit eines Papierflugzeugs in geschlossenen Hallen geflogen. Ihr Rumpf besteht meist aus leichten Holzrippen, die mit einer hauchdünnen Kunststofffolie bespannt sind. Angetrieben werden sie mit winzigen Elektromotoren, die ihren Strom aus besonders leichten Akkus beziehen. Die Königsklasse des Modellflugs aber sind die Hubschrauber (siehe Kasten unten). Minimale Bewegungsunruhen müssen bei ihnen sofort und sensibel ausgeglichen werden, sonst wird das teure Modell unkontrollierbar und stürzt ab.

Die Berufspiloten unter den Modellfliegern wissen, dass die Beherrschung eines schnellen Flugmodells anspruchsvoller ist als die Steuerung der großen Vorbilder. Ein Absturz tut dabei zwar nur dem Geldbeutel weh – das aber können bei hochwertigen Modellen schon mal 10000 Euro sein.

Sebastian Moser

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