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Die Erde als Zielscheibe

Allgemein

Die Erde als Zielscheibe
Jederzeit kann die nächste Weltraumbombe einschlagen. Hunderte von Kleinplaneten und Kometen kreuzen die Bahn unseres Planeten. Einige davon werden irgendewann auf Kollisionskurs geraten. Sie können die Erde verwüsten und den Fortbestand der Menschheit bedrohen.

Bomben aus dem All sorgten im jüngsten Doppelschlag aus Hollywood für klingelnde Kassen: Im vergangenen Mai erschütterte der Film „Deep Impact“ die Kinos. Er zeigt, wie ein Komet auf Kollisionskurs gerade noch mit Atombomben gesprengt wird, auch wenn ein zwei Kilometer großes Bruchstück ins Meer stürzt und eine verheerende Flutwelle auslöst, die die amerikanische Ostküste überschwemmt. Mit dem Leinwandspektakel „Armageddon“ folgte im Juli der nächste Streich. Hier mußte gleich ein Planetoid so groß wie Texas herhalten, um die Welt an den Rand des Untergangs zu bringen – natürlich eine völlig unrealistische Übertreibung.

Ein kosmischer Hammerschlag jedoch ist keine Fiktion. Vor 15 Millionen Jahren legte zum Beispiel ein Steinmeteorit eine blühende Landschaft auf der schwäbisch-fränkischen Alb zwischen Ulm und Nürnberg in Schutt und Asche. Noch heute gibt ein 24 Kilometer großer Krater davon Zeugnis: Unter dem Namen Nördlinger Ries ist er weltbekannt.

Was sich hier abspielte, ist nicht weniger dramatisch als die Science-fiction-Szenarios der beiden Katastrophenfilme: Plötzlich erstrahlt ein greller Feuerball am Himmel. Zu hören ist zunächst nichts, denn die Ursache der Leuchterscheinung jagt aus den Tiefen des Weltraums mit über 70000 Kilometern pro Stunde auf die Erde zu.

Mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit stürzt der ungefähr einen Kilometer große kosmische Eindringling innerhalb von Sekunden herab.

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Die Erdatmosphäre durchstößt er wie eine lohende Lanze. Durch den Luftwiderstand auf immer noch 40000 Kilometer pro Stunde abgebremst, bohrt sich die Weltraumbombe gleich darauf mit brachialer Gewalt ins Jura-Gebirge und schlägt einen riesigen Krater in die Landschaft. Nach nur 0,03 Sekunden kommt das inzwischen zu Gas zerstobene Geschoß mehr als einen Kilometer tief in der Erde zum Stillstand und explodiert. Eine Stoßwelle rast durch die Erdkruste und zertrümmert das Gestein bis in sechs Kilometer Tiefe. Einen Augenblick später bricht der Gesteinsdampf aus dem Zentrum des Kraters mit ungeheuerer Wucht aus. Der Lärm zerreißt jedes Trommelfell. Kurzfristig herrscht ein Druck von etwa zehn Millionen Bar und eine Hitze von 30000 Grad – das ist fünfmal so heiß wie auf der Sonnenoberfläche.

Dann wird das zerborstene, geschmolzene oder verdampfte Gestein aus der Erde herausgespien. Teile davon gelangen binnen einer Minute bis zu 30 Kilometer hoch in die von Donnergrollen zitternde Atmosphäre. Nach 20 Sekunden ist der Krater schon 15 Kilometer weit und 4,5 Kilometer tief. An seinem Rand türmen sich die Auswurfmassen mehrere hundert Meter hoch. Nun federt der Boden zurück und schnellt einige hundert Meter empor. Schon prasseln die in die Luft geschleuderten Trümmer auf die Erde zurück und bilden im Umkreis von 50 Kilometern eine geschlossene, 30 bis 40 Meter mächtige Decke. Die Glutwolke fällt in sich zusammen und steckt in Brand, was noch Feuer fangen kann. Gewaltige Gesteinsschollen rutschen vom Rand des Kraters nach innen und verbreitern ihn auf 20 bis 25 Kilometer. Zehn Minuten nach dem Einschlag kommt die dröhnende Erde zur Ruhe. 6500 Quadratkilometer Land sind verwüstet. Im Umkreis von 100 Kilometern gibt es kein Leben mehr.

Die Energie, die bei dieser Katastrophe entfesselt wurde, entspricht der Sprengkraft von rund einer Million Hiroshima-Atombomben. Im Vergleich zu den Einschlagsfolgen eines mindestens 10 Kilometer großen Meteoriten, der vor 65 Millionen Jahren die heutige Halbinsel Yucatán in Mexiko traf (bild der wissenschaft 6/1991, „Auf der Suche nach dem Killer-Krater“), erscheint die Ries-Katastrophe jedoch beinahe harmlos. Der Yucatán-Meteorit erzeugte einen Krater von rund 180 Kilometer Durchmesser, der inzwischen allerdings längst unter Geröll begraben liegt. Die Einschlagsenergie vom Fünf- bis Zehnmilliardenfachen der Hiroshima-Bombe löste durch aufgewirbelten Staub und drastische Veränderungen der Atmosphäre eine Klimakatastrophe aus, die zwei Drittel aller Lebewesen ins Verderben riß. Auch die Dinosaurier fielen diesem Massenaussterben zum Opfer (bild der wissenschaft 4/1998, „Die letzten Tage der Dinosaurier“). Durch Filme wie „Deep Impact“ oder „Armageddon“ wird der Weltuntergang zur Unterhaltung. Doch solche Bomben aus dem All können die Erde in Zukunft immer wieder treffen und verheeren.

Schon der Blick zum Mond lehrt, daß Meteoriteneinschläge keine einmaligen Ereignisse sind. Aus der Anzahl der Krater in den dunklen Tiefebenen läßt sich errechnen, wie hoch die Trefferquote ist. Übertragen auf die Erde waren es während der letzten 3,5 Milliarden Jahre über 400 Riesenmeteoriten, also etwa alle zehn Millionen Jahre einer. Diese Abschätzung stimmt gut mit der Anzahl und Altersverteilung der irdischen Krater sowie den Häufigkeiten erdnaher Planetoiden und Kometen überein. Krater mit einem Durchmesser vergleichbar dem Nördlinger Ries entstehen auf dem Festland alle zwei bis drei Millionen Jahre. Das jüngste Relikt dieser Art ist der Zhamanshin-Krater in Kasachstan (13,5 Kilometer Durchmesser). Er ist etwa eine Million Jahre alt.

„Die Erde steht in einer kosmischen Schießbude, und Katastrophen, die von Meteoriten ausgelöst wurden, sind über Jahrmilliarden hinweg Teil ihrer Naturgeschichte“, stellten David Morrison vom Ames-Forschungszentrum der NASA und Clark R. Chapman vom Institut für Planetenwissenschaften in Tucson, Arizona, fest.

Die menschliche Natur verhindert, daß wir Risiken mit verheerenden Folgen, aber geringen Wahrscheinlichkeiten ernst genug nehmen. Überall auf der Welt leben Menschen am Fuße von Vulkanen, auf geologischen Bruchzonen und in Erdbebengebieten, in Tornadozonen und in Regionen, die von Hurrikanen gefährdet sind. „Die Chance, durch einen Meteoriten ums Leben zu kommen, ist sehr viel größer als das Glück, in der Staatlichen Lotterie den Hauptpreis zu gewinnen“, warnt Chapman. „Trotzdem kaufen die Leute dauernd Lose.“

Der letzte Warnschuß fiel vor gar nicht langer Zeit. 1908 war ein 30 Meter großer Steinmeteorit in mehreren Kilometer Höhe über der sibirischen Taiga explodiert und hatte 2000 Quadratkilometer in der Nähe des Flusses Tunguska verwüstet. Auf einer Fläche von zehn Kilometer Durchmesser verbrannte der Wald, und im Umkreis von 30 Kilometern blieben nur kahle Baumstämme übrig, die wie Telegraphenmasten in den Himmel ragten. Trotzdem war das Ereignis seltsam irreal, da Menschen in diesem entlegenen Gebiet nicht zu Schaden kamen und die Vorgänge erst Jahre bis Jahrzehnte später untersucht wurden.

„Weil wir keine historische Erfahrung mit dem Einschlag eines Planetoiden haben, ist das beste, was wir tun können, eine solche Kollision im Computer zu simulieren“, erklärt Richard Binzel vom Massachusetts Institute of Technology. Das Ergebnis ist ein Horrorszenario: Ein 200 Meter großer Brocken, der mit 50 Kilometern pro Sekunde in einen fünf Kilometer tiefen Ozean stürzt, wird das Wasser binnen 40 Sekunden bis in 35 Kilometer Höhe schleudern, wie die russischen Wissenschaftler Vitaly Adushkin und Iwan Nemtschinow berechneten.

„Die von einem solchen Objekt ausgelöste Flutwelle wächst über 200 Meter hoch, wenn sie das Ufer erreicht“, erläutert Jack G. Hills vom Los Alamos National Laboratory seine Computersimulation. Gemeinsam mit Charles Mader simulierte er mit einem Großrechner auch den Einschlag eines fünf Kilometer großen Planetoiden im Atlantischen Ozean. Die Flutwelle würde weite Bereiche von Portugal und Frankreich unter sich begraben. In den USA würde sie 200 Kilometer landeinwärts vordringen und die gesamte Ostküste bis zu den Appalachen verwüsten, einschließlich der Städte Philadelphia, Washington und New York.

Am bedrohlichsten sind die Veränderungen der Erdatmosphäre beim Einsturz mehrerer Kilometer großer Weltraumbomben: Die Reibungshitze löst chemische Reaktionen in der Luft aus, die die Ozonschicht zerstören und Stickoxide und Schwefeldioxid bilden. Das wiederum führt zu extrem saurem Regen. Die aufgewirbelten Trümmermassen und die Rauchwolken der riesigen Feuersbrünste, die unseren Planeten überziehen, führen zu einem „kosmischen Winter“, wie die Experten sagen, der selbst den „nuklearen Winter“ nach einem Atomkrieg in den Schatten stellt. Monatelang herrscht Finsternis, und die Ökosysteme brechen zusammen.

Schon ein kleiner Meteorit kann wie eine Atombombe wirken, wenn er eines der rund 500 Kernkraftwerke weltweit beschädigt, so daß radioaktives Material austritt, das große Gebiete jahrtausendelang verseucht. Zwar ist ein direkter Treffer eines Kraftwerks sehr unwahrscheinlich, doch das Erdbeben, das durch einen Einschlag ausgelöst wird, kann die stärksten herkömmlichen Beben weit übertreffen. Die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen wären dann wirkungslos.

„Die hauptsächliche Todesursache besteht in den Hungersnöten, die der Klimawechsel auslösen wird“, sagt John S. Lewis von der University of Arizona. „Es gibt keinen Zufluchtsort für die Menschheit. Wenn man aus dem vorausberechneten Einschlagsgebiet fliehen könnte, würde man nur einen schnellen Tod gegen einen langsamen eintauschen. Die Zahl der Todesopfer würde sich durch Evakuierungen kaum ändern, da die lebenserhaltende Fähigkeit der Erde weltweit zerstört würde.“

Daß Kollisionen von Himmelskörpern real sind, ist uns spätestens in der Woche vom 16. bis zum 22. Juli 1994 deutlich vor Augen geführt worden. Damals richteten knapp zwei Dutzend Kometensplitter ein Feuerwerk auf Jupiter an. Durch das Schwerefeld des Riesenplaneten war der Mutterkörper der Fragmente bei seinem nahen Vorbeiflug im Juli 1992 zerrissen worden. Manche der höchstens ein paar hundert Meter großen Brocken setzten Energien von einem Vielfachen des gesamten irdischen Atomwaffenarsenals frei. Explodierende Feuerbälle, von der Einschlagsenergie zurückgeschleudert und dreimal so heiß wie die Sonnenoberfläche, stiegen 3000 Kilometer über die Jupiteratmosphäre empor. Im Verlauf weniger Stunden hatten sich aus den Kometentrümmern und chemischen Reaktionen in der Jupiteratmosphäre dunkle Flecken in der Lufthülle des Riesenplaneten gebildet, die zum Teil größer waren als der Durchmesser unserer Erde, viele Monate sichtbar blieben und sogar mit Amateurfernrohren beobachtet werden konnten.

Chapman und Morrison haben die Folgen und die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit einem Erdbahnkreuzer genauer untersucht. Ihre Ergebnisse sind alarmierend: Mit Ereignissen vergleichbar dem an der Tunguska muß alle paar hundert Jahre gerechnet werden. Besiedelte Gebiete dürften, statistisch betrachtet, alle 3000 Jahre getroffen werden, Städte einmal in 100000 Jahren. Dabei würden jeweils etwa 5000 Quadratkilometer verwüstet. Lokale Katastrophen sind für Planetoiden ab 250 Meter Durchmesser zu erwarten – ein Komet dieser Größe würde wohl noch zerbrechen. Die freigesetzte Energie entspräche ungefähr der Sprengkraft eines Zehntels des irdischen Atomwaffenarsenals. Derartige Einschläge erzeugen einen rund fünf Kilometer großen Krater. Insgesamt 10000 Quadratkilometer würden dabei verwüstet. Mit solchen Katastrophen muß statistisch gesehen alle 10000 Jahre gerechnet werden. Für den Zeitraum eines Menschenlebens beträgt die Wahrscheinlichkeit also knapp ein Prozent.

Obwohl je nach Einschlagsort viele tausend bis über eine Million Menschen durch einen Meteoritentreffer sterben würden – und sogar zehnmal mehr, wenn man die Überschwemmungen durch die Flutwellen bei einem Einschlag ins Meer mitberücksichtigt -, wäre doch der größte Teil unseres Planeten nicht unmittelbar betroffen.

Dies ändert sich bei 0,5 bis 5 Kilometer großen kosmischen Geschossen. Die Katastrophe hat dann globale Auswirkungen. Bei der gegenwärtigen Bevölkerungsdichte würde sie 1,5 Milliarden Menschen das Leben kosten. Ein solches Massensterben wäre in der gesamten Geschichte unserer Art ohne Beispiel. Schon der Meteoritentreffer selbst, so die Schätzungen, würde zu drei Millionen Toten führen. Durch den Einschlag würde ein verheerendes Erdbeben einen weiten Umkreis erschüttern und kaum ein Gebäude unversehrt lassen. Bei einem Einschlag im Meer wäre durch die riesigen Flutwellen mit rund 30 Millionen Toten zu rechnen. Der Aufprall könnte 0,1 Prozent der Erdoberfläche direkt verwüsten. Noch viel schlimmer wären die indirekten Folgen: Rund zehn Billiarden Tonnen Aerosole dürften in die Stratosphäre gelangen, hundertmal mehr als durch jeden Vulkanausbruch in den letzten paar hundert Jahren. Ein Temperatursturz durch die Verfinsterung des Himmels würde die Landwirtschaft mindestens ein Jahr lang lahmlegen. Das hätte eine furchtbare Hungersnot und später verheerende Seuchen zur Folge. Das Weltwirtschaftssystem würde zusammenbrechen. Doch viele Ökosysteme wären wohl robust genug, um die Katastrophe zu überstehen. Auch die Menschheit würde als Art wahrscheinlich überleben. Ein Inferno von der Größenordnung des Einschlags vor 65 Millionen Jahren allerdings würde die gesamte Biosphäre unseres Planeten umwälzen. Falls überhaupt Menschen übrig blieben, was ziemlich unwahrscheinlich ist, würden sie zahlenmäßig und kulturell wieder auf ein steinzeitliches Niveau zurückgeworfen.

„Statistisch gesehen ist die kosmische Bedrohung für jeden einzelnen Menschen größer als viele Gefahren, die wir sehr ernst nehmen – zum Beispiel, bei einem Terroristenanschlag auf ein Flugzeug ums Leben zu kommen“, sagt Chapman. „Noch entscheidender ist, daß die menschliche Zivilisation als Ganzes gefährdet wäre. Selbst Seuchen und Weltkriege treffen nie alle Länder, so daß Wiederaufbauhilfe von außen möglich ist. Aus einer globalen ökologischen Katastrophe wird dagegen kein Land unversehrt hervorgehen, selbst wenn die menschliche Art überlebt.“

Infos im Internet

Viele Links

//spaceguard.dlr.de/sgf/SGFhotlinks.html http://neo.planetary.org/Links/

Einschlagsfolgen

http://impact.arc.nasa.gov/index.html http://www.boulder.swri.edu/clark/hr.html

Eigene Berechnung von Einschlagsfolgen

http://janus.astro.umd.edu/astro/impact.html

Rüdiger Vaas

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