Das glaube ich nicht
Der Härtetest ist die „Vor-urknalltheorie”. Um die Fähigkeit des Textanalyse-Programms der Rheinbacher Firma Semiotis auf die Probe zu stellen, füttere ich es zunächst mit dem Beitrag „Vor dem Urknall Modell Avantgarde” aus dieser Ausgabe von bild der wissenschaft – ohne den Artikel zuvor selbst gelesen zu haben. Lob an den zuständigen Redakteur: Trotz des schwierigen Themas bescheinigt Capito dem Beitrag lediglich einen um 12 Prozent über der Norm liegenden Schwierigkeitsgrad. Die aufgelisteten Schlüsselbegriffe wie Branen, M-Theorie, Universen und Hintergrundstrahlung scheinen die wichtigsten Themen des Textes ganz gut zu treffen.
Nächster Test: Die Inhaltsangabe. Hierfür bietet das Programm zwei Varianten an, die sich darin unterscheiden, wie sehr sie bei der Beschreibung ins Detail gehen. Beide Zusammenfassungen bestehen aus einer Auswahl als inhaltlich besonders wichtig erkannter Originalsätze aus dem Text. Was mir Capito an Inhaltsangaben zu dem Vorurknall-Artikel liefert, hinterlässt vor allem Verwirrung: Die Zusammenstellung berücksichtigt noch nicht einmal ein Drittel des Beitrags. Seine wesentlichen Passagen werden von dem Programm schlichtweg ignoriert. Ein weiterer Check mit meinem eigenen Artikel „Wie lange noch, Mr. Moore?” aus bdw 11/2001 erbringt ein ähnliches Resultat: Zwar wird die erste Hälfte des Textes recht brauchbar zusammengefasst, der Rest jedoch fällt unter den Tisch. Die Hitliste der am häufigsten verwendeten Schlüsselwörter wird bei diesem Text dadurch verfälscht, dass Capito offenkundig Einzahl und Mehrzahl nicht unterscheiden kann – und zum Beispiel „Chip” und „Chips” separat auflistet.
Trotz dieser Mängel kann die Software ganz gute Hilfe leisten, wenn es darum geht, besonders umständlich formulierte und schwierig zu verstehende Passagen eines Textes aufzuspüren und zu entschärfen. So werden die fünf schwierigsten Sätze aus dem Dokument herausgefischt und präsentiert. Für jeden einzelnen Satz des analysierten Textes erfährt man von Capito anhand bestimmter Kennwerte dessen Schwierigkeitsgrad hinsichtlich Satzbau und benutztem Wortschatz. Lange Listen, die alle Wörter sortiert nach Wortgewicht, Wortlänge und Worthäufigkeit in alphabetischer Reihenfolge enthalten, scheinen vor allem für eine detaillierte Auswertung zum Beispiel von Gesetzestexten oder literarischen Werken geeignet zu sein.
Was es kann Das Programm soll alle, die selbst schreiben, dabei unterstützen, Texte möglichst verständlich und zielgruppengerecht zu verfassen. Außerdem hilft Capito fremde Texte zu verstehen und deren Inhalt zusammenzufassen. Dazu prüft die Software alle Wörter und Sätze des Textes in ihrem Zusammenhang, listet besonders komplizierte und schwer zu verstehende Sätze auf, sucht wichtige Schlüsselbegriffe heraus und erstellt automatisch eine Inhaltsangabe. Der Schwierigkeitsgrad eines Dokuments wird mit einem Normwert und mit den durchschnittlichen Werten für zahlreiche verschiedene Arten von Schriftstücken verglichen.
Voraussetzungen Capito läuft nur auf PC. MIndestvoraussetzungen: 120 MHz-Prozessor, 35 MB Speicher, MS Windows ab 95, Internet-Browser (Internet-Explorer und Netscape Communicator) zum Darstellen der Analysen sind auf der CD-ROM enthalten.
Besonderheiten Bislang kann Capito nur ASCII- Dokumente bearbeiten (Dateiendung .txt) – eine wenig benutzerfreundliche Eigenheit des Programms, da kaum jemand Texte in diesem Format speichert. Ändern wird sich das mit der Version 2.0 von Capito, die demnächst erhältlich sein soll und auch mit Word- und HTML-Texten umgehen kann.
Was es kostet Capito wird für Deutsch, Englisch oder beide Sprachen angeboten. Die einsprachige Variante kostet DM 349,–, die zweisprachige Version DM 499,–. Schullizenzen gibt es für DM 149,– bzw. DM 199,– Infos unter www.semiotis.de
Ralf Butscher
