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Bangalore statt Buxtehude

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Bangalore statt Buxtehude
Die weite Welt ruft. Leicht lässt sich ein Semester an einer ausländischen Universität organisieren. Und Geldquellen sind auch genug vorhanden.

Im Ausland studieren. Egal, ob in Barcelona, Boston oder Bangalore, ein Semester in der Fremde verspricht Abenteuer und eine Menge Spaß – und das endlich weit weg von zu Hause. Es bedeutet aber auch: Man muss Mut beweisen, sich durchbeißen, ohne Familie und Freunde – auch das weit weg von zu Hause.

So oder so: Ein Studium ist die beste Gelegenheit, den Absprung zu schaffen. Danach ist es meist zu spät: Dann sind Familie und Beruf dran. Und aus karrieretechnischen Gründen ist es sowieso gut, ein oder zwei Semester im Ausland zu verbringen. „ Wenn du im Ausland gewesen bist, kriegst du den besseren Job”, so hört man immer wieder. Aber ist es wirklich so einfach?

„Ja und nein”, sagt Dorothea Fitterling, Abteilungsleiterin beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Bonn. „Man muss zwischen der rein fachlichen Qualifikation und den so genannten weichen Kriterien unterscheiden.” Sie berichtet, dass viele Arbeitgeber eine gezielte Weiterqualifikation im Ausland leider nicht so honorieren, wie man es sich wünschen würde.

Ein Beispiel: Ein Physikstudent bemüht sich schon während seines Studiums um Kontakte in die japanische Elektronik-Industrie. Er hofft, dadurch für spätere Arbeitgeber noch interessanter zu werden – insbesondere für Firmen, die Geschäfte mit japanischen Unternehmen machen.

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Also wendet er sich an den DAAD. Dieser bezahlt und organisiert zunächst einen halbjährigen Sprachkurs in Kyoto. Daran schließt sich ein Semester Physik in Tokio an. Für das folgende Praxissemester hat sich unser Student selbst um eine Praktikumstelle gekümmert: Ein großer Elektronik-Konzern beschäftigt ihn in einem seiner Forschungslabore. Ein tolles Programm und eine aufregende Zeit. Er lernt Land und Leute kennen. Auch die Sprache wird mit der Zeit verständlich. Und selbst die Besonderheiten der japanischen Kultur und Geschäftswelt durchschaut er: „Wie weit muss ich mich verbeugen, wenn mein Chef mich lobt?” Nach den anderthalb Jahren fühlt er sich bestens vorbereitet für seinen Start ins Berufsleben.

Doch nach den Erfahrungen des DAAD wird dieser Einsatz von den künftigen Arbeitgebern selten belohnt. Viele Firmen haben Angst davor, dass auslandserfahrene Absolventen schon zu festgelegt und zu wenig „formbar” sind.

Das heißt nicht, dass Unternehmen einen Auslandsaufenthalt im Bewerbungsgespräch grundsätzlich negativ bewerten. Im Gegenteil, sie schätzen die Vorzüge der so genannten weichen Kriterien sehr. Hier können Bewerber echte Pluspunkte sammeln: Sie haben Flexibilität und Mobilität bewiesen. Sie haben eine Sprache erlernt und sich auf Neues und Unbekanntes eingelassen. Da ist es relativ egal, wo sie studiert und ob sie gezielt an ihrer Karriere gestrickt haben.

Das hat Konsequenzen: So gleichen die europäischen Unis die fachlichen Inhalte nicht mehr bis ins letzte Detail ab. Damit die Studienleistungen aber dennoch vergleichbar bleiben, gibt es seit 1997 das ECTS, das European Credit Transfer System. Pro Arbeitsleistung – Seminar, Praktikum oder Vorlesung – werden Punkte vergeben. Jeder Student kann so viele Punkte sammeln, wie er will – seine Heimatuni wird sie auf jeden Fall anerkennen. Das ECTS hat sich bewährt. Die Studenten können ihre Auslandssemester individuell planen, sind nicht auf durchorganisierte Austauschprogramme angewiesen. Sie können sich die Uni ihrer Wahl in einem Land ihrer Wahl aussuchen – ganz nach ihren persönlichen Vorlieben, und da zählt nicht nur das Fachliche. Genauso wichtig ist die Neigung zu Land und Leuten. Fitterling meint dazu: „Es gibt Menschen, die sind eher frankophil. Andere dagegen sind anglophil.” Jeder Student, der ein Auslandssemester plant, sollte auch dieses Kriterium in seine Entscheidung miteinbeziehen. Zweiter Ratschlag des DAAD: Die Studenten sollten ihre in der Schule erworbene sprachliche Kompetenz nutzen. Mit anderen Worten: Hat man in der Schule sowieso schon Spanisch gelernt, lohnt sich ein Aufenthalt in Madrid oder Buenos Aires auf jeden Fall.

Und wie steht es mit dem nötigen Kleingeld? Schließlich ist ein Auslandssemester teurer als ein Semester zu Hause. Ein Blick auf die vielfältigen Möglichkeiten zeigt: kein Problem!

Der DAAD hat im vergangenen Jahr 3000 Studenten mit einem Jahresstipendium gefördert – unabhängig von Gastland und Fach. Zusätzlich dazu gab es 12000 Spezial-Stipendien, beispielsweise für Praxissemester oder Studienabschlussbeihilfen. Das Erasmus-Programm der Europäischen Union, das die Hochschulbildung in Europa fördern und den Austausch von Studenten und Dozenten unterstützen soll, hat insgesamt 15000 Stipendien vergeben. Stiftungen wie die Robert Bosch Stiftung oder die Studienstiftung des Deutschen Volkes ergänzen die Liste der möglichen Stipendiengeber.

Und selbst die staatliche Unterstützung in Form von Bafög sollte man nicht außer Acht lassen. Zwar zahlt das Bafög-Amt Auslandszuschläge nur noch für ein Studium in Ländern außerhalb der EU. Aber Anträge auf Übernahme von Studiengebühren und Reisekosten können auch diejenigen stellen, die in Europa bleiben. Geldquellen gibt es also genug. Umso unverständlicher, warum – nach der neuesten Sozialerhebung des Studentenwerkes – nur 29 Prozent der Studenten im Hauptstudium bereits ein Semester oder ein Praktikum im Ausland absolviert haben. Und nur weitere 8 Prozent der Befragten mit diesem Gedanken spielen.

Auch wer Hemmungen hat, auf eigene Faust loszuziehen, muss nicht auf das Abenteuer Auslandssemester verzichten. Im Gegenteil: Der DAAD, private Stipendiengeber und jede Hochschule bieten spezielle Austauschprogramme an.

Viele Hochschulen werben inzwischen bei den Abiturienten mit ihren Auslandskontakten. Die Listen der bilateralen Verbindungen ins Ausland sind lang. Selbst die relativ kleine Bergakademie in Freiberg bringt es auf 26 Kooperationen. In der Hauptsache sind diese – wie bei den meisten ostdeutschen Unis – in Osteuropa angesiedelt. Die westdeutschen Hochschulen dagegen sind eher Richtung Westen orientiert: Nordamerika und Großbritannien führen hier die Listen an.

Diese Kontakte sind für die Studenten nur von Vorteil, so Fitterling. Denn aus den Uni-Partnerschaften ergeben sich gute Möglichkeiten, relativ einfach an einen Studienplatz im Ausland zu kommen. So wie in Bonn: Hier gibt es den so genannten Direktaustausch, der jährlich um die 60 Studenten an 55 Partneruniversitäten vermittelt. Im Gegenzug kommen ebenso viele ausländische Studierende nach Bonn. Und die Bonner Universität sorgt auch für den finanziellen Rahmen: mit Stipendien für Sprachkurse, Aufenthalt und Studiengebühren.

Neben den Hochschulen locken private Stiftungen mit – meist sehr speziellen – Angeboten, wie beispielsweise die Carl Duisberg Gesellschaft. Sie finanziert dreimonatige Studien- oder Praxisaufenthalte in den Ländern der „Dritten Welt”. Und sie fördert Praxissemester im Ausland speziell für Fachhochschüler.

Auch der DAAD wirbt mit kleinen, aber feinen Spezialitäten. „ Die Exoten liegen uns besonders am Herzen”, sagt Fitterling und meint beispielsweise die KOSEF-Kurzstipendien für natur- und ingenieurwissenschaftliche Fachrichtungen in Korea. Dieses Programm bietet einen Kurzaufenthalt an einer Uni, ergänzt durch Kontakte in die Industrie. Vorbereitet werden die Studenten durch einen Sprachkurs und landeskundlichen Unterricht.

Eines ist sicher: Geld und Möglichkeiten sind genug vorhanden. Bleibt noch zu klären, wann der beste Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt ist. Fitterling rät: „Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: direkt nach dem Vordiplom oder kurz vor Ende des Studiums.” Beides hat Vorteile. Nach Abschluss des Grundstudiums ist man in seinem Fach fit genug, um auch in der fremden Sprache weiter zu kommen. Außerdem sucht man sich nach dem Vordiplom sein Spezialgebiet. Und da kann der Wechsel an eine ausländische Uni ganz neue Ideen bringen.

Aber auch das Ende des Studiums ist ein guter Zeitpunkt. Dann schreibt man seine Diplomarbeit bei einem Professor an einer ausländischen Uni und knüpft gleichzeitig interessante persönliche Kontakte. Der DAAD unterstützt einen solchen Trip mit der so genannten Abschlussbeihilfe.

Eines aber gilt immer, egal, für welchen Zeitpunkt man sich entscheidet: Man muss rechtzeitig mit der Planung beginnen und mit einer langen Vorbereitungszeit rechnen. Fitterling spricht von anderthalb Jahren.

Um den Ausflug in die Fremde gut vorzubereiten, rät Fitterling, sich von Anfang an kompetente Unterstützung zu holen. Die gibt es an jeder Universität in den Akademischen Auslandsämtern. Sie führen durch den Dschungel der Fördermöglichkeiten. Sie wissen Bescheid über Fragen der Anerkennung von Studienleistungen, Bewerbungsfristen und helfen bei der praktischen Planung. Dabei ist vollkommen gleichgültig, ob man an einem Uni-Austauschprogramm teilnehmen möchte, ein DAAD-Programm sucht oder sich alles von Papa finanzieren lässt.

Wofür auch immer man sich entscheidet, eines ist klar: Ein Auslandsaufenthalt lohnt sich immer. Und sei es auch nur, um endlich nicht mehr jedes Wochenende zu Mama nach Buxtehude fahren zu müssen.

Swantje Middeldorff

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