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Wer kalt aufwächst, bleibt dumm

Erde|Umwelt

Wer kalt aufwächst, bleibt dumm
Nicht nur „fiebrige Stellen“ im Bienenstock lassen sich jetzt durch Hightech-Methoden erklären. Sie haben auch ans Licht gebracht, dass die Nektarsammler vieles völlig anders machen, als bislang vermutet.

Seit Generationen versuchen Imker durch geschicktes Züchten, ihren Bienen eine seltsame Marotte auszutreiben. Die Tiere nutzen ihren Bienenstock nicht effektiv aus. Immer wieder lassen sie Waben leer stehen und verwenden sie weder zur Aufzucht des Nachwuchses noch als Honiglager. Warum verhalten sich die Tiere so unökonomisch? In den letzten zwei Jahren fanden Würzburger Forscher mit Computerscannern und Thermokameras Stück für Stück die Antwort: Die „Löcher“ im Bau fördern die Intelligenz der fliegenden Nektarsammler.

Bis dahin war es ein weiter Weg: Im Volksmund gelten Bienen als Inbegriff des Fleißes und der Emsigkeit. Doch unter Biologen zerstörte schon vor über 30 Jahren Prof. Martin Lindauer von der Universität Würzburg dieses Bild. Der Altmeister der Bienenforschung hatte Arbeiterinnen mit bunten Farbpunkten markiert und gezählt, wie oft sie ausflogen. Seine Nachfolger an der Universität Würzburg haben seine Experimente vor kurzem mithilfe moderner Technik wiederholt. Die Biologen hefteten den Tieren computerlesbare Markierungen an und positionierten im Stock und an den Ausgängen Scanner wie bei Supermarktkassen, um jede Aktion der Tiere zu erfassen.

Die neuen Versuche bestätigten die alten Befunde: Die Sammlerinnen verbringen nur etwa 30 Prozent ihres Arbeitstags mit Nektarsuche. Die restliche Zeit sind sie im Bienenstock – wo einige anscheinend nichts zu tun haben. Die Tiere kriechen in die leeren Waben, die die Imker so ärgern, und liegen dort herum. Ruhen sie sich aus oder schlafen sie sogar?

Die Frage ließ sich lange Zeit nicht beantworten – bis die Arbeitsgruppe von Prof. Jürgen Tautz von der Universität Würzburg endlich fündig wurde. Tautz und sein Team betreiben Verhaltensforschung mit einem Faible für modernes Equipment. So verfolgten Marco Kleinhenz und Brigitte Bujok das Treiben im Bienenstock mit Thermokameras. Damit kann man Unterschiede in der Körpertemperatur einzelner Tiere erfassen. Schon seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Bienen Meister der Klimatisierung sind und ihr Heim auf durchschnittlich 35 Grad Celsius heizen. Aber was die Würzburger entdeckten, überraschte die Fachwelt: Im Stock gab es einen Flickenteppich aus verschiedenen Temperaturen. Am heißesten war es in den Waben, in denen die scheinbar schlafenden Bienen saßen. Die Tiere waren im Schnitt 41 Grad warm. Einzelne Arbeiterinnen brachten es sogar auf 43 Grad – für Menschen eine tödliche Körpertemperatur.

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Die Würzburger analysierten die Verteilung dieser „heißen Bienen“ im Bau und entdeckten, dass sie nicht zufällig irgendwo saßen. „Ihre Aufgabe ist es, die Larven und Puppen zu wärmen“, sagt Tautz, „und für diesen Zweck sind die Heiz-Waben so präzise im Stock verteilt, dass sie die Brut-Waben gleichmäßig wärmen können.“ Als Energiequelle nutzen die Arbeiterinnen ihre Flugmuskulatur. Sie koppeln die Flügel von den Muskeln ab und beginnen dann auf der Stelle zu „fliegen“. Das ist Schwerstarbeit. Nach spätestens 15 bis 20 Minuten müssen sie aufhören, und eine andere Biene übernimmt ihre Funktion.

Brigitte Bujok beobachtete, dass einige Heizerinnen ihren Brustkorb zusätzlich auf den Wachsdeckel der Larvenwaben drückten und die Brut so von oben wärmten. „Die Arbeiterinnen haben ,Temperatursensoren‘, die ihnen zeigen, wo sie heizen müssen. Wir vermuten, dass die Larven außerdem noch chemische Signale aussenden, wenn ihnen zu kalt wird“, sagt Tautz.

Der Aufwand, den die Bienen treiben, machte den Biologen stutzig. Zwar ist seit langem bekannt, dass die Stocktemperatur wichtig für die Maden und Puppen ist, denn bei niedrigen Graden entwickeln sie sich langsamer. Aber ansonsten schien Wärme keinen großen Einfluss auf die heranwachsenden Bienen zu haben.

In der Regel lebt eine weibliche Biene nach ihrem Schlüpfen im Sommer etwa vier bis sechs Wochen und durchläuft in dieser Zeit sämtliche Stationen der Bienen- arbeit:

• Sie beginnt in der Putzkolonne. Die junge Biene reinigt die Waben und entfernt Unrat aus dem Stock.

• Kinderbetreuung ist ihre nächste Aufgabe. Dazu gehören das Füttern der Larven mit Pollen und Nektar.

• Dann kommt der Einsatz im Wabenbau und im Wachdienst am Stockeingang.

• Die letzte Arbeit ist der Außendienst als Nektar- und Pollensammlerin.

Während eines Bienenlebens sind ganz unterschiedliche Gene aktiv, wie US-Forscher vor einigen Monaten herausgefunden haben. Die Bienen entwickeln sogar spezielle Organe für ihre verschiedenen Aufgaben. Ammenbienen, die sich um die Larven kümmern, haben Futtersaftdrüsen, die eine besonders nahrhafte Brutmilch erzeugen. Baubienen besitzen dagegen eine Wachsdrüse. Aber: Das System der Arbeitsteilung ist flexibel. Falls nötig – wenn zum Beispiel Waben von außen zerstört wurden –, kehren Sammlerinnen wieder zum Bautrupp zurück und entwickeln erneut eine Wachsdrüse.

Um herauszufinden, welche Funktion Wärme für die Bienenentwicklung genau hat, ließen die Würzburger Forscher Jungbienen bei verschiedenen Temperaturen aufwachsen. Jedes Tier bekam nach dem Schlüpfen einen Chip aufgeklebt. Mithilfe der Scanner im Bau und im Ausflugsloch verfolgten die Biologen Sebastian Streit und Fiola Bock, wo jede Biene arbeitete und wie erfolgreich sie war. Zusätzlich testeten sie die Leistungsfähigkeit der bei unterschiedlichen Temperaturen aufgewachsenen Arbeiterinnen. Ergebnis: Die kühl herangewachsenen Tiere waren weniger lernfähig als ihre bei 34 oder 36 Grad aufgewachsenen Artgenossen, und sie waren nicht für alle Aufgaben geeignet. Sie hatten vor allem Schwierigkeiten beim Lernen und beim Sammeln. Die 32-Grad-Bienen lernten im Experiment schlechter, einen bestimmten Duft mit einer Futterquelle zu verbinden. Obendrein verflogen sie sich erheblich häufiger. Viele fanden nicht zu ihrem Stock zurück und manche Bienen entdeckten die Forscher sogar in falschen Bauten. Selbst wenn die „dummen“ Sammlerinnen gute und reichhaltige Blütenvorkommen entdeckt hatten, brachten sie es selten fertig, ihre Artgenossinen von der Qualität ihrer Nektarquelle zu überzeugen.

Bienen übermitteln einander die Art ihres Fundes sowie Richtung und Entfernung durch den so genannten Schwänzeltanz. Er findet auf einem speziellen „Tanzboden“ in der Nähe des Stock-Eingangs statt. Die Tanzbiene hängt sich an die Waben, die die Bienen immer genau senkrecht zum Erdboden bauen. Aus der Position der Tänzerin können andere Sammlerinnen erkennen, in welchem Winkel zur Sonnenrichtung sich die Futterquelle befindet. Zeigt der Kopf genau nach oben, liegt sie exakt in Sonnenrichtung. Zeigt der Kopf waagerecht nach rechts, liegt sie 90 Grad rechts von der Sonne. Selbst wenn eine Sammlerin länger im Dunkel des Stocks tanzt, macht sie keinen Fehler, denn sie hat eine innere Uhr, mit der sie permanent den Sonnenwinkel bei ihrem Tanz korrigiert.

Während des Tanzes schwenkt die Biene ihren Körper kräftig – sie schwänzelt –, dann läuft sie einmal kurz im Kreis. Die Dauer des Schwänzelns verrät den Mitbienen die Entfernung zum Futter. Allerdings geben Bienen keine absoluten Strecken an, sondern summieren markante Wegpunkte auf, wie Tautz‘ Team herausfand. 400 Meter über stark strukturiertes Gelände ergeben einen längeren Tanz als 400 Meter über eine Sandfläche. Durch die Geschwindigkeit des Laufs um die eigene Achse verraten die Sammlerinnen, wie attraktiv die Quelle ist: Je schneller sie laufen, umso ergiebiger ist diese.

Normalerweise lockt ein Schwänzeltanz Publikum an. Doch was die kühl aufgewachsenen Tiere im Stock zu berichten versuchten, interessierte keinen. Tautz: „Anscheinend beherrschen diese Bienen die arttypische Kommunikation nicht richtig. Wir vermuten, dass es bei der Entwicklung der Tiere eine kritische Phase gibt, in der sich das Nervensystem nur bei der richtigen Temperatur optimal ausbildet.“ Die Würzburger fanden sogar Anzeichen, dass die Bienen die Wärme gezielt einsetzen, um je nach Bedarf „ schlichte“ Arbeiterinnen für den Innendienst oder „pfiffige“ für den Außendienst heranzuziehen. „Das hatte sich vorher noch niemand auf diese Weise angeschaut“, kommentierte die Bienenexpertin Gloria DeGrandi-Hoffman vom Carl Hayden Bee Research Center in Tucson im Fachblatt New Scientist die Wärmeexperimente. „Bisher war man immer von genetischen Ursachen für unterschiedliche Begabungen ausgegangen.“

Wärme spielt im Stock in vielerlei Hinsicht eine große Rolle: Philip T. Starks, jetzt an der University of California in Berkeley, berichtete 2000, dass der Bienenstock regelrecht Fieber bekommen kann, verursacht durch den Pilz Ascosphaera apis, der ein gefährlicher Bienenkiller ist. Er befällt die Larven, dringt in die Tiere ein und überwuchert sie völlig, bis am Ende nur noch eine kalkartige Mumie übrig bleibt. Die Imker nennen diese Infektion darum Kalkbrut. In kühlen Bauten hat es der Pilz leichter. Starks entdeckte, dass bei infizierten Völkern die Durchschnittstemperatur im Bau um ein halbes Grad steigt.

Das Würzburger Team fand heraus, dass Wärme auch die Erklärung für eine erstaunliche Präzisionsleistung ist: Die Bienenwabe ist eine sechswandige Röhre mit stabilen, dicken Stegen an Kopf- und Fußende und hauchdünnen Wänden. Kein Ingenieur konnte sich erklären, wie diese unglaubliche Genauigkeit möglich ist. Die Lösung fanden die Forscher nun in den Eigenschaften des Wachses. Die Bienen bauen zunächst nur eine recht grobe Wabe mit runden Kanten. Dann krabbelt eine Heizerbiene in die Wabe und erwärmt das Wachs, bis es schmilzt. Beim Erkalten bildet sich ohne weiteres Zutun die endgültige kantige Struktur.

Die Waben mit ihren dicken Stegen sind nicht nur stabile Kinderstuben und Vorratslager. Sie dienen auch der Kommunikation. Denn der berühmte Schwänzeltanz läuft anders ab, als die Biologen noch bis vor kurzem dachten. Tautz: „Dieser Kommunikationstanz ist schon vor Jahrzehnten von Martin Lindauer gefilmt worden. Tausende von Lehrern, Schülern und Forschern haben ihn gesehen und ihn für eine Art tänzerischen Lauf gehalten.“

Dabei übersahen sie etwas Wichtiges: Obwohl der Tanz sehr eindrucksvoll wirkt, hat ihn im Bienenstock noch nie eine Biene anschauen können. „Da drinnen ist es zappenduster. Die Tiere können also gar nicht durch Zusehen lernen“, sagt Tautz. Mit Hochgeschwindigkeitskameras entdeckten die Würzburger, dass die Bienen während der Schwänzelphase kaum laufen, sondern sich fast die ganze Zeit an der Wabe festhalten und nur ihren Körper hin und her bewegen. Das Biologenteam stellte eine Hypothese auf: Die heftigen Bewegungen der Tiere erzeugen Vibrationen, um auf diese Weise Aufmerksamkeit für die Neuigkeiten im gesamten Stock zu wecken. Im französischen Tours fanden die Forscher Kooperationspartner, die die passenden Geräte hatten, um ihre Idee zu überprüfen. Mit den Laser-Doppler-Vibrometern der Franzosen lassen sich Schwingungen registrieren, ohne die vibrierenden Flächen zu berühren und dadurch zu stören.

Die Wissenschaftler maßen die Frequenzen des Bienentanzes und beobachteten, was im hinteren Teil des Stocks passiert, wenn man im vorderen Teil Schwingungen erzeugt. Sie fanden heraus, dass die Bienen mit ihrer Flugmuskulatur eine Frequenz von 270 Schwingungen pro Minute erzeugen. Das ist ein tiefes Brummen, etwa wie das Fluggeräusch der Sammlerinnen. Diese Schwingungen pflanzen sich über die dicken Stege der Waben fort. „Comb Wide Web“ hat Tautz dieses Kommunikationssystem getauft – nach dem englischen Ausdruck „honeycomb“ für Honigwabe. Sammlerinnen, die sich für neue Futterquellen interessieren, werden durch die Vibrationen angelockt. Neugierig betasten sie die Tänzerin. Mit ihren Fühlern schmecken sie, welche Art von Nektar sich in den Haaren der Sammlerin festgesetzt hat und fühlen im direkten Kontakt die Angaben über Entfernung und Richtung der Futterquelle.

„Die Imker stören diese Kommunikation, ohne dass sie es wollen“ , meint Tautz, „wenn sie die Waben mit einem Holzrahmen umgeben, denn der unterbindet die Schwingungen.“ Doch die Bienen wissen sich zu helfen. Sie zernagen die Holzkonstruktion an mehreren Stellen, bis das stockeigene Informationssystem wieder funktioniert.

Mit den neuen Ergebnissen sind noch längst nicht alle Fragen zu den Bienen beantwortet. Vor allem für Mediziner und Ingenieure hat „Apis mellifera“, die Honigbiene, noch einiges zu bieten. Zwei Beispiele aus der Alternsforschung:

• Sommerbienen werden maximal sechs Wochen alt, Winterbienen dagegen bis zu zehn Monate. Wie machen sie das?

• Bei Bienen nimmt die Lernfähigkeit mit dem Alter zu, im Gegensatz zum Menschen. Auch hier ist bislang unklar, woran das liegt.

Oder das Beispiel Intelligenz: Trotz ihrer erstaunlichen Lernfähigkeit ist eine einzelne Biene im Vergleich zu einem Säugetier oder Vogel recht dumm. Das ganze Volk agiert dagegen intelligent und äußerst flexibel. Computerfachleute interessieren sich daher sehr für diese „emergente“ Intelligenz. Ihnen schweben kleine und preiswerte Roboter vor, die als Gruppe intelligent agieren können, zum Beispiel für Weltraumeinsätze. Vielleicht sind es eines fernen Tages keine menschenähnlichen Androiden, sondern Trupps von bienenähnlichen „Apisoiden“, die draußen im All fremden Lebensformen einen ersten Eindruck vom Leben auf der Erde vermitteln. ■

Thomas Willke

COMMUNITY INTERNET

Homepage der Würzburger Bienenforscher:

zoo2.biozentrum.uni-wuerzburg.de/tautz

Homepage der Ulmer Insektenflugforscher:

stammhirn.biologie.uni-ulm.de/w4fly/

Homepage der Berliner Bienengehirnforscher:

www.neurobiologie.fu-berlin.de/

Hohenheimer Bienenkunde-Institut mit Hintergrundinformationen und vielen Links, auch zum Thema Imkerei:

www.uni-hohenheim.de/bienenkunde

Ohne Titel

Nur 1 Chromosomen-Satz – und zwar einen ihrer Mut- ter – besitzen die Drohnen, da ihre Eier nicht mit Sperma befruchtet wurden. Das Geschlecht der Bienen wird nicht wie bei Menschen mit Geschlechts-Chromosomen festgelegt, sondern über die Zahl der Chromosomen.

2 Chromosomensätze – wie Menschen auch – tragen die Arbeiterinnen und Königinnen in sich. Ihre Eier wurden befruchtet und besitzen die Erbinformation ihrer Königin und die einer Drohne.

Nach 3 Tagen Bebrütung schlüpft die Larve aus dem Ei.

Mindestens 4 bis 7 Kilometer vom Stock entfernt ist der Drohnensammelplatz, wo sich Drohnen und Jungköniginnen zur Paarung treffen. Durch die große Entfernung wird erreicht, dass sich Geschlechtspartner verschiedener Völker treffen können und es keine Inzucht gibt.

9 Staaten bildende Honigbienenarten gibt es auf der Welt – in Europa nur eine: Apis mellifera, die Honigbiene.

Mit bis zu 20 Drohnen paart sich eine Bienenkönigin und sammelt dabei einen Spermavorrat für ihr ganzes Leben und für mehrere Hunderttausend weibliche Nachkommen.

Nur etwa 30 Prozent ihrer Zeit verbringt eine Sammlerin mit der Nektarsuche. Das entspricht etwa vier Ausflügen pro Tag. Den größten Teil des Tages sind die Tiere im Stock.

Ungefähr 50 Milligramm Nektar bringt eine Sammlerin pro Flug in den Stock zurück. Das entspricht einer enormen Tragfähigkeit, denn das Tier wiegt selbst nur etwa 80 Milligramm.

1500 Eier pro Tag legt eine Bienenkönigin, die „Weisel“.

40 000 bis 60000 Bienen leben während des Sommers in einem mittelgroßen Bienenstock. Im Herbst und Winter sinkt die Bewohnerzahl auf 4000 bis 15 000.

300 000 Flugkilometer müssen die Sammlerinnen für ein Kilogramm Honig fliegen.

100 Millionen Nervenzellen hat eine Biene in ihrem Nervenzentrum, ein Mensch besitzt etwa 100 Milliarden in seinem Gehirn. Damit ist das Verhältnis von Gehirngröße zu Körpermasse bei beiden Lebewesen etwa gleich groß, und in einem sehr großen Bienenstock kooperieren fast so viele

Nervenzellen wie in einem menschlichen Gehirn. Da sich die Tiere oft wie Zellen in einem Organismus verhalten und sich bei Bedarf sogar opfern, betrachten viele Forscher Bienenvölker auch als „Superorganismen“.

300 Millionen Basenpaare hat das Genom der Biene. Es wurde erst 2004 vollständig entschlüsselt. Zum Vergleich: Ein menschliches Genom hat etwa 3 Milliarden Basenpaare.

Ohne Titel

Dieser Handel nutzt allen Beteiligten:

· Den Pflanzen – sie „bezahlen“ die Biene mit zuckerhaltigem Nektar für Sex-Dienste, denn die Biene nimmt beim Besuch der Blüte nicht nur Nahrung, sondern auch Pollen mit, das pflanzliche Sperma. Mit ihm befruchtet sie auf ihrer weiteren Futtersuche weibliche Blüten.

· Den Bienen – sie erhalten Nahrung und Vorräte für den Winter.

· Den Imkern – sie bekommen wertvollen Honig und entschädigen die Bienen mit billiger Zuckerlösung.

· Den Landwirten – die Pflanzenzucht und vor allem der Obstanbau wären ohne das Zusammenspiel von Bienen und Blüten unmöglich, denn ohne Befruchtung gibt es keine Früchte. Knapp 85 Prozent der Obsternte hängen von der Bienenbestäubung ab, bei Gemüse oder beim Raps sind es bis zu 70 Prozent. In Deutschland hilft ein Heer von Hobby- Imkern den Bauern. Wie groß ihr wirtschaftlicher Nutzen ist, lässt sich schwer berechnen. Nach Schätzungen sind es allein für die US-Landwirtschaft zwischen 6 und 14 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Die Herstellung des Honigs ist für menschliche Begriffe recht unappetitlich. Die Sammlerbiene frisst den Nektar und sammelt ihn in ihrem Magen. Zurück im Bienenstock würgt sie den Nahrungsbrei – der auch Pollen enthalten kann – wieder hervor und übergibt ihn an Arbeiterinnen. Sie versetzen in ihrem Magen – der Honigblase – den Nektarbrei mit Enzymen, die ihn in leicht verdauliche Zucker wie Glukose und Fructose zerlegen. Zusätzlich bekommt der Rohhonig ein Antibiotikum als Konservierungsmittel sowie Spuren von Vitaminen und Aromastoffe zugefügt.

Dann übernehmen andere Arbeiterinnen den Zuckersaft. Sie lassen ihn über ihren Rüssel austreten und saugen ihn wieder auf. Dabei verdunstet Wasser. Wenn der Rohhonig auf 50 bis 60 Prozent Trockenmasse eingedickt ist, wird er in Waben abgefüllt. Auf ihnen arbeiten Bienen, die durch Flügelschlagen noch mehr Wasser verdunsten lassen. Erst wenn der Wassergehalt auf etwa 20 Prozent gesunken ist, ist der Honig fertig gereift und wird mit einem Wachsdeckel verschlossen. Hier ruht er, bis ihn die Winterbienen als Vorrat brauchen – oder der Imker kommt.

Ohne Titel

„Physikalisch gesehen können Bienen überhaupt nicht fliegen – nur gut, dass die Tiere es nicht wissen.“ Mit diesem alten Biologenwitz ist es vorbei, denn Forscher haben mit Hightech-Methoden viele Rätsel des Insektenflugs gelöst. Der Neurobiologe Dr. Fritz-Olaf Lehmann von der Universität Ulm berichtet: „Früher hatte man Insektenflügel wie Flugzeugtragflächen in Windkanäle gepackt und Strömungen sowie Auftriebskräfte untersucht. Aber damit fand man lediglich heraus, wie der Insektenflug nicht funktioniert.“ Die im Windkanal gemessenen Kräfte reichen nicht aus, um die Biene in der Luft zu halten oder sie voran zu treiben. „Sie liefern zum Teil nur 10 bis 20 Prozent der benötigten Auftriebskräfte“, sagt Lehmann.

Bei den Windkanal-Experimenten hatten die Forscher eine wichtige Tatsache nicht beachtet: Insekten bewegen ihre Flügel sehr schnell und erzeugen so ganz andere Luftströmungen, als sie im Windkanal auftreten. Und sie sind sehr klein – so klein, dass die Kräfte, die die Moleküle der Luft zusammenhalten, für die Tiere sehr groß sind. Für Bienen und andere Insekten ist Luft viel „zäher“ als für eine Schwalbe oder gar einen Adler. Kleine Insekten schwimmen eher in der Luft als dass sie fliegen. Dieser physikalische Umstand zwingt sie zu einer anderen Flugtechnik, als sie Vögel nutzen – und gibt ihnen Möglichkeiten, von denen Flugzeugbauer nur träumen können. In ihrer über 300 Millionen Jahre währenden Evolution haben die Kerbtiere ihre Flugtechnik zur Perfektion gebracht.

Um zu verstehen, wie der Insektenflug funktioniert, hier eine kurze Anleitung: Neigen Sie Ihren Oberkörper nach vorne und strecken Sie ihre Arme zur Seite, die Handflächen nach unten. Jetzt schlagen Sie mit Ihren „Flügeln“ nach unten, aber nicht gerade, sondern in einer S-Kurve. Kurz bevor Sie den Endpunkt Ihres Schlags erreicht haben, drehen Sie Arm und Hand, sodass die Handinnenflächen kurz nach vorne und dann nach oben zeigen. Jetzt schlagen Sie eine S-Kurve nach oben und drehen oben wieder Hand und Arm. Beim Auf- und Niederschlagen halten Sie Ihre Handflächen in Flugrichtung etwa 45 Grad nach oben geneigt. Mit Ihrem Schlag haben Sie eine 8 beschrieben.

Um herausfinden, was bei diesen Bewegungen passiert, baute Fritz-Olaf Lehmann Ende der neunziger Jahre mit Kollegen an der University of California in Berkeley einen Flugroboter nach dem Vorbild der Fruchtfliege Drosophila: RoboFly. Mit ihm und seinen Nachfolgern untersucht Lehmann noch heute in Ulm, wie sich Kräfte aus Strömungen entwickeln. Damit das Verhältnis von Flügelgröße und Zähigkeit des Flugmediums stimmen, „fliegt“ RoboFly nicht in Luft, sondern in Öl. Das hat außerdem den Vorteil, dass sich durch fein verteilte Luftblasen Wirbel und Strömungen gut erkennen lassen.

Eines der wichtigsten Ergebnisse: Insekten können stabile Wirbelblasen aus Luft erzeugen und dadurch extreme Anstellwinkel ihrer Flügel nutzen. „Auch bei Flugzeugen kann man mit einem Flügelanstellwinkel von mehr als 15 Grad ein Wirbelsystem erzeugen, das die Flugkräfte enorm erhöht“, sagt Lehmann. „Aber es gibt ein großes Problem: Solche Wirbelsysteme sind bei konventionellen Flugzeugen meist nicht stabil. Treten sie auf, können sie die Maschine zum Absturz bringen.“

Bei RoboFly entwickelt sich an der Kante der Vorderflügel dagegen eine stabile Wirbelblase. Die Fruchtfliege bekommt durch dieses Phänomen 50 Prozent ihrer insgesamt benötigten Kraft zum Fliegen. Weitere 35 Prozent gewinnt sie, wie andere kleine Insekten auch, bei der Drehung der Flügel an den Wendepunkten. An dieser Stelle schlägt sie beim Drehen der Flügel kurz gegen ihre Flugrichtung. Dabei entsteht ein Drall durch unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten an der oberen und unteren Flügelseite. Er ähnelt dem Effekt, mit dem ein Fußballer einem Ball mit dem richtigen Kick nicht nur Kraft zum Vorwärtsfliegen überträgt, sondern auch einen Drall, mit dem der Ball um die Ecke fliegen kann.

Beim Schwebflug, wenn sie die Flügel nicht auf- und niederschlagen, sondern vorwärts und rückwärts, betreiben Insekten eine Art Energie-Recycling, das so genannte Wake Capture. Vögel nutzen einen ähnlichen Effekt, brauchen dazu aber die Hilfe ihrer Artgenossen: Sie können energiesparend fliegen, wenn sie im richtigen Winkel und Abstand einem anderen Vogel folgen. Sie fliegen quasi in dessen Kielwasser. Insekten können ihr eigenes Kielwasser – auf Englisch: wake – erzeugen, indem sie ihre Wirbelblasen an den Flügelvorderkanten geschickt ausnutzen.

„Unsere Ergebnisse haben wir zwar an einem Fliegenmodell gewonnen, aber die Prinzipien sollten im Wesentlichen auch für Bienen gelten“, meint Lehmann. Die neuen Erkenntnisse locken auch Hubschrauber-Entwickler in sein Labor. Strömungstechnisch ähneln sich Vogel- und Flugzeug-Flug auf der einen Seite sowie Insekten- und Helikopter-Flug auf der anderen. Bei den relativ starren Vogelflügeln sind die Geschwindigkeiten überall fast gleich. Nicht so bei den rotierenden Flügeln von Bienen und Hubschraubern: Die Rotormitte beziehungsweise das Flügelgelenk drehen sich recht langsam, die Flügelspitzen dagegen sehr schnell. Das hilft vielen Insekten, ihre Wirbelblasen stabil zu halten. Jetzt wollen die Ingenieure von Fliege, Biene und Co lernen, wie man Strömungen an Flügeln effektiver ausnutzen kann.

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· Wärme ist entscheidend für die Entwicklung der Bienen, für ihre Intelligenz und für ihre Navigationsfähigkeiten.

· Bienen nutzen für ihren Flug physikalische Tricks, von denen Flugzeugkonstrukteure nur träumen können.

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