Ein wahrer Marathon der Himmelsforschung: Über 14 000 sonnenähnliche Sterne hat ein internationales Astronomenteam im Verlauf von 15 Jahren ins Visier genommen, um die Dynamik unserer galaktischen Umgebung auszukundschaften. Ergebnis: Die Geschichte der Milchstraße verlief viel chaotischer als bislang gedacht.
Mehr als 1000 Nächte lang haben Astronomen aus Dänemark, der Schweiz und Schweden damit verbracht, Entfernung, Alter, chemische Zusammensetzung und Bewegung aller Sterne vom Spektraltyp F und G in der Nachbarschaft der Sonne zu bestimmen. Jeder wurde im Durchschnitt viermal beobachtet – insgesamt 63 000 einzelne Spektren haben die Astronomen gewonnen. Zum Einsatz kamen dabei hauptsächlich das dänische 1,5-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte auf La Silla in Chile und das Schweizer 1-Meter-Teleskop des Observatoire de Haute-Provence in Frankreich. Ein Drittel der Sterne erwies sich als Doppel- oder Mehrfachsystem.
„Erstmals haben wir eine wirklich repräsentative Stichprobe der Galaktischen Scheibe“, freut sich Teamleiterin Birgitta Nordström vom Niels-Bohr-Institut für Astronomie, Physik und Geophysik in Kopenhagen und dem schwedischen Lund-Observatorium. Angestrebt wurde dieses Ziel bereits in den fünfziger Jahren von dem dänischen Astronomen Bengt Strömgren (1908 bis 1987), einem Pionier der Erforschung der Milchstraße durch systematische stellare Analysen.
Bahnbrechend waren auch die Messungen des Hipparcos-Satelliten (bild der wissenschaft 1/1999, „Der Sternvermesser“). Doch erst die Langzeitstudie konnte die so genannten Radialgeschwindigkeiten der Sterne ermitteln, also die Bewegung auf uns zu oder von uns fort (im Gegensatz zu der entlang des Himmels).
Die Datenauswertung steht erst am Anfang. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Dynamik der Galaktischen Scheibe viel turbulenter ist, als die gängigen Modelle es erwarten ließen. Die meisten Sterne kreisen nicht einfach nur ungestört um das Galaktische Zentrum. Das bedeutet, dass die Sterne immer wieder gravitativ beeinflusst worden sind – etwa durch Gaswolken, Schwarze Löcher, Effekte der Spiralarme oder sogar eines zentralen „Balkens“ (Sternansammlung) in der Milchstraße. Auch die Vereinnahmung von Zwerggalaxien mischte die Sternbewegungen auf (bild der wissenschaft 5/2001, „Unsere kannibalische Milchstraße“).