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Kunstgenuß mit Röntgenblick

Allgemein

Kunstgenuß mit Röntgenblick
Wissenschaft mal ganz anders: Im Deutschen Museum Bonn zeigten Experten, wie sie durch Röntgen, Infrarotbestrahlen und andere ausgeklügelte Verfahren Gemälde vor dem Verfall retten – und Fälschern auf die Schliche kommen.

Anfangs hatte ich Probleme, genug Schüler zu überzeugen, mit hierher zu kommen“, gesteht Studiendirektor Dieter Stauder, kurz bevor die Veranstaltung beginnt. Sein Physik-Leistungskurs vom Nicolaus-Cusanus-Gymnasium war zwar begeistert, doch die Kunstschüler blieben skeptisch. Kunst und Physik, geht das zusammen? „Wissenschaft live – Den Bildern auf den Grund gehen“ demonstrierte es eindrucksvoll: Kunsthistoriker und Naturwissenschaftler arbeiten Hand in Hand, um wertvolle Gemälde zu restaurieren und zu erhalten. Daß es bei der Suche nach Fälschungen spannend wie bei Sherlock Holmes zugeht, überzeugte schließlich auch den letzten Schüler.

Die besten Bilder-Detektive Deutschlands sitzen im Doerner-Institut an der Bayrischen Staatsgemäldesammlung in München. Von dort kam auch Bruno Heimberg, Direktor des Instituts, ins Deutsche Museum Bonn, um den Schülern und Moderator Ranga Yogeshwar Rede und Antwort zu stehen. Er berichtete, wie sich die Restauratoren bemühen, die rund 33000 Objekte der Sammlung zu erhalten: „Das ist nicht immer einfach“, gab er zu. „Bei moderner Kunst ist der Verfall manchmal Teil des Werks. Dann verbietet sich natürlich eine Konservierung.“ Die Fettinstallationen von Joseph Beuys zum Beispiel müssen „Kunstwerke mit Verfallsdatum“ bleiben.

Doch den meisten Exponaten der Sammlung können die Experten mit ihren Methoden unter die Haut gehen. Dabei konservieren sie die Gemälde nicht nur, sondern finden oft auch heraus, wie diese entstanden sind. Die Naturwissenschaftler am Doerner-Institut haben quasi den Röntgenblick. Für Wissenschaft live erklärten sie den Zuschauern per Videodatenleitung aus dem Institut, wie sie die Bilder durchleuchten.

Eine Möglichkeit ist die sogenannte Infrarot-Reflektographie: Das sehr langwellige Licht wird von jeder Farbschicht eines Gemäldes auf typische Weise reflektiert. Die Zusammensetzung des reflektierten Lichts verrät deshalb viel über den Aufbau des Kunstwerks.

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Bruno Heimberg zeigte das an einer Reflektographie von Dürers Gemälde „Apostel“. Die Zuschauer konnten die klaren Linien sehen, mit denen der Meister die Szene auf der Leinwand vorgezeichnet hatte, ehe er ans Malen ging.

Das zweite naturwissenschaftliche Verfahren durften die Schüler vom Nicolaus- Cusanus-Gymnasium selbst demonstrieren. Dazu hatten sie einen Röntgenapparat aus der Schule mitgebracht, mit dem sie allerdings kein Gemälde, sondern eine mitgebrachte Fern-bedienung durchleuchteten. Die 18jährige Nadja Orth erklärte dabei knapp und präzise, was in der Röntgenröhre passiert.

Dann war der Experte gefragt: „Ist es denn mit dem ganzen Wissen über die Untersuchungsmethoden nicht möglich, ein Bild perfekt zu fälschen, so daß es niemand herausbekommt?“

Bruno Heimberg erklärte: „Fälschen ist viel schwerer, als man annimmt.² Um ein altes Gemälde gut zu fälschen, braucht der Betrüger nämlich eine alte Leinwand, sonst fliegt er sofort auf. Deshalb überpinseln die Fälscher einfach ein altes Bild eines unbekannten Malers. Das kommt allerdings bei der Röntgenuntersuchung heraus: Je dicker die Farbe ist und je schwerer ihre Bestandteile sind, desto stärker wird das Röntgenlicht absorbiert. Auf dem Röntgenfilm erscheinen dann beide Motive übereinander. Zusätzlich können die Wissenschaftler die Pigmente der Farben analysieren.

Beim Stichwort „Pigmente“ leuchteten Heimbergs Augen auf. Denn der Keller seines Instituts birgt eine kleine Schatzkammer, in der weit über 1000 Pigmente und Bindemittel aus fast allen Zeiten lagern. Für Wissenschaft live hielt Institutsmitarbeiter Dr. Christoph Krekel einige dieser Kostbarkeiten in die Kamera: Dürers berühmtes Blau hatte er ebenso parat wie das Schwarz, das aus Asche hergestellt wird. Ein Vergleich dieser Pigmente mit den Pigmenten eines verdächtigen Bildes räumt schnell jeden Zweifel aus – oder bestätigt ihn.

Das tägliche Brot der Experten des Doerner-Instituts ist allerdings die Restaurierung. In filigraner Kleinarbeit müssen Gemälde erneuert werden. Meistens hat nur der Zahn der Zeit an ihnen genagt – doch als vor zehn Jahren ein Säureanschlag auf ein Dürer-Bild die Kunstwelt schockierte, waren die Experten ebenfalls gefragt. Das Ölbild war so stark beschädigt, daß die Restauratoren noch heute an der Ausbesserung arbeiten.

Die Physik bringt es an den Tag: Auch große Künstler haben um die endgültige Fassung ihrer Bilder gerungen.

Obwohl Veronika Poll-Frommel das Bild vor dem Attentat nicht mochte, ist es ihr jetzt ans Herz gewachsen. Sie hat mittlerweile viel länger an dem Bild gearbeitet als Dürer selbst. Für das Meisterwerk wird sogar eine Ausnahme gemacht: Restauriert wird mit den seltenen und teuren Originalfarben. Die moderne Chemie bekommt es einfach nicht hin, das Dürer-Blau.

Daniel Münter

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