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Titelthema – Die 7 Macken des Wetterberichts: Der Wetterbericht verkommt zur Show

Allgemein

Titelthema – Die 7 Macken des Wetterberichts: Der Wetterbericht verkommt zur Show

Wie gut, daß es das Wetter gibt, werden sich die Programmplaner in den Rundfunk- und Fernsehanstalten sagen. Mit der quotenträchtigen Wetterkarte lassen sich wertvolle Werbeplätze ideal garnieren. Weil sich Petrus das Wetter aber nicht vorschreiben läßt, wollen sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Medien wenigstens bei der Präsentation Akzente setzen. Die Devise lautet: Unterhaltung pur. Mit Hilfe von aufwendigen Computerprogrammen soll Pep in die ehemals trockene Vorhersage gebracht werden. Malte vor 30 Jahren Dr. Karla Wege noch Kreidewolken und Regenstriche auf eine Tafel, gehört seit 1995 der virtuelle Wetterflug über Deutschland zum Standard in den ARD-Tagesthemen.

Der Kölner Privatsender RTL hat dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. Im virtuellen Studio balanciert Moderator Christian Häckl schon mal auf einem schmalen Holzbalken im Hochwasser oder läßt virtuellen Schnee fallen – alles in einer schnellen Folge von Bildern und Animationen. Auf die Frage, wie das bei den älteren Zuschauern ankommt, lautet der Kommentar von RTL: „Wir haben keinen älteren Zuschauer.“

Insgesamt 2,7 Millionen Mark haben die Kölner für Hard- und Software der täglichen Zwei-Minuten-Show hingeblättert. Ob der Zuschauer von diesen Spielereien profitiert, bezweifeln Meteorologen der alten Schule. „Zu plakativ“, wettert Michael Kerschgens vom Institut für Meteorologie in Köln. „Das hat mit wissenschaftlicher Meteorologie nichts zu tun.“ Ein Urteil, dem sich Ulrich Cubasch vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg anschließt. Er findet auch den Informationsgehalt der Wetterflüge in der ARD zweifelhaft. Der subjektiven Deutung durch den Zuschauer seien Tür und Tor geöffnet.

Auch die Moderatoren selbst versuchen, sich durch eigenen Stil von der Konkurrenz abzuheben. Vorreiter war Jörg Kachelmann („der feuchte Rotz prallt gegen die Alpen“). Der Schweizer präsentiert selbst das schlechteste Wetter mit zappeligem Humor, wobei die eigentliche Vorhersage vom Redeschwall oft erdrückt wird. Kollege Uwe Wesp vom Deutschen Wetterdienst versucht im ZDF mit trockenem Wortwitz („das Thermometer fällt auf zwölf Grad“) dagegenzuhalten. Richtungsweisend ist auch hier wieder der Kölner Privatsender: „Wie war das Wetter auf RTL?“ „Es hatte einen roten Minirock an“ ist bei (männlichen) Meteorologen inzwischen ein Running Gag.

Trotz aller Unterschiede: Die der Wetterkarte zugrundeliegenden Daten sind auf fast allen Sendern dieselben, nur die Aufbereitung unterscheidet sich. Die meisten beziehen ihre Informationen vom Deutschen Wetterdienst. Um sich den Wünschen des Marktes anzupassen, liefert die vor fünf Jahren teilprivatisierte Behörde sendefertige Clips und 3D-Animationen, die die Sender in ihre Präsentation einbauen. „Ein himmlisches Programm, das Leser bindet, Hörer fesselt und Zuschauer nicht zappen läßt“, verspricht die „Petrus Connection“ (Originalton DWD) in einem Kundenprospekt.

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Wetterrekorde…

-37,8°C betrug die niedrigste Temperatur in Deutschland, gemessen am 12. Februar 1929 in Wolnzach, Niederbayern

-89,2°C betrug die niedrigste Temperatur weltweit, gemessen am 21. Juli 1983 in Wostok, Antarktis Nicht alle Wetterdienstler sind glücklich mit dieser Entwicklung, auch wenn sie es nicht offen zugeben. „Da die Gesamtlänge der Wetternachrichten nicht zunimmt, gehen die unterhaltsamen Gimmicks zu Lasten der Information“, schimpft ein Mitarbeiter des Geschäftsfeldes Medien.

Mit Neid schauen die deutschen Wetterfrösche ins Ausland, wo der Wettervorhersage ein größerer Platz eingeräumt wird. Dr. Dieter Walch, Moderator beim ZDF und Chef von Meteo-Consult, plädiert für einen eigenen Wetterkanal nach amerikanischem Vorbild – schränkt aber im selben Atemzug ein: „Wie viele Zuschauer würden einen Wetterkanal einschalten und finanzieren?“

Die Wettermacher müssen sich also weiterhin in dem schwierigen Spagat zwischen Unterhaltung und Information üben. Kommentar des Meteorologen vom Wetterdienst: „Das ist die Quadratur des Kreises.“

Fazit: Das Wichtigste an der Wettervorhersage ist und bleibt das Wetter. Show-Elemente haben ihre Berechtigung, wenn sie dem Verständnis dienen. Wünschenswert wäre mehr Sendezeit, um Details erklären zu können.

Ralf Butscher / Bernd Müller / Daniel Münter / Raymund Windolf

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