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Genies, Tütensuppe und Innovation

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Genies, Tütensuppe und Innovation

Bundespräsident Roman Herzog hat den Beweis geliefert: In Deutschland gibt es so viele kreative Köpfe wie sonstwo in der Welt, so viele Technik-Genies und mindestens so mutige Jungunternehmer. Dennoch tun wir uns bei Innovationen schwer – und dabei gerät jetzt mehr und mehr ausgerechnet die ins Visier, die am lautesten über den Standort Deutschland klagt: die deutsche Industrie.

Der Bundespräsident hat im Dezember dem Physiker Prof. Peter Grünberg den Deutschen Zukunftspreis überreicht, den höchstdotierten deutschen Innovationspreis (siehe S. 6). Grünberg eröffnete durch Entdeckung und Nutzung des Magnet-Widerstand-Effekts ein vielversprechendes Technikfeld: die Magneto-Elektronik. Doch Produkte, die sich erfolgreich am Markt durchgesetzt haben, schufen andere daraus.

Zehn Millionen Mark kassierte in den letzten Jahren das Forschungszentrum Jülich, wo Peter Grünberg arbeitet, an Lizenzgebühren für die Patente des neuen Zukunftspreisträgers. Doch keine Mark davon kam von deutschen Unternehmen. Firmen anderswo in der Welt haben schneller erkannt, welche Chancen in der Magneto-Elektronik stecken. „Dabei haben wir deutschen Unternehmen diese Technik lange wie sauer Bier angeboten“, erinnert sich der Chef des Forschungszentrums, Prof. Joachim Treusch. Niemand wollte zugreifen, hatte die Phantasie, was in der Erfindung Grünbergs steckt, keiner war mutig genug, die Innovation im Markt durchzusetzen. Jetzt macht IBM damit Geschäfte.

Szenenwechsel. Ein anderes Feld, ganz andere Voraussetzungen und Probleme, und dennoch wirken auch hier deutsche Unternehmer und Manager als Innovations-bremsen. Es geht um den Einsatz von Gentechnik bei Nahrungsmitteln. Dabei ist längst tägliche Realität: Rund 70 Prozent unserer industriell verarbeiteten Nahrungsmittel, so wurde auf einem Forum der Firma Novartis in Dresden bekannt, enthalten gentechnisch produzierte Substanzen. Vergessen wir besser das Wort „naturrein“ – selbst manche Biokost ist angereichert mit Enzymen aus der Genküche. Soweit die Fakten. Dennoch verweigern – mit einer Ausnahme – die Sprecher der Nahrungsmittelindustrie eine offene Kennzeichnung der Genprodukte. Sie fürchten den Boykott der Verbraucher. Doch warum soll nicht transparent werden, daß wir längst mit Genprodukten leben?

Statt dessen tobt ein erbitterter Kampf zwischen Nahrungsmittel- und Agrarindustrie. Die einen wagen es nicht einmal, die Reaktion der Verbraucher auf offene Information zu testen. Aber die gentechnisch erzeugten Grundstoffe verwenden sie doch. Die anderen verkaufen den Bauern gentechnisch verändertes Saatgut, fürchten aber, daß die ihre Ernte nicht an die Industrie loswerden.

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Was zeigen die beiden Beispiele? Wenn zukunftsträchtige Resultate der Forschung nicht in die Praxis umgesetzt werden, sind nicht immer die Forscher schuld. Wenn die Wirtschaft über Innovationshindernisse in Deutschland klagt, muß man fragen, ob die Industrie selbst Mut und Phantasie entwickelt, um ihre Chancen wahrzunehmen. Wer sich, statt offene Information zu geben, lieber in Ränkespiele verstrickt, der darf sich nicht über die fehlende Bereitschaft in Deutschland beschweren, Neues als Chance zu begreifen.

Mut und Phantasie sind gefragt, auch von denen, die in globalen Konzernen ihre deutschen Umsatzzahlen rechtfertigen müssen. Denn die Alternative zum Neuen wäre, daß sich bei uns nichts mehr verändert – und wir in Deutschland eines Tages nicht einmal mehr das Geld verdienen, um uns innovative Produkte aus dem Ausland kaufen zu können.

Reiner Korbmann

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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My|e|lin|schei|de  〈f. 19; Anat.〉 Markscheide markhaltiger Nervenfasern [zu grch. myelos … mehr

Co|ri|um  〈n.; –s; unz.; Anat.〉 Lederhaut [lat.]

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