Es mag manchen sicher trösten zu erfahren, daß zu anderen Zeiten Dicksein dem Schönheitsideal entsprach. Doch der Titel des Buches führt ein wenig in die Irre:Es erzählt nur nebenbei davon, daß im antiken Rom Magerkeit verdächtig war, im gotischen Mittelalter die Frau zierlich, in Renaissance und Barock dagegen üppig zu sein hatte.
Den Autoren geht es vor allem darum, eine Geschichte des Körperbewußtseins, des Körperkults zu umreißen. Sie berichten darüber, wie sich im Abendland eine umfassende Vorstellung davon entwickelte, was dem Körper zuträglich ist und was nicht. Zeiten, in denen der Körper eher mit Geringschätzung betrachtet wurde, wechselten sich stets ab mit Epochen, in denen der Körperpflege erhebliche Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Das Buch handelt von Eßgewohnheiten – wenn auch nur der der Oberschichten -, von Heilmitteln, von Körperphilosophie und Medizin, aber auch vom in Antike und Mittelalter häufig besprochenen Zusammenhang von Schönheit, Gesundheit und Sexualität. So waren schon die berühmte Ärztin Trotula aus Salerno und Hildegard von Bingen davon überzeugt, daß Frauen, die ihre Lust auf Sex nicht ausleben, krank werden.
Die in solchen Fällen empfohlenen Arzneien, über die wir glauben lächeln zu können, zeugen allerdings von weitreichenden Kenntnissen, die über rein psychosomatische Zusammenhänge hinausgehen. Schaut man auf frühere Zeiten, so scheint der Gesundheitswahn unserer Zeit vor allem Ausdruck einer tiefen Entfremdung vom Körper zu sein.
Michèle Didou-Manent, Tran Ky, Hervè Robert DICK ODER DÜNN? Körperkult im Wandel der Zeit Knesebeck München 1988 235 S., DM 39,80
Michael Dallapiazza / Michèle Didou-Manent / Tran Ky / Hervè Robert