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Übles Duo

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Übles Duo
Zwei Viren bedrohen erneut die Getreidepflanzen auf deutschen Äckern. Forscher fahnden nach schützenden Resistenzen.

Wenn Dr. Winfried Huth seine Streifzüge durch Getreidefelder macht, hat er mehr im Sinn als die Freude an prallen Ähren: Mit geübtem Blick registriert der Fachmann vom Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und biologische Sicherheit – ein Teil der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig – die diesjährigen Auswirkungen der Mosaikviren-Krankheit. Bereits im Frühjahr, beim noch grünen Getreide, sind die Anzeichen unübersehbar: kleine, schwächliche Pflanzen mit hellen Streifen an den Blättern, ferner ein lückiger Bewuchs – Signale für die Verseuchung mit Bymo- und Furo- Viren. So heißen die beiden meist gemeinsam auftretenden Subtypen der – im Fachjargon – „bodenbürtigen Gelbmosaikviren des Weizens und Roggens“. Nach alarmierenden Meldungen in den vergangenen Jahren fürchten Forscher und Landwirte, die Roggenernte könne im Sommer 2001 erneut einen Einbruch erleiden – in manchen Regionen, etwa im östlichen Niedersachsen, waren Verluste von 50 Prozent nicht ungewöhnlich. Herkömmliche Pflanzenschutzmittel können den winzigen Schädlingen nichts anhaben. Denn die entern ihre pflanzlichen Wirte gleichsam im Bauch von Trojanischen Pferden – in den schützenden Zellhüllen des Bodenpilzes Polymyxa graminis.

Ende der achtziger Jahre hatte Winfried Huth die Schädlinge erstmals auf einzelnen Äckern entdeckt. In knapp zehn Jahren machte sich das Viren-Duo auf Deutschlands Feldern breit und bedroht jetzt gleichermaßen die Ernte von Brot- und Futtergetreide. Denn nur wenig besser als um Roggen ist es um Triticale bestellt, eine Kreuzung aus Roggen und Weizen, die ans Vieh verfüttert wird. Den Experten graut es bei der Vorstellung, daß die Plage auf den ertragreichen Winterweizen übergreifen könnte – erste virusinfizierte Pflanzen hat Huth vor kurzem ausfindig gemacht. Das befallene Getreide ist besonders empfindlich gegen Kälte. So drohen in Deutschland besonders dort drastische Ernteeinbußen, wo der insgesamt milde letzte Winter sich lokal von der frostigen Seite zeigte. Um bis zu 70 Prozent könnten die Viren hier die Erträge beim Weizen dezimiert haben, schätzt Dr. Chris-Carolin Schön, Leiterin der Landessaatzuchtanstalt in Stuttgart. Verseuchte Erntemaschinen, infektiöses Saatgut und Winderosion tragen die Viren auch auf weit entfernte Felder. Hat sich der Überträgerpilz – und in seinem Gepäck das Viren-Duo – erst einmal großflächig im Boden festgesetzt, hilft auch das Brachlegen der Äcker oder ein Wechsel der Anbaufrucht nicht: In den Sporen von Polymyxa graminis nisten noch nach Jahren infektiöse Erreger.

Nur neu gezüchtete, widerstandsfähige Getreidesorten, die sich ohne Ertragsverluste auf verseuchtem Ackerland anbauen ließen, würden den hartnäckigen Schädlingen Einhalt gebieten. Seit drei Jahren sucht der Virologe Huth unter verschiedenen Roggensorten nach Pflanzen, die die gefährlichen Erreger durch Besonderheiten ihres Erbguts in Schach halten – bisher ohne Erfolg. Fände er welche, könnte man deren genetisch verankerte Resistenzen in ertragreiche, aber virusanfällige Roggen- und Weizensorten einkreuzen. Roggensprößlinge, die gegenüber beiden Virentypen unempfindlich sind, müßten gleich zweierlei Resistenzen tragen. Eine solche „Doppelresistenz“ in einer einzigen Pflanze vereint zu finden, hält Dr. Eva Bauer von der Arbeitsgemeinschaft Biotechnologie der Stuttgarter Landessaatzuchtanstalt für ähnlich wahrscheinlich wie einen Sechser im Lotto. Die Biologin bevorzugt daher einen anderen Weg.

Gemeinsam mit Kollegen der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in Aschersleben will sie Getreideschößlinge im Gewächshaus getrennt mit beiden Virenarten infizieren. Dabei hofft Eva Bauer, mindestens zwei unterschiedliche Resistenzgene zu finden. Gelänge dies, könnten die beiden genetischen Merkmale in einer einzigen Pflanze kombiniert werden. Doch die Zeit drängt: Bis ein neu gezüchtetes Getreide das erste Mal im Freiland angebaut werden kann, vergehen fünf bis zehn Jahre.

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Carola Pfeifer

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