Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Das schärfste Profil

Allgemein

Das schärfste Profil
Eine Präzisionskarte zeigt die Höhen und Tiefen des Roten Planeten.

Ironie der Forschung: Obwohl nicht einmal 30 Prozent aller Missionen zum Mars erfolgreich waren, kennen wir das Höhenprofil des Roten Planeten inzwischen besser als das mancher Kontinente auf unserer Erde. Diese Präzisionsvermessung ist dem Mars Orbiter Laser Altimeter (MOLA) an Bord des Mars Global Surveyor zu verdanken. Die Raumsonde umkreist unsere Nachbarwelt seit September 1997 und hat inzwischen über 400 Millionen Einzelhöhenmessungen mit Hilfe von Laserstrahlen gemacht. MOLA kann noch Höhenunterschiede von weniger als einem Meter registrieren. Mit enormem Rechenaufwand haben Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology und ihr Team aus den Daten inzwischen ein globales Mars-höhenprofil erstellt, das eine horizontale Auflösung von ein bis zwei Kilometern besitzt. Die Karte hat das Verständnis der Marstopographie bereits stark erweitert und korrigiert.

Beispielsweise zeigte sich, daß die auf der Karte links abgebildete, über vier Milliarden Jahre alte Tharsis-Vulkanregion aus zwei Teilen besteht: dem massiven Schildvulkan Alba Patera im Norden und einer größeren, komplexen Gegend im Süden mit den drei Vulkanen Ascraeus Mons, Pavonis Mons und Arsia Mons. Olympus Mons, der höchste Berg im Sonnensystem, wurde früher ebenfalls zur Tharsis-Region gerechnet, liegt aber den neuen Messungen zufolge außerhalb davon.

Tharsis ist eine schwere Last für die Marsoberfläche. Die Lavamassen – ungefähr 300 Millionen Kubikkilometer – deformieren die Marsoberfläche so sehr, da sie ein wenig aussieht wie ein eingedrückter Schaumstoff-Beachball. Dies erklärt eine ringförmige Deformation von Mars‘ Gravitationsfeld, die die Raumsonde über Tharsis und auf der gegenüberliegenden Planetenseite bei Arabia Terra gemessen hat. Vor über vier Milliarden Jahren haben die Tharsis-Vulkanausbrüche wohl große Mengen an Kohlendioxid und Wasser freigesetzt. Das verursachte einen Treibhauseffekt, der Temperaturen über dem Gefrierpunkt ermöglichte. Damals bedeckten Seen und vermutlich sogar ein Ozean den Roten Planeten (bild der wissenschaft 2/2001, „Mars-Gestade“ und 8/2000, „Der vermessene Mars“). Mit Hilfe von MOLA läßt sich die Fließrichtung der Wassermassen rekonstruieren: Ein wichtiger Abfluß führte vom Argyre-Basin – einem riesigen Einschlagskrater südöstlich von Tharsis – zu den nördlichen Tiefebenen. Der östliche Teil von Valles Marineris

– einer riesigen Schlucht, der gegenüber der irdische Grand Canyon eine mickrige Scharte ist – könnte einen kilometertiefen See beherbergt haben. Ob das Wasser inzwischen größtenteils ins All entwichen ist oder noch in signifikanten Mengen als Eis im Marsboden ruht, ist eine Frage, über die sich die Planetenkundler schon seit Jahrzehnten den Kopf zerbrechen. Die Antwort könnten sie in einigen Monaten bekommen. Denn am 7. April hat eine Delta 2-Rakete die Raumsonde 2001 Mars Odyssey ins All geschossen. Am 24. Oktober wird sie den Roten Planeten erreichen und soll ihn dann die nächsten Jahre in 400 Kilometer Höhe umkreisen.

Anzeige

Hauptziel der 300 Millionen Dollar teuren Mission ist die chemische und mineralogische Charakterisierung der Marsoberfläche mit Hilfe eines Gammastrahlen-Spektrometers, zweier Neutronen-Detektoren und des Thermal Emission Imaging Systems, das Infrarotspektren aufzeichnen wird. Aus den Daten lassen sich die chemischen Elemente im Marsboden ermitteln. Und 15000 Fotos im sichtbaren Licht sollen aufgenommen werden. Die Daten sind auch nötig, um den Zielort künftiger Landemissionen zu planen, für die die Sonde als Relais-Funkstation vorgesehen ist. Außerdem wird sie die solare und kosmische Strahlung in der Marsumgebung messen – eine Voraussetzung, um das Risiko für bemannte Marsflüge besser abzuschätzen.

Definitive Höhenschwankungen Nicht 26 oder 27 Kilometer, wie oft zu lesen, sondern „nur“ gut 21 oder knapp 23 Kilometer ragt der erloschene Vulkan Olympus Mons auf dem Mars empor. Auch so ist er der höchste Berg im Sonnensystem. Die neuen Werte deuten nicht auf eine Absenkung des riesigen Schildvulkans hin, sondern die amerikanische Raumsonde Mars Global Surveyor (MGS) hat endlich eine präzise Vermessung geliefert. In den siebziger Jahren war die Referenz-Oberfläche des Mars – die Entsprechung des irdischen „Normalnull“, definiert durch den Meeresspiegel – mit dem Atmosphärendruck von 6,1 Millibar gleichgesetzt worden. Bei diesem Druck kann Wasser zugleich fest, flüssig und gasförmig vorkommen. Der Normalnull-Mars ist zwei Kilometer kleiner als der wahre „Meeresspiegel“-Körper des Roten Planeten, wie ihn David E. Smith und sein Team vom Goddard Spaceflight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, aus den MGS-Daten errechnet haben. Dieses „ Areoid“ ist dadurch definiert, daß die Gravitation überall dieselbe Stärke hat. In diesem Maßsystem ist Olympus Mons 21,287 Kilometer hoch. Dabei sind lokale Gravitationsanomalien berücksichtigt, wie sie durch die Masse von Olympus Mons entstehen. Wenn man diese Anomalien herausmittelt und ein neues Referenz-Ellipsoid für die Marsgestalt definiert, ist der Vulkanberg 22,663 Kilometer hoch.

Welches der beiden Maßsysteme sich am besten eignet, ist umstritten. Das Areoid würde den Fluß des Wassers genauer darstellen und wird deshalb von den MGS-Wissenschaftlern bevorzugt, während auf der Erde viele Geodäten ein gemitteltes irdisches Referenz-Ellipsoid verwenden. Für beide Systeme gilt jedenfalls, daß die meisten Marsstrukturen nun zwei bis drei Kilometer tiefer liegen als im alten Normalnull-System. So hat im Areoid-System Ascraeus Mons nun eine Höhe von 18,219 Kilometern, Elysium Mons 14,127 und Alba Patera 6,770, während der Hooke-Krater 5,241 Kilometer unter dem hypothetischen Meeresspiegel liegt und das Hellas-Basin sogar 8,180.

Rüdiger Vaas

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Rey|on  auch:  Re|yon  〈[rj] m. 6 od. n. 15; unz.〉 glänzende Chemiefaser aus regenerierter Zellulose od. Zelluloseester; … mehr

Wasch|bär  〈m. 16; Zool.〉 amerikanischer Kleinbär mit langem, buschigem Schwanz, der Nahrungsbrocken vor dem Fressen in Wasser taucht: Procyon lotor

Land|krab|be  〈f. 19; Zool.〉 Angehörige einer Familie der Krabben, die nur zur Fortpflanzung das Meer aufsucht: Gecarcinidae

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige