„Die ganze Geschichte des Universums” hat Martin Bojowald sein erstes Buch im Untertitel genannt. Denn der junge Physiker und Kosmologe von der Pennsylvania State University hat gute Argumente dafür, dass der Urknall nicht der Anfang von allem war und dass die Geschichtsbücher der Natur früher ansetzen müssen. Wenn der Urknall ein Übergang war, könnte es zuvor ein waberndes Quantenvakuum gegeben haben – oder ein anderes Universum, das in sich zusammenstürzte und sich dabei umstülpte wie ein Handschuh.
Das sind keineswegs kühne Behauptungen, sondern Resultate einer Theorie, die Einsteins Vermächtnis einlösen soll: die Verknüpfung von Relativitätstheorie und Quantenphysik. Diese Theorie der Schleifenquantengravitation, von Abhay Asthekar und anderen entwickelt, hat Bojowald erstmals auf kosmologische Fragen angewendet. Dabei entdeckte er, dass die Annahme einer „ getakteten”, das heißt schrittweise und nicht kontinuierlich verlaufenden Zeit die ominöse Urknall-Singularität vermeiden beziehungsweise überwinden hilft.
Auch das zentrale Geheimnis der Schwarzen Löcher lässt sich so lösen. Das war ein großer Durchbruch, den bdw-Leser von Anfang an mitverfolgen konnten – nachzulesen in den Heften 12/2003, 4/2004 und 6/2005. Nun schildert Martin Bojowald das alles ausführlich und gut verständlich, einschließlich der persönlichen Hintergründe. Sein großartiges Buch zieht auch viele Verbindungen zur Literatur und zur bildenden Kunst. Und: Passend zum jeweiligen Thema rankt sich eine pfiffige Science-Fiction-Kurzgeschichte durch die Kapitel.
Rüdiger Vaas
Martin Bojowald ZURÜCK VOR DEN URKNALL S. Fischer, Frankfurt/M. 2009 343 S., € 19,95 ISBN 3–10–003910–6