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Technik|Digitales

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Seit mehreren Jahren testet Google autonome Fahrzeuge auf normalen Stadt- und Landstraßen. Das amerikanische Internet-Unternehmen will künftig auch in der Automobiltechnik die Nase vorn haben.

Google – Damit verbindet man Online-Recherche, Straßenansichten aus der Vogelperspektive und schlaue Telefone. Und nun soll die Assoziation „Automobil” hinzukommen: Erst vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass das US-amerikanische Unternehmen bereits seit 2008 in Kalifornien an selbstfahrenden Fahrzeugen forscht. „Das hat nichts mit Geheimniskrämerei zu tun” , sagt Sebastian Thrun, Projektleiter für das „Google- Auto”. „ Bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen wollten, musste erst ein bestimmter Punkt im Fortgang des Projekts erreicht werden.”

Das war der Fall, als die Testflotte aus sieben Toyota Prius 300 000 Kilometer fahrerlos und unfallfrei auf öffentlichen Straßen hinter sich gebracht hatte – bei Regen und Nebel, Tag und Nacht, stockendem Stadtverkehr und auf anspruchsvollen Fahrstrecken wie dem kurvigen amerikanischen Highway 1. Die „ Geisterautos” bremsten für gedankenversunkene Fußgänger genauso wie für Rehe, die bei Dunkelheit über die Straße sprangen.

Kameras und Radaraugen

Dass das so gut funktionierte, lag am Know-how von Thruns 50-köpfigem Ingenieurteam sowie einer relativ unspektakulären technischen Ausstattung. Am wichtigsten waren die optischen Hilfsmittel. Denn Autofahrer fällen ihre Entscheidungen im Straßenverkehr zu 80 Prozent auf der Basis von visuellen Eindrücken – und das ist beim Google-Auto nicht anders: Eine handelsübliche Kamera, die auf dem Rückspiegel montiert ist, meldet Position und Anzeige von Verkehrsampeln. Derweil messen vier Radarsensoren – drei vorne am Fahrzeug und einer hinten auf Höhe des Nummernschildes – den Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern und Verkehrshindernissen. „Radarsensoren können Distanzen deutlich genauer und zuverlässiger ermitteln als ein Mensch”, sagt Sebastian Thrun, „vor allem bei feuchter Witterung, wenn das menschliche Auge aufgrund der Lichtbrechung an Regen- oder Nebeltropfen Schwierigkeiten hat.”

Doch das allein reicht nicht aus, um einen umfassenden Eindruck von der Umgebung und Verkehrslage zu erhalten. Bäume am Straßenrand, einmündenden Seitenstraßen oder einen auf die Fahrbahn kullernden Fußball erkennt ein auf dem Dach montiertes, schnell rotierendes sogenanntes Lidar – ein Lasersystem, das reflektiertes Licht auffängt wie ein Radar Funkwellen-Echos. Das rund 70 000 Euro teure Gerät, das von Weitem aussieht wie ein Kochtopf, erfasst mithilfe von Laserlicht die komplette umgebende Fahrszenerie noch in 75 Meter Entfernung und erstellt daraus dreidimensionale Rundum-Bilder. Und natürlich muss das Auto auch „ wissen”, wo es sich gerade befindet. Die Information liefert ein GPS-Empfänger. Er wird von einem Umdrehungsmesser unterstützt, der über dem linken Hinterrad angebracht ist und extrem kleine Änderungen der Position registriert.

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Computer im Kofferraum

Dass das Auto aus diesem Informationscocktail sichere Fahrentscheidungen treffen kann, dafür sorgt ein gewöhnlicher Computer. Der PC ist im Kofferraum des Wagens versteckt und verarbeitet mehrere Millionen Datenpunkte pro Sekunde. Allein der Laser des Lidar-Systems liefert in jeder Sekunde 1,3 Millionen Informationseinheiten. „Wir müssen allerdings jede Strecke, die das Auto selbstständig navigieren soll, zuvor einmal abfahren, um die Umgebungsdaten aufzunehmen”, betont Thrun. Der Rechner vergleicht dann die aus der Messfahrt bekannte Szenerie mit den aktuellen Live-Daten und kann dadurch pro Sekunde bis zu 20 verschiedene Fahrmanöver einleiten.

Durch dieses Wissen hofft man bei Google, im Wettrennen um künftige Fahrerassistenzsysteme einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu bekommen. „Wir unterhalten riesige Datenzentren und verstehen etwas von Informations- und Computertechnologie”, begründet Firmensprecher Jay Nancarrow den Einstieg von Google in eine Branche, die meilenweit vom Kerngeschäft des Internet-Spezialisten entfernt ist. Doch schließlich geht es um viel Geld: Das US-Marktforschungs- unternehmen Strategy Analytics prognostiziert für 2014 einen weltweiten Umsatz von 3,2 Milliarden Dollar mit Fahrerassistenzsystemen – 2010 betrug er gerade mal ein Viertel davon. Kein Automobilbauer will angesichts einer solchen Summe leer ausgehen. Zudem wollen alle Autohersteller ihren Kunden deutlich mehr anbieten können als nur die Möglichkeit, automatisch in engen Lücken einparken zu können.

Keine Steine im Weg

Wann das selbstfahrende Google-Auto Highways und Autobahnen erobern wird, ist allerdings offen. „Wir arbeiten schließlich erst an der Basistechnologie”, sagt Thrun und will sich auf keinen Termin für die Marktreife festlegen. Allerdings: Anders als in Deutschland setzen sich in den USA einige Politiker mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Haftungsfragen für autonom steuernde Autos auseinander. Im Bundesstaat Nevada ist man so sehr von der Technologie überzeugt, dass die Regierung 2011 beschlossen hat, fahrerlosen Autos à la Google keine legalen Steine in den Weg zu legen. Nevadas Verkehrsämter haben dem mobilen Novum daher im Mai 2012 die Zulassung für öffentliche Straßen erteilt. In Florida wurden ähnliche Gesetze vorgeschlagen.

„Für mich als Wissenschaftler ist das sehr aufregend und ermutigend”, meint Sebastian Thrun. Denn schon oft musste sich der Informatiker anhören, das werde doch nie etwas mit dem fahrerlosen Auto. Doch Thrun ist – ganz amerikanisch – voller Begeisterung für sein hochgestecktes Ziel: „Immer mehr Menschen verstehen, dass hinter unserem Projekt eine große Vision steckt, die fundamental die Art und Weise verändern wird, wie wir uns fortbewegen.” ■

von Désirée Karge

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Zur Straßenzulassung für das Google-Auto in Nevada (Artikel aus der New York Times): www.nytimes.com/2011/05/11/science/11drive.html?_r=2&emc=eta1

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