Haben Sie eine Lieblingszahl? Klar. Jeder hat eine. Die 3 oder die 7. Manche mögen die Zahl 5, andere lieben die 2. Ich kannte mal eine Frau, deren Lieblingszahl war 153. Warum, habe ich nie herausgefunden. Jede Zahl ist etwas Besonderes. Jede hat einen individuellen Charakter. Manche Eigenschaften von Zahlen sind – aus wissenschaftlicher Sicht – zufällig, andere stehen auf solidem mathematischen Fundament. Bei den Lieblingszahlen scheinen die Primzahlen (2, 3, 5, 7) besonders geschätzt zu sein. Ich stelle Ihnen heute eine andere Zahl vor, eine Zahl, die keine Primzahl ist, aber einen sehr ausgeprägten Charakter hat. Es ist die Zahl 8. 8 ist 2 mal 2 mal 2. Schon die Zahl 2 ist etwas Besonderes. Während die Zahl 1 einen Anfang setzt, einen Standpunkt festlegt, sozusagen „ich” sagt, verkörpert die 2 das Gegenüber und die Beziehung zum ich: also du und ich, eine Zweierbeziehung, ein Paar. 2 ist die Zahl der Symmetrie: zwei Seiten, die sich gleichen, sich ergänzen, in jedem Fall aufeinander bezogen sind. Die Zahl 4 ist 2 mal 2. Die Doppelsymmetrie. Zwei Paare, die aufeinander bezogen sind. Wie beim Square Dance. Vier Personen an den Ecken eines Quadrats, vier Symmetrieachsen. Auftritt der Zahl 8: 8 ist 2 mal 2 mal 2. Die Doppeldoppelsymmetrie. So viel Symmetrie, dass es schon zu viel ist. Hier ist die Vollkommenheit ins Überdimensionale gesteigert. Die Zahl 8 prahlt: Schaut her, wie toll ich bin. Ich bin von allen Seiten makellos schön! Ein Symbol der Macht und Herrlichkeit. Kein Wunder, dass die 8 als Zahl des kosmischen Gleichgewichts gilt. Fast ein Beweis für diese These ist das berühmte Schloss Castel del Monte in Apulien im Süden Italiens. Es wurde auf Geheiß des Kaisers Friedrich II. von 1240 bis 1250 erbaut. Es liegt auf einem kleinen Hügel und ist in der kargen Landschaft von weither sichtbar wie ein riesiger, geometrischer Körper, der vom Himmel gefallen ist. Welchen Zweck das imposante Gebäude haben sollte, darüber streiten sich die Gelehrten noch heute. Aber klar ist, dass es den Machtanspruch Friedrichs II. unübersehbar zum Ausdruck bringt. Dazu trägt wesentlich die mathematisch strenge Architektur bei: Der Grundriss ist ein reguläres Achteck, an jeder Ecke steht ein Turm, der wiederum ein reguläres Achteck ist. Und auch der Innenhof ist – natürlich – ein regelmäßiges Achteck. Stein gewordene, höchst eindrucksvolle Mathematik. Schauen Sie’s sich an: www.castel-del-monte.de. Darf ich Ihnen die Zahl noch in anderer Weise nahe bringen? Für mich ist 8 so ähnlich wie die „Königin der Nacht” in Mozarts Zauberflöte. Mozart war weder Mathematiker noch Zahlenmystiker. Die Zauberflöte hat auch nichts mit der Zahl 8 zu tun. Aber die Haltung der Königin der Nacht in ihrer berühmten Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen” ist wie die Zahl 8: Überirdische, unerreichbare Schönheit und gleichzeitig unnahbare Kälte der Macht.
Albrecht Beutelspacher