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Das Web im Wagen

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Das Web im Wagen
Das Internet bahnt sich langsam seinen Weg ins Auto. Statt Surfen und Spielen sollen bei seiner Nutzung künftig Dienste im Vordergrund stehen – wie eine Navigationshilfe, die stets auf aktuellen Daten basiert, und ein Online-Pannendienst.

„Sie haben Post“, quäkt eine Stimme aus dem Lautsprecher im Armaturenbrett – und beginnt nach der Aufforderung „Vorlesen“ durch den Fahrer damit, die eingegangenen E-Mails zu rezitieren. Nach Auswahl einer Standardantwort wird diese mit dem Befehl „ Senden“ auf den Weg geschickt. Während der Fahrt wird der Fahrer stets mit aktuellen Nachrichten und Börseninformationen versorgt. Wird es Zeit, sich nach einer Übernachtungsmöglichkeit am Zielort umzusehen, genügt das Kommando „Hotel suchen“ – und die Suche nach einer geeigneten Unterkunft wird gestartet. Nachdem der Fahrer aus der Liste der gefundenen Herbergen ein Hotel ausgewählt hat, stellt das Autotelefon automatisch eine Verbindung her, um ein Zimmer zu buchen. Gleichzeitig berechnet das Navigationssystem die schnellste Fahrtroute zu dem gewählten Hotel und lotst den Fahrer an sein Ziel. Solche Visionen von der Nutzung eines Internet-Zugangs an Bord des Autos sorgten vor rund einem Jahr für Schlagzeilen. Gleich drei Automobilhersteller präsentierten ihre ersten Fahrzeugmodelle mit Webanschluss: Volkswagen stellte das Golf-Sondermodell E-Generation vor, BMW bot in der neuen 7er-Reihe einen Online-Zugang an und Smart brachte eine internettaugliche Variante seines Kleinwagens auf den Markt. Inzwischen ist es ruhig geworden um das Internet auf Rädern – obwohl weitere Hersteller auf den Online-Zug aufgesprungen sind. So kann man bei Opel seit April den Minivan Zafira mit einem Internetzugang bestellen. Und Mercedes-Benz hat angekündigt, ab dem Herbst zunächst die A-Klasse mit einer Kombination von Webanschluss und GPS-Navigationssystem anzubieten. Bei VW dagegen gibt es eine kreative Pause auf dem Weg ins mobile Internet. Momentan hat man dort kein Auto mit Webzugang im Angebot. Mit dem Golf E-Generation sollten vor allem die Möglichkeiten aufgezeigt werden, die sich für internetfähige Fahrzeuge bieten, heißt es in Wolfsburg. Man schnüre aber gerade ein neues Internet-Paket für die VW-Modelle Phaeton und Tuareg sowie den Audi A8. Bei den derzeit angebotenen Autos mit Internetzugang sorgt meist ein PDA (Persönlicher Digitaler Assistent) zusammen mit einem Mobiltelefon für den Eintritt ins Web. Opel etwa nutzt ein Siemens-Handy mit Freisprecheinrichtung, um die Verbindung zum Internet via Mobilfunknetz herzustellen. Adressen und Befehle werden über einen iPAQ-PDA von Compaq eingegeben. Dessen Display dient auch als Anzeigetafel für die abgerufenen Webinhalte – wenige, speziell für die mobile Nutzung aufbereitete Informationen: zum Beispiel der Opel-Telematik-Dienst OnStar, ein Online-Routenplaner, Stauinformationen, Wetterberichte sowie Hotel- und Restaurantempfehlungen. Über den Online-Dienst AOL lassen sich E-Mails senden und empfangen. Ein Surfen im Internet, wie man es vom Rechner zu Hause oder im Büro kennt, ist dagegen mit keinem der heute erhältlichen Fahrzeuge mit Webzugang möglich. Dem steht zum einen die geringe Übertragungsgeschwindigkeit der derzeitigen Mobilfunknetze entgegen. Mit ihnen lassen sich nur spartanische Webinhalte in einer erträglichen Zeit ins Auto holen. So finden Informationen über die aktuelle Verkehrslage über den SMS-Kanal des Mobilfunknetzes, der sonst für den Versand von Kurznachrichten genutzt wird, den Weg zu einem Offboard-Navigationssystem. „Damit können Routenempfehlungen nur in Form von einfachen Pfeilen auf dem Display dargestellt werden“ , beklagt Andreas Vill, Sprecher für IT und E-Business bei DaimlerChrysler in Stuttgart. Automobilbauer und Mobilfunknetzbetreiber setzen deshalb auf die deutlich schnelleren UMTS-Netze, die in Deutschland in den kommenden Jahren eingerichtet werden sollen (siehe Kasten „Mit Hochgeschwindigkeit ins Auto“). Zum anderen: Ob überhaupt ein Bedarf für die dann möglichen Angebote zum Surfen, Spielen und zur Business-Kommunikation im Fahrzeug besteht, wird von vielen Experten bezweifelt. „Kaum jemand will im Fahrzeug E-Mails verschicken oder im Internet surfen“, glaubt Dr. Gudrun Quandel vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) in Berlin. Diese Erkenntnis scheint sich auch in der Automobilbranche durchzusetzen: „Die Kunden wollen nicht das komplette Internet-Angebot im Fahrzeug haben“, sagt DaimlerChrysler-Sprecher Vill. Trotzdem will kaum ein Autobauer auf die Weiterentwicklung der Internet-Technologie in seinen Wagen verzichten. „Das Thema wird sicher bald mehr Fahrt annehmen“ , ist Vill überzeugt. Entscheidend für die Akzeptanz bei den Autofahrern sei dabei, dass ihnen ein echter Nutzen während der Fahrt geboten werde. Dazu zählt für Vill die Verbindung bestimmter Online-Dienste mit dem Navigationssystem – etwa die Möglichkeit, nach Hotels oder Gaststätten zu suchen, deren Angebot einem zu Hause erstellten Anforderungsprofil entspricht, oder die Verknüpfung von Kalender, Adressbuch und Navigation. FOKUS-Sprecherin Quandel sieht das Internet im Fahrzeug in erster Linie als Transportmedium für „personalisierte Informationen“. Das könnte zum Beispiel eine Fahrtroute für den Weg in den Urlaub sein, die man am Rechner auf dem Schreibtisch ausgearbeitet hat – und die man via Internet an das Navigationssystem im Auto überträgt. „Das Abrufen von Daten, die im Fahrzeug selbst gewonnen werden, wird künftig ebenfalls eine wichtige Anwendung einer Internet-Verbindung sein“, prophezeit Quandel. So werde man beispielsweise von zu Hause aus feststellen können, ob noch genügend Benzin im Tank ist oder ob das Licht im Fahrzeug brennt. Vernetzte Automobile könnten eine neue Form der Wartung ermöglichen: Kommt es zu einer Panne, kann der Fahrer Kontakt mit der nächstgelegenen Service-Station aufnehmen. Über das Netz wäre eine Ferndiagnose des Fahrzeugzustandes möglich, indem die von der Bordelektronik gesammelten Daten ausgelesen werden. Anschließend würde das Fahrzeug entweder per Navigationssystem zur Werkstatt dirigiert oder der Pannendienst zum liegengebliebenen Wagen geschickt. Das Auto könnte zudem nachts wissen, wann eine Kurve kommt, und die Front entsprechend ausleuchten oder das Fahrwerk an die online eingespeiste Straßenbeschaffenheit anpassen. Und: Die von Sensoren gesammelten Daten könnten mit dem Gegenverkehr ausgetauscht werden, etwa um diesen vor einer glatten Straße zu warnen. Mit Hochgeschwindigkeit ins Auto Zwei PC in den Rückenlehnen der Sitze samt ausklappbaren Flachbildschirmen und drahtlosen Tastaturen, ein großer Touchscreen-Monitor vorne über der Mittelkonsole und jede Menge Elektronik für die Nutzung des UMTS-Mobilfunkstandards – die Liste der Ausstattung des Mercedes-Benz S-Klasse-Wagens ist lang. Die so zur rollenden Kommunikationszentrale aufgerüstete Limousine drehte im Juni erstmals ihre Runden auf einem Testparcour in Berlin. Eigens dafür hatten Siemens und T-Mobile ein kleines UMTS-Funknetz aufgebaut. Zweck der Übung: Die an der Entwicklung des Equipments für das Testfahrzeug beteiligten Unternehmen und Institute – neben DaimlerChrysler, Siemens und T-Mobile sind das Sun Microsystems und Jentro sowie die Universität Nizza – wollten zeigen, welche Möglichkeiten UMTS künftig für die Nutzung von Online-Diensten im Auto bieten wird. So wird der Fahrer des Forschungswagens von einem Offboard-Navigationssystem mit Routenempfehlungen versorgt, die stets die neuesten Straßenkarten und die aktuelle Verkehrslage berücksichtigen. Dazu gibt es Informationen über Sehenswürdigkeiten und Einkaufsmöglichkeiten entlang der Fahrtroute. Musik kann als MP3-Datei ins Fahrzeug geladen oder per Webradio empfangen werden. Außerdem kann man Bilder von Verkehrslagekameras empfangen und per Videoüberwachung etwa den Eingang der Wohnung kontrollieren. Noch mehr Möglichkeiten bieten sich den Passagieren im Fond. Sie können aus dem Internet geladene Filme anschauen, Videokonferenzen mit Gesprächspartnern außerhalb des Wagens führen und sich in Online-Spielen miteinander oder mit Insassen anderer Autos messen. Ob und wann es so ausgestattete Fahrzeuge zu kaufen gibt, steht in den Sternen. Das hängt vor allem davon ab, wie schnell der Aufbau der geplanten UMTS-Netze vonstatten geht. Im Auto müssen die Entwickler noch an Bedienelementen feilen, die eine Ablenkung des Fahrers weitgehend ausschließen. Völlig offen ist die Antwort auf die Frage, ob die Autofahrer das, was technisch möglich ist, auch nutzen wollen. Virtuelle Netze auf Rädern Das Auto der Zukunft wird zum aktiven Teil des Internet. Davon sind die Forscher am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme in Berlin überzeugt. Ihre Vision: Die Fahrzeuge selbst dienen als Netzknoten in einem beweglichen virtuellen Internet: Sie sammeln und verbreiten Daten, stellen dem Fahrer unterstützende Informationen zur Verfügung und kommunizieren eigenständig untereinander. Gemeinsam mit Automobilherstellern und Zulieferern wie DaimlerChrysler und Bosch entwickeln die Fraunhofer-Wissenschaftler Technologien, mit denen künftig Informationen zwischen den Autos in verschiedenen und wechselnden Netzen ausgetauscht werden können – zum Beispiel über Satellit, UMTS oder lokale WLAN-Netze. Damit sollen Daten, die Fahrzeugelektronik und Sensoren liefern – etwa Geschwindigkeit, Kilometerstand, Straßenbeschaffenheit und Außentemperatur – zusammen mit Ortsangaben aus dem Navigationssystem an andere Wagen übermittelt werden. Dazu werden die Infos per Funk von Auto zu Auto weitergereicht oder über feste Empfänger am Straßenrand ins Internet eingespeist. Der Nutzen eines solchen Systems: Fahrer anderer Wagen werden vor Gefahren gewarnt, unmittelbar über Staus informiert oder bei der Parkplatzsuche unterstützt. Auch eine direkte Kommunikation per Chat mit anderen Verkehrsteilnehmern soll so möglich werden.

Ralf Butscher

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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Kampf|fisch  〈m. 1; Zool.〉 oft als Zierfisch gehaltener, farbenprächtiger Süßwasserfisch, der im Erregungszustand rasch die Farbe wechselt: Betta splendens

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