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Das Sperma-Team

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Das Sperma-Team
Spermien haben einen guten Orientierungssinn, funktionieren wie moderne Raketen und sind strategisch genug, um gemeinsam gegen die Konkurrenz anzutreten.

Peter Brugger macht menschliche Spermien munter – rein zu Forschungszwecken, aber möglicherweise verhelfen seine Erkenntnisse kinderlosen Paaren zu Nachwuchs. Der Biologe von der neurologischen Abteilung der Universitätsklinik in Zürich beobachtet das Abbiegeverhalten von Samenzellen. Dazu lässt er sie durch Tunnel mit Abzweigungen schwimmen.

Das erstaunliche Ergebnis: Ein Spermium vergisst nicht, wo es gerade lang gesprintet ist. In einem T-förmigen Tunnel bog eine Hälfte der Spermien links ab, die andere rechts. Wurden sie jedoch durch ein Hindernis zum Rechtsabbiegen gezwungen, entschieden sich an der nächsten freien Kreuzung deutlich mehr für die linke Seite. Durch diese Richtungsänderung blieben sie auf Kurs. Der biologische Hintergrund für diese Fähigkeit: Auf ihrem weiten Weg durch Gebärmutter und Eileiter verlieren die Spermien so nicht die Orientierung.

Brugger betont, dass es sich dabei natürlich nicht um ein kognitives Gedächtnis handelt. Das wäre zu viel Intelligenz für eine einzelne Zelle. Jedes Abbiegen, so vermutet er, könnte eine wie auch immer geartete Asymmetrie erzeugen, die bei der nächsten Wende wieder ausgeglichen wird.

Diese Erkenntnis lässt sich möglicherweise für die In-vitro-Fertilisation nutzen – denn Falschabbieger unter den Spermien, die nach einer kurzen Schwimmstrecke zum zweiten Mal die gleiche Richtung einschlagen, stehen unter Verdacht, weniger leistungsfähig zu sein. Für eine künstliche Befruchtung kämen sie dann kaum in Frage.

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Was aber leitet die Hochleistungsschwimmer auf ihrem langen Weg? Wissenschaftler am Weizmann-Institut in Israel haben vor kurzem herausgefunden, dass Spermien wie moderne Raketen funktionieren, die ein Flugzeug mithilfe von Wärmesensoren aufspüren: Die Stelle, an der die Eizelle auf Besuch wartet, ist etwas wärmer als die Umgebung. Durch den Temperaturunterschied von etwa zwei Grad werden die Spermien angelockt – ähnlich wie der heiße Motor eines Flugzeugs die Abfangrakete ködert. Fachleute nennen das Thermotaxis. Michael Eisenbach von der Abteilung Biologische Chemie des Weizmann-Instituts hofft, dass man sich diesen Navigationstrick in Zukunft bei der künstlichen Befruchtung zunutze machen kann, indem man nur solche Spermien auswählt, die eine Wärmequelle gut finden.

Damit nicht genug: Eine Forschergruppe um Harry Moore von der University of Sheffield veröffentlichte vor kurzem im britischen Fachmagazin Nature ihre ungewöhnliche Entdeckung, dass die Spermien des Waldmäuserichs (Apodemus Sylvaticus) sich oft im Tross auf den Weg machen. Ihr Teamgeist wird damit belohnt, dass sie anderthalbmal schneller am Ziel sind, als es Einzelkämpfer wären. Schon kurz nach der Ejakulation schließen sich mehrere Hundert Samenzellen mit speziellen Haken an den Köpfen zusammen und schwimmen im Verbund los. Dieser Trick hindert Konkurrenten daran, zum Zuge zu kommen. Waldmäuseriche paaren sich nämlich mit möglichst vielen Weibchen, um das eigene Erbgut effizient weiterzugeben. Ein Mäuserich, der nur einzeln kämpfende Spermien hätte, wäre da völlig chancenlos. Auch menschliche Spermien schwimmen manchmal in Gruppen durch den Gebärmutterschleim – aber nicht immer. „Doch es ist sehr schwierig zu beurteilen, ob dieses Verhalten beim Menschen den Paarungserfolg erhöht”, sagt Moore.

Ein Waldmaus-Männchen braucht unbedingt die Kooperation der Spermien, um seine Trefferquote zu verbessern. Allerdings zahlen einzelne Gruppenmitglieder für den Erfolg des Teams mit dem Verlust ihrer Zeugungsfähigkeit, denn um den Spermienverband wieder aufzulösen, ist eine biochemische Reaktion notwendig. Und das ist genau die Reaktion, mit der ein Spermium normalerweise in die Eizelle eindringt – die so genannte Akrosomreaktion. Das Spermium, das sie auslöst, scheidet aus dem Rennen um die Befruchtung aus, ermöglicht aber seinem Teamkollegen den Triumph. Es opfert sich, damit ein anderes Spermium vom selben Männchen sein Erbgut weitergeben kann – Hauptsache, die Konkurrenz kommt nicht zum Zuge.

Zielstrebigkeit, Orientierung, Teamgeist – die man gemeinhin für typisch männliche Tugenden hält – scheinen auch die winzigen Samenzellen anzutreiben.

Eva Tenzer

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