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Signale aus dem Einkaufskorb

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Signale aus dem Einkaufskorb
Shopping im Supermarkt der Zukunft. Ein intelligenter Einkaufswagen weist dem Kunden den Weg zu der gewünschten Ware. Das Regal bestellt Nachschub, wenn es leergekauft wurde. Und das Beste: An den Kassen gibt es keine Warteschlangen mehr.

Wer nach Informationen zum „Supermarkt der Zukunft“ im Internet stöbert, bekommt den Eindruck: Das herkömmliche Geschäft mit realen Verkaufsräumen ist ein Auslaufmodell. Es wird abgelöst von virtuellen Kaufhäusern, in denen der Kunde seinen Warenkorb am Computer per Mausklick füllt. Den Rest erledigt ein Lieferant, der die Bestellung ins Haus bringt – bequemer geht’s nicht. Das Geschäft von morgen läuft übers Internet – so sehen es zumindest die Internet-Händler. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich der Supermarkt im Netz jedoch als raffinierte Variante des altbekannten Versandhandels. Deutliches Indiz: Bestellungen können beim Internet-Verkäufer genausogut telefonisch oder per Fax aufgegeben werden.

Auch die Nachteile von Versandhandel und Internet-Geschäft gleichen sich wie ein Ei dem anderen: „Wer möchte schon Avocados kaufen, ohne sie zuvor sehen oder anfassen zu können?“ fragt Dr. Joachim Pelka von der Fraunhofer-Gesellschaft. Sein Kollege Alexander Pflaum nennt ein anderes Problem: „Das Einkaufen via Internet rentiert sich bislang für niedrigpreisige Produkte nicht – entweder muß der Händler oder der Käufer draufzahlen.“ Die Ingenieure Pelka und Pflaum beschäftigen sich mit Möglichkeiten, herkömmliche Kaufhäuser und Supermärkte fit für den Wettbewerb mit dem Internet-Handel zu machen: Dank moderner Informationstechnologie soll König Kunde nie mehr fluchend vor einem leeren Regal oder in der Kassenschlange stehen, nie mehr im Waren-Dschungel die Orientierung verlieren und nie mehr einen Posten auf seinem Einkaufszettel übersehen.

Firmen weltweit arbeiten fieberhaft an dem Schlüsselbaustein zu diesem Supermarkt der Zukunft, dem sogenannten Transponder. Dieses mikroelektronische System besteht aus einem kleinen Chip, der mit einer Antennenspule verbunden ist. An Waren angebracht, übertragen Transponder gespeicherte Informationen über Funkwellen. Diese Daten können von einem Lesegerät ohne Sichtkontakt ausgewertet werden – ein wesentlicher Unterschied zu den heute üblichen Scannerkassen, die mit Hilfe eines Lichtstrahls den Balkencode abtasten.

Kunden müssen Waren, die mit Einweg-Transpondern bestückt sind, beim Abkassieren nicht mehr einzeln auf ein Band legen: Das Transponder-Lesegerät erfaßt aus der Ferne mehrere Waren in einem Einkaufswagen innerhalb weniger Sekunden. Wird es an einem Warenregal angebracht, so kann es ständig den Bestand kontrollieren und melden, wenn beispielsweise gerade die letzte Packung Babywindeln von einem Käufer entnommen wurde. Mike Marsh, Gründer der südafrikanischen Firma Trolley Scan behauptet, im Entwickler-Rennen um den besten Transponder die Nase vorn zu haben: „Unsere Transponder haben eine Reichweite von fünf Metern und halten trotzdem die europäischen Vorschriften ein.“ Innerhalb dieser Reichweite könnten bis zu 1000 elektronische Etiketten trotz unregelmäßiger Orientierung ausgelesen werden. Außerdem, ergänzt der Südafrikaner, seien die Transponder sehr billig herzustellen: Deutlich unter zehn Pfennig sollen sie kosten. Trolley Scan hat neun Lizenzen an Firmen vergeben, von denen einige in den nächsten Monaten mit der Produktion beginnen wollen.

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Damit würden Marshs Transponder tatsächlich wichtige Voraussetzungen erfüllen, um auf breiter Front Einzug in den Supermarkt zu halten und dabei den Barcode abzulösen. Doch Klaus Scherer, Leiter für System- und Anwendungstechnik am Fraunhofer-Institut für mikroelektronische Schaltungen und Systeme in Duisburg, mißtraut den Angaben von Trolley Scan: Die Südafrikaner hätten noch keinen Prototyp des Transponders öffentlich vorgestellt. Der deutsche Experte meint: „Der Frequenzbereich, den die Trolley-Scan-Transponder benutzen, läßt nur ein Konstruktionsprinzip zu, mit dem sehr wenige Informationen übertragen werden können.“

Transponder anderer Firmen sind bei Reichweite und Übertragungsgeschwindigkeit noch keineswegs optimal und kosten um die 50 Pfennig – viel zu viel, um sie einer Milchtüte für 1,29 Mark anzuhängen. Die heutigen Barcodes werden dagegen einfach auf die Packung gedruckt – das macht die Ware keinen Pfennig teurer. Und die unscheinbaren Balken eröffnen Händlern ebenfalls die Möglichkeit, die Warteschlangen an den Kassen zu verhindern. Die niederländische Lebensmittelhandelskette Albert Heijn hat bereits 1993 als erste ein System eingesetzt, das die Firma Symbol Technology entwickelte: Kunden holen sich mit einer auf sie ausgestellten Magnetkarte an einem Spender einen tragbaren Laserscanner, den sie auf ihren Einkaufswagen setzen. So können sie den Strichcode jedes Artikels, den sie mitnehmen, selber einlesen und am Ende die registrierte Summe an einem Express-Schalter zahlen.

„Das Selbsteinlesen der Preise ist einem Käufer eigentlich nicht zumutbar und sicherlich nur eine Zwischenlösung“, findet allerdings Pelka, Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds für Mikroelektronik. Falls Transponder weiterhin billiger und besser werden, wird ein System wie das von Symbol Technology deshalb auf dem Markt wohl kaum Chancen haben. Um so mehr, als die funkenden Etiketten dem Handel Möglichkeiten eröffnen, die weit über das automatische Kassieren hinausgehen. Sie machen Inventuren überflüssig und ersparen den Händlern Diebstahlsicherungssysteme: Kein Kunde kommt an den Lesegeräten vorbei, ohne daß die Waren registriert werden – und seien sie noch so gut versteckt. Mit Hilfe von Transpondern, die an ein kleines Display angeschlossen sind, läßt sich Ware per Funkbefehl aus der Ferne sogar mit neuen Preisen auszeichnen.

Außerdem: „Transponder, die mit kleinen Sensoren gekoppelt sind, können den Transport einer Ware überwachen“, sagt Pflaum, Leiter des Arbeitsfeldes Kommunikationstechnik am Fraunhofer-Anwendungszentrum in Erlangen. Zum Beispiel bei der Lebensmittelhygiene: Der Chip ist in der Lage, Daten zu registrieren, die ein kleiner Temperaturfühler liefert – Händler und Kunde können so etwa feststellen, ob ein Speiseeis immer kalt genug gehalten wurde, um die Vermehrung von Bakterien darin zu verhindern.

Im Kaufhaus von morgen könnten Transponder mit einem Kleinstcomputer kommunizieren, den der Kunde bei sich trägt. Der Computer-Assistent lotst den Kunden dann speziell zu den Waren, für die er sich interessiert. Die Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft wollen noch im Jahr 2000 den Prototypen eines solchen Systems – E-SSIST – präsentieren. Allerdings: E-SSIST wird sich an einem intelligenten Einkaufswagen messen lassen müssen, den die britische Informationstechnik-Firma ICL entwikkelt hat. Ein auf ihm installierter Computer kann die Artikel der Einkaufsliste gemäß ihrer Position in den Supermarkt-Gängen sortieren und hilft so dem Käufer, unnötige Wege zu sparen. ICL hat nach eigenen Angaben bereits einen englischen Supermarkt gefunden, der die intelligenten Einkaufswagen einsetzt. Die Ironie: Dem Markt, dessen Namen ICL nicht verrät, geht es nicht um einen besseren Service für die Ladenkunden. Statt dessen benutzen Mitarbeiter den Wagen, um schneller die Waren für solche Kunden zusammenzustellen, die ihre Einkaufsliste via Internet übermittelt haben.

Frank Frick

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