Unter uns Journalisten gibt es schon seltsame Zeitgenossen. Da haben einige Kollegen jahrelang jede Warnung von Forschern kritiklos genutzt, um in den Bereichen Umwelt und Gesundheit Katastrophen-Szenarios zusammenzuschreiben: die Klimakatastrophe, das Ozonloch, die Risiken von Mobiltelefonen, Aids oder die Rinderseuche BSE sind Beispiele.
Wenn niemand mehr diese Hiobsbotschaften hören will, entdecken diese Journalisten eines Tages, daß alles doch längst nicht so schlimm ist, wie sie selbst geschrieben haben: Entwarnung, die Katastrophe findet nicht statt, die Wissenschaftler haben uns angeblich an der Nase herumgeführt. Diese Kollegen haben offensichtlich Probleme damit, daß es in der Wissenschaft meist weniger aufgeregt zugeht. Normalerweise ist es so, daß Forscher einzelne Indizien entdecken, aus denen sie eine Hypothese entwickeln, die durch weitere Belege bestätigt und korrigiert wird. Eines Tages – oft nach Jahrzehnten – verdichtet sich die Indizienkette so weit, daß daraus ein Beweis wird, oft nur eine eindeutige Wahrscheinlichkeit.
Auch dann setzen die Forscher ihre Diskussionen fort, schließlich will jeder überzeugt werden. So ist Wissenschaft ein niemals endender Diskurs. Doch wir leben in hysterischen Zeiten. Da können viele Journalisten und ihre Medien, die in scharfer Kon- kurrenz um Auflagen und Einschaltqouten stehen, nicht das gemächliche Tempo der Wahrheitsfindung übernehmen.
Ausgerechnet die seriöse Wochenzeitung „Die Zeit“ lieferte jetzt ein Musterbeispiel, wie leicht sich Risiken und Gefahren heraufbeschwören oder verleugnen lassen, wenn man nur ein wenig mit Zeithorizonten und Größenordnungen spielt. Sie kommt in einem Vorbericht zur UN-Klimakonferenz zu einem kühlen Fazit: „Der Treibhauseffekt ist ein Märchen“.
Dabei zitiert sie vorwiegend Meteorologen (die das kurzfristige Wetter erforschen, nicht das langfristige Klima), erschließt aus einer 22jährigen Datensammlung einen Zusammenhang zwischen Sonnenflecken und Klima (ein Sonnenfleckenzyklus dauert elf Jahre), hält aber gleichzeitig den Klimaforschern vor, daß sie nicht exakt sagen, ob die globale Durchschnittstemperatur in den kommenden 100 Jahren um zwei oder um acht Grad steigen wird.
Autor des Beitrags ist ein erfahrener Umweltjournalist, der als Chefredakteur einer kritischen Ökozeitschrift einst selbst zu den Hiobs der Medienszene gehörte. Sein Fazit: „Der menschliche Einfluß auf das Klima hat bisher noch zu keiner Entwicklung geführt, die es in der Vergangenheit ohne menschlichen Einfluß nicht schon gegeben hätte.“ Er verlegt sich auf Polemik. Die kritischen Klimaforscher werden mit brav apportierenden Hunden verglichen, ihre Prognosen sind für ihn „fiebrige Erwartung“, und souverän verurteilt er die gesammelten Forschungsergebnisse: Die Aussagekraft „tendiert gegen Null“.
Es scheint unwichtig zu sein, wer recht hat. Das Pro-blem aber bleibt: Wie sollen Leser und Zuschauer, die auf die Information durch die Medien angewiesen sind, mit den Widersprüchen zurecht kommen? Einzige Hoffnung: Nicht alles ernst nehmen, was Journalisten täglich so auftischen, zumindest aber muß man es gründlich hinterfragen. Die heraufdämmernde Wissensgesellschaft bringt nicht nur mehr Informationen, sondern auch mehr Müll.
Reiner Korbmann