Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Titelthema – Das Weltall wird neu vermessen: Der Sternvermesser

Allgemein

Titelthema – Das Weltall wird neu vermessen: Der Sternvermesser
Das Universum des Hipparcos. Ein europäischer Satellit hat den Himmel in unglaublicher Genauigkeit vermessen. Davon profitiert die gesamte Astronomie.

Als im Juni 1997 eine 400 Dollar teure Box mit sechs CD auf den Markt kam, stürmte sie zwar keine Musikcharts. Doch unter Astronomen löste sie Begeisterungsstürme aus, und sogar dem sonst eher irdischen Dingen zugewandten Herausgeber-Team vom Guiness-Buch der Rekorde 1998 war sie einen Eintrag wert. Den Astrorekord hatte der Hipparcos-Katalog aufgestellt, den die Europäische Raumfahrtagentur ESA nach vierjähriger Aufbereitung veröffentlicht hatte. Er enthält über 300 Gigabyte Daten, das Hundertfache der Festplattenkapazität eines modernen PC. Es handelt sich um eine scheinbar unspektakuläre, wenn auch gewaltige Tabelle. Doch sie wird die Entwicklung der Astronomie der nächsten Jahre wohl stärker prägen als jedes noch so schöne Foto von anderen Planeten oder fernen Galaxien.

Der Grundstein für diesen Erfolg wurde bereits in den siebziger Jahren gelegt, als europäische Wissenschaftler einen völlig neuartigen Satelliten konzipierten, der allein der Astrometrie dienen sollte. Astrometrie ist die Messung der Positionen von Himmelskörpern und ihren Veränderungen. Genau dies war die Aufgabe von Hipparcos. Das Akronym steht für High Precision Parallax Collecting Satellite und erinnert zugleich an Hipparch von Nicäa, der schon 129 v. Chr. den ersten Sternkatalog zusammengestellt hatte. An der Mission und Datenauswertung des insgesamt rund eine Milliarde Mark teuren Riesenprojekts waren rund 200 Menschen aus über 30 europäischen Instituten beteiligt.

Gestartet am 8. August 1989 mit einer Ariane-4- Rakete, vermaß Hipparcos bis zum Juni 1993 den Ort von über einer Million Sternen in bis dahin nicht erreichter Präzision – hundertmal genauer als es auf der Erde aufgrund der störenden Einflüsse der Atmosphäre und Schwerkraft überhaupt möglich ist. Hipparcos hat zwei Kataloge erstellt:

Der Hauptkatalog „Hipparcos“ enthält die Positionen von 118218 Sternen. Ihre Koordinaten, Eigenbewegungen und Parallaxen sind nun auf weniger als eine tausendstel Bogensekunde genau bekannt. Parallaxen heißen die Ortsveränderungen naher Sterne aufgrund der unterschiedlichen Perspektive, die durch die Bewegung der Erde um die Sonne zustande kommt. „Dieser Winkel entspricht dem Durchmesser eines Golfballs auf dem Empire State Building, von Europa aus gesehen“, sagt Hipparcos-Teamleiter Michael Perryman vom Technischen Zentrum ESTEC der ESA im niederländischen Noordwijk. Der Zusatzkatalog „Tycho“, ein willkommenes Beiprodukt der Messungen von Hipparcos‘ Hilfsteleskopen, umfaßt Daten von 1058332 Sternen. Die Ungenauigkeiten betragen hier 3 bis 25 tausendstel Bogensekunden. Die ESA hat daraus einen neuen Sternenatlas erstellt, den dreibändigen „Millennium Star Atlas“. Er enthält dreimal so viele Sterne wie alle anderen Atlanten – ein Standardwerk, das auch fortgeschrittene Amateurastronomen verwenden.

Anzeige

Die Resonanz der Fachwelt ist enorm. „Der Hipparcos- Katalog ist auf ein riesiges Interesse gestoßen. Ein Jahr nach seiner Veröffentlichung sind auf seiner Grundlage bereits 500 wissenschaftliche Aufsätze von über 1000 Astronomen erschienen“, sagt Ulrich Bastian vom Astronomischen Recheninstitut in Heidelberg, das zusammen mit der Universität Tübingen wesentlich bei der Erstellung des Katalogs mitgearbeitet hat. „Doch dies ist erst der Anfang. Es wird noch 10 bis 15 Jahre dauern, bis der Datenschatz ausgelotet ist.“

Durch die von Hipparcos vermessenen Parallaxen lassen sich nun die Distanzen von über 20000 bis zu 300 Lichtjahren entfernten Sternen auf mindestens 10 Prozent genau angeben – zuvor waren sie nur von einigen Dutzend Sternen bekannt. Perryman: „Das ist eine gigantische dreidimensionale Karte unserer kosmischen Nachbarschaft.“ Mitunter kam es zu erheblichen Revisionen. So ist etwa der Stern mit der Katalognummer HIP 48152 nun 260 Lichtjahre entfernt – doppelt so weit wie bisher angenommen. Das hat Korrekturen in der Altersbestimmung und Entwicklungstheorie der Sterne zur Folge.

Auch bei der Suche nach fremden Planeten sind die neuen Entfernungsangaben hilfreich. So haben Astronomen 1995 entdeckt, daß der Stern 47 Ursae Majoris von einem Begleiter umkreist wird. Nachdem Hipparcos den Abstand des Sterns ermittelt hat – 46 Lichtjahre – ließ sich errechnen, daß der Begleiter 7- bis 22mal so schwer wie Jupiter ist. Damit ist er ein richtiger Planet, denn ab etwa 80 Jupitermassen spricht man von Braunen Zwergsternen – Zwitter zwischen Planeten und „echten“ Sternen, in deren Zentrum Kernfusion stattfindet. Die Masse eines anderen Riesenplaneten, der den 59 Lichtjahre fernen Stern 70 Virginis umläuft, beträgt das 38- bis 65fache der von Jupiter.

Hipparcos beobachtete über 22000 Mehrfachsterne, von denen fast 3000 bislang unbekannt waren. Er konnte sogar Doppelsterne mit einem Abstand vom Radius der Saturnbahn auseinanderhalten. Außerdem beobachtete er 9000 variable Sterne, deren Helligkeit schwankt, darunter 5100 neue. Für diese Messungen lieferten Hunderte von Amateurastronomen weltweit wertvolle Bezugsdaten, weil sie gleichzeitig zahlreiche der variablen Sterne überwacht hatten. Ohne ihre Anstrengungen hätte Hipparcos nicht die Lichtkurven eichen können, die das Verhalten der variablen Sterne charakterisieren.

Eines der wichtigsten Resultate der Hipparcos-Mission ist ein neues Hertzsprung-Russell-Diagramm. In einem solchen Diagramm sind die absoluten Helligkeiten der Sterne über ihrem Spektraltyp aufgetragen – und damit über ihrer Farbe oder Temperatur. Für eine präzise Bestimmung der absoluten Helligkeit eines Sterns ist die Kenntnis seiner Entfernung und relativen (scheinbaren) Helligkeit notwendig. Beide Angaben hat Hipparcos wesentlich präzisiert.

Dadurch lassen sich Physik und Entwicklung der Sterne bedeutend besser verstehen. Zum Beispiel gelang es den Astronomen endlich, die lange vermuteten Klumpenriesen im Riesenast des Diagramms zu identifizieren. Das sind alternde Sterne, in deren Zentrum der Wasserstoff bereits zu Helium verschmolzen ist, woraus durch weitere Kernverschmelzungsprozesse jetzt die schwereren Elemente entstehen.

Hipparcos hat auch die vorausgesagte Existenz eines scharfen unteren Randes bei der Verteilung der metallreichen Hauptreihensterne bestätigt. Außerdem fand er eine knieförmige Verteilung der von der Hauptreihe zum Riesenast abzweigenden Sterne. Sie ermöglicht Rückschlüsse auf die Geschichte der Sternentstehung in der Milchstraße und deutet auf ein Alter der galaktischen Scheibe von rund elf Milliarden Jahren hin.

So ganz nebenbei sorgte Hipparcos für eine Überraschung: Neue Sterne können sich auch einzeln bilden, fern von galaktischen Dunkelwolken, fand Rainer Wichmann von der Europäischen Südsternwarte in Garching. Denn manche T-Tauri-Sterne wie TWHydrae – gleichsam stellare Kleinkinder, die nur wenige Millionen Jahre alt sind – befinden sich weit weg von solchen kosmischen Geburtsstätten. Ihre Eigenbewegung beweist zudem, daß sie nicht aus Staub- und Gaswolken herausgeschleudert wurden. Es gibt nur eine Erklärung: Sie müssen allein entstanden sein.

In der Sonnenumgebung entdeckten Klaus Fuhrmann und Jan Bernkopf von der Universitäts-Sternwarte München mit Hipparcos’Hilfe eine Zweiklassengesellschaft unter den sogenannten RR Lyrae-Sternen: zum einen metallreiche Sterne wie unsere Sonne, die in der galaktischen Scheibe um das Zentrum kreisen, zum anderen Sterne mit zehn- bis hundertmal weniger schweren Elementen, die sich in ganz unterschiedliche Richtungen bewegen. Die erste Gruppe gehört zur galaktischen Scheibe, die zweite zum Halo, der die Scheibe kugelförmig umhüllt. Aus den Metallhäufigkeiten folgt, daß die Halosterne vor den Scheibensternen entstanden sind.

Dank Hipparcos können wir nun sogar galaktische Archäologie betreiben“, schwärmt Ulrich Bastian. Die Bestimmung der absoluten Helligkeit und der Oberflächentemperaturen erlaubt es, die Sterne in der Sonnenumgebung in zwei Altersgruppen zu unterteilen: solche, die über elf Milliarden Jahre alt sind, und solche die jünger als neun Milliarden Jahre sind (es gibt nur wenige mit einem Alter dazwischen). Die älteren Sterne sind nicht nur generell metallärmer, sondern haben relativ zu mittelschweren Elementen wie Magnesium auch besonders wenig Eisen, während der Eisenanteil der jüngeren Sterne relativ zu den anderen Elementen größer ist.

Die Unterschiede beruhen darauf, wie die im Sterninneren erbrüteten schweren Elemente in den interstellaren Raum zurückgelangen, wo sie der nächsten Sterngeneration als neuer Rohstoff zur Verfügung stehen. Anfangs gab es nur Supernovae vom Typ II: Explosionen von kurzlebigen Riesensternen. Dabei wird relativ wenig Eisen ins All gesprengt. Später bildeten sich auch Weiße Zwerge – die Endstadien massearmer Sterne. Sie können ebenfalls explodieren – nämlich dann, wenn genügend Materie von Nachbarsternen auf sie stürzt. Bei diesen Supernovae vom Typ I wird viel mehr Eisen in den galaktischen Stoffwechsel eingespeist als bei den Sternexplosionen vom Typ II. Zwar haben Astronomen dies alles schon länger vermutet. Doch erst mit der Hilfe von Hipparcos konnten die Auswirkungen der verschiedenen Prozesse zuverlässig nachgewiesen werden. „Eine glänzende Bestätigung der Theorie“, freut sich Bastian.

Auch die Form unserer Milchstraße ließ sich dank Hipparcos genauer ermitteln. Schon vor über 40 Jahren haben Astronomen entdeckt, daß die galaktische Scheibe nicht ganz flach, sondern wie eine Hutkrempe verbogen ist. Unsere Sonne bewegt sich während ihres über 220 Millionen Jahre dauernden Umlaufs um das galaktische Zentrum wie ein Delphin im Wasser wellenförmig auf und ab. Was die Wölbungen verursacht, ist unklar. Diskutiert werden intergalaktische Winde, Gezeitenwechselwirkungen mit Nachbargalaxien, magnetische Kräfte und der Einfluß dunkler, bislang unbekannter Materie. Hipparcos fand nun eine wichtige Zusatzinformation: Entgegen der bisherigen Annahme ist die Wölbung der galaktischen Scheibe nicht stabil, sondern veränderlich. Das haben Richard L. Smart vom Astronomischen Observatorium Turin und seine Kollegen bei der Auswertung der Positionen von über 2400 Riesensternen herausgefunden. Auch zum berüchtigten Problem der Dunklen Materie, die einen Großteil der Masse vieler Galaxien und wahrscheinlich auch der Milchstraße ausmacht, lieferte Hipparcos einen Beitrag. Honc-Anh Pham von der Sternwarte Paris errechnete aus den Bewegungen von 10000 Sternen im Umkreis von 750 Lichtjahren, daß es keine unsichtbare Masse in der galaktischen Scheibe gibt. Michel Crézé und sein Team an der Universität Straßburg kam mit einer anderen Stichprobe zum selben Ergebnis. Die mysteriöse Dunkle Materie muß sich also woanders verbergen, möglicherweise im galaktischen Halo.

Besonders wichtig ist die Hilfe des Astrometrie-Satelliten bei der Präzisierung der kosmischen Entfernungsskala. Hipparcos maß zwar nur die Parallaxen von Sternen in der Sonnenumgebung. Aber darauf beruhen alle weiteren astronomischen Meßlatten, die sich beispielsweise die Helligkeit oder die spektrale Rotverschiebung von Sternen und Galaxien zunutze machen. Eine Schlüsselrolle spielen hierbei die Cepheiden – Sterne, die regelmäßig pulsieren. Ihre periodischen Helligkeitsschwankungen sind ein Maß für ihre absolute Leuchtkraft, mit der sich ihre Entfernung bestimmen läßt. Da Hipparcos auch einige Cepheiden-Parallaxen gemessen hat, wird die kosmische Entfernungsskala nun auf eine zuverlässigere Grundlage gestellt. Davon erhoffen sich die Astronomen wiederum eine präzisere Bestimmung der Hubble-Konstanten, die die gegenwärtige Ausdehnungs-rate des Weltraums zwischen den Galaxien und Galaxienhaufen als Folge des Urknalls beschreibt. Von ihr hängt das Alter des Universums ab, das manchen Messungen zufolge verblüffenderweise geringer als das Alter der ältesten Sterne im All zu sein schien (bild der wissenschaft 4/1995, „Der Streit um das Alter der Welt“). Für definitive Ergebnisse ist es noch zu früh, doch deuten die Hipparcos-Daten sowohl auf eine niedrigere Hubble-Konstante – und damit auf ein höheres Weltalter – als auch auf ein geringeres Alter der ältesten Sterne hin, was das Paradoxon beseitigt.

So haben Lawrence Krauss und Peter Kernan von der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, mit anderen amerikanischen Astronomen das Alter von 17 Kugelsternhaufen im Halo der Milchstraße neu bestimmt. „Die Sterne in den Kugelsternhaufen sind weiter entfernt, als wir bisher dachten. Also müssen sie heller sein und damit ihren Brennstoff schneller verzehren. Und deshalb entwickeln sie sich schneller und sind jünger als bislang angenommen“, sagt Krauss. Die Forscher haben sie auf etwa 11,5 Milliarden Jahre datiert – die früheren Schätzungen lagen einige Milliarden Jahre höher. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam, ebenfalls dank Hipparcos, Michael Feast von der Universität Kapstadt in Südafrika bei Kugelsternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke, die zehn Prozent weiter entfernt zu sein scheint als bislang angenommen.

Selbst für die Grundlagenphysik ist Hipparcos von Bedeutung, denn er ermöglicht eine weitere Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie. Die Ablenkung von Lichtstrahlen in Gravitationsfeldern konnte bislang mit verschiedenen Methoden und Genauigkeiten über Distanzen von 106 bis 1018 Kilometer und Massen von 10-3 bis 1013 Sonnenmassen bestätigt werden. Die Präzisionsmessungen von Hipparcos können sogar eine Sternlichtablenkung im Schwerefeld der Erde nachweisen. Damit läßt sich der Testbereich um zwei Größenordnungen in der Entfernung und drei Größenordnungen in der Masse nach unten erweitern. Tatsächlich mußte bei der Datenverarbeitung die Lichtablenkung sowohl vom Gravitationsfeld der Sonne als auch von dem der Erde berücksichtigt werden. Erstere ist bereits präziser als bei allen derartigen Messungen zuvor bestätigt worden – mit einer Genauigkeit von 0,7 Prozent. Auch konnte Hipparcos erstmals die Lichtablenkung von Sternen messen, die von der Erde aus gesehen in einem rechten Winkel zur Sonne stehen. Sie beträgt etwa vier tausendstel Bogensekunden (am Sonnenrand sind es 1,7 Bogensekunden).

Die Hipparcos-Kataloge erweitern aber nicht nur den wissenschaftlichenKenntnisstand, sondern helfen auch bei der Navigation von Raumsonden. Das war beispielsweise bei dem Vorbeiflug von Galileo am Kleinplaneten Ida der Fall.

Die neuen Himmelsdurchmusterungen im Bereich der Radiowellen, des infraroten, sichtbaren und ultravioletten Lichts stützen sich ebenfalls auf Hipparcos. Nur so kann der Reigen der einzelnen Instrumente ein gemeinsames Orchester bilden. Die gigantischen Stern- und Galaxien-Kataloge, die gegenwärtig vom Sloan Digital Sky Survey und dem 2dF-Projekt erstellt werden (siehe Seite 68), verdanken ihre Präzision allein den von Hipparcos fixierten Bezugspunkten. So hilft die Vermessung unserer kosmischen Nachbarschaft letztlich der Durchmusterung des ganzen beobachtbaren Universums.

Eine Diva am Himmel

„Astronomen wären keine richtigen Wissenschaftler, wenn sie nicht unersättlich wären“, schmunzelt Ulrich Bastian vom Astronomischen Recheninstitut in Heidelberg nach dem großen Erfolg von Hipparcos. Jetzt arbeitet er mit seinen Kollegen an der Entwicklung eines neuen Astrometrie-Satelliten. „Während bei der Astrophysik eine größere Reichweite größere Instrumente erfordert, ist die Lichtmenge bei der Astrometrie nicht das entscheidende Problem. Hier verlangt eine größere Reichweite eine größere Genauigkeit.“

Dafür sollen hochgezüchtete elektronische Detektoren und ein Präzisions-Interferometer sorgen. Das Fernziel der Sternvermesser heißt GAIA (Global Astrometric Interferometer for Astrophysics). Es wird bereits als Schwerpunktmission der Europäischen Raumfahrtagentur ESA für die Jahre 2012 (Start) bis 2021 (Veröffentlichung des Katalogs) anvisiert. GAIA wird Ort, Entfernung, Bewegung und Helligkeit von über einer Milliarde Sternen vollautomatisch bestimmen. Die Meßgenauigkeit soll dabei zehn millionstel Bogensekunden erreichen. Selbst die Distanz des galaktischen Zentrums wäre dann auf ein Prozent genau bekannt.

Als Zwischenschritt und Probelauf – und um das Know-how nicht zu verlernen – planen die Heidelberger Astronomen den Bau einer verkleinerten GAIA-Ausgabe: DIVA (Deutsches Interferometer für Vielkanalphotometrie und Astrometrie). Dieser Satellit soll die Positionen und Parallaxen von mindestens zehn Millionen Sternen mit einer Genauigkeit von über einer tausendstel Bogensekunde bestimmen. Das sind hundertmal mehr Sterne als im Hipparcos-Katalog. Auch eine Helligkeitsbestimmung in acht Farben auf 0,01 Größenklassen ist vorgesehen – und das alles zu einem Preis von nur etwa 60 Millionen Mark.

„Rund ein Drittel aller Sterne – etwa 130 – im Umkreis von 30 Lichtjahren sind noch unbekannt“, sagt Bastian. „Die wird DIVA finden. Außerdem wird der Satellit zerrissene Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien im Halo der Milchstraße aufspüren – falls es sie gibt.“

Auch in Rußland und Japan haben Astronomen den Nutzen der Sternvermessung erkannt: Zusammen mit Ingenieuren denken sie zur Zeit ebenfalls über neue Astrometrie-Satelliten nach. Und das US-amerikanische Projekt SIM (Space Interferometry Mission) soll im Jahr 2004 in eine 900 Kilometer hohe polare Umlaufbahn geschossen werden. Bei einigen tausend Sternen wird SIM die Genauigkeit von Hipparcos um das 250fache steigern – auf vier millionstel Bogensekunden. Das entspricht dem Winkel, unter dem eine Erbse auf dem Mond von der Erde aus erscheinen würde.

Rüdiger Vaas

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ra|dio|ele|ment  〈n. 11〉 ein radioaktiv strahlendes Isotop eines chem. Elements

Grund|stoff  〈m. 1〉 1 Ausgangsstoff, Rohstoff 2 〈Chem.〉 chemisches Element … mehr

Kat|zen|pföt|chen  〈n. 14; Bot.〉 Mitglied einer in den nördlichen gemäßigten Zonen verbreiteten Gattung der Korbblütler: Antennaria

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige