Spitzbartfische können sich selbst in rabenschwarzer Nacht einen räumlichen Eindruck von ihrer Umgebung verschaffen. Wie Gerhard von der Emde von der Universität Bonn und seine Mitarbeiter herausfanden, erzeugen die Fische mit Hilfe spezieller Zellen in der Schwanzflosse schwache elektrische Signale von knapp drei Volt Spannung. Sinneszellen, die auf der Schuppenhaut am ganzen Körper verteilt sind, nehmen die Störungen der Signale durch Objekte in der Umgebung wahr.
Von der Emde fand heraus, daß die Fische, die zur Gruppe der afrikanischen Nilhechte gehören, mit dieser Methode Distanzen gut abschätzen können. Je unschärfer der „elektrische Schatten“ eines Objekts ist, desto weiter ist es entfernt. Dabei hängt die Art des Schattens von der Beschaffenheit des Objekts ab. Auch das finden die 20 Zentimeter langen Fische heraus: Maßgeblich ist das Verhältnis von der „Dunkelheit“ (Amplitudenhöhe) im Schattenzentrum zur „Unschärfe“ an den Rändern (Amplitudensteigung). Ihre ausgezeichnete Orientierung macht es den Fischen möglich, im Schutz der Nacht Insektenlarven zu jagen, ohne selbst von Räubern gefressen zu werden.
Damit haben Biologen erstmals eine aktive elektrische Ortung im Tierreich aufgespürt. Bekannt ist bereits eine passive Ortung, die Haie und Rochen nutzen. Sie registrieren die Spannungsveränderungen, die von Muskelbewegungen ihrer Beute ausgehen. Das neue Ortungsprinzip ist nicht nur biologisch interessant, sondern läßt sich auch technisch nutzen. Die Bonner Zoologen tüfteln bereits an Sensoren zur Entfernungsmessung unter extremen Bedingungen – etwa bei hohen Temperaturen oder in stark verschmutzten Gewässern.
Rüdiger Vaas