Das Buch ist eine Hommage an den Spürsinn der Wissenschaftler und die Möglichkeiten der Wissenschaft. Sein besonderer Reiz liegt im Nachvollziehen der wissenschaftlichen Tüftelei. Gegliedert ist es nach Methoden und Zeiten. So erfährt man zunächst Konzept und Entstehung einer Methode – kann den wissenschaftlichen Pionieren gewissermaßen über die Schulter schauen -, um dann zu beobachten, auf welch überraschenden Wegen sich die Methode oft weiterentwickelte. Ein paar Beispiele:
Francesca Rojas aus Necochea in Argentinien wurde im Jahre 1892 als erste Mörderin aufgrund eines Fingerabdrucks überführt. Dabei hatte sie nach der Tötung ihrer Kinder – um frei für einen neuen Liebhaber zu sein – geschickt falsche Spuren gelegt, die wohl wenige Jahre zuvor noch zur Hinrichtung eines Unschuldigen ausgereicht hätten.
Bei Mary Blandy, fast 100 Jahre früher, war der Vater einer Leidenschaft im Wege. Arsen sollte seinen Widerstand ohne äußere Spuren beseitigen, ließ sich aber in den gut erhaltenen Organen des Toten nachweisen – wenn auch nur mit einem Geruchstest, einer Methode, die heutigen Exaktheitsansprüchen der Toxikologie kaum genügen würde.
Etliche „Jahrhundertverbrechen“ wurden nur dank präzisem wissenschaftlichem Spürsinn aufgeklärt, so auch die Entführung und Ermordung des 19 Monate alten Sohnes des weltberühmten Fliegers Charles Lindbergh. Eine unbeholfene Formulierung, ein paar Schlammspuren, eine selbstgezimmerte Leiter – solche spärlichen Hinweise überführten letztlich die Täter.
Besonders beeindruckend sind psychologische Täterprofile. Bei der Suche nach einem Bombenleger 1940 in New York verblüffte der Psychologe James Brussel die Polizei nicht nur mit der Auswertung der Erpresserbriefe („Der Bombenleger ist … 40 bis 50 Jahre alt, wohlproportioniert, stets rasiert, kein Interesse an Frauen, religiös, slawischer Herkunft, lebt mit….“), sondern vor allem mit seinem Postskriptum zum Gutachten. Es lautete: „Wenn Sie ihn festnehmen, wird er einen zugeknöpften Zweireiher tragen.“ So war es dann auch. Was zunächst wie Zauberei erscheint, macht Evans in seinem Buch nachvollziehbar.
Der Einsatz der DNA-Analyse ermöglichte die Identifizierung der russischen Zarenfamilie. Aber auch viele andere vertraute Fälle und Namen begegnen einem bei der Lektüre wieder. Colin Evans‘ Blickwinkel macht sie erneut spannend – sei es der Fall „Sacco und Vanzetti“ oder die „Hitler-Tagebücher“.
Übrigens: Sollten Sie je daran denken, einen Mord zu begehen, lesen Sie erst dieses Buch. Ich garantiere Ihnen: Sie glauben nicht mehr daran, unentdeckt zu bleiben. Eine Spur bleibt immer. Und irgendein Wissenschaftler könnte sie finden.
Colin Evans DIE LEICHE IM KREUZVERHÖR Erstaunliche Lösungen spannender Kriminalfälle Birkhäuser 1998 379 S., DM 49,80
Walter Kindermann / Colin Evans