Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Verzerrte Wirklichkeit

Allgemein

Verzerrte Wirklichkeit

Vielleicht ist es Ihnen auch schon so ergangen: Sie stehen als Fußgänger an einer Straße und schauen auf das Bild eines Fahrrads. Ein auf die Straße aufgesprühtes Fahrrad. Es sieht irgendwie merkwürdig aus, schief und verzerrt. Hat hier jemand beim Malen nicht aufgepaßt?

Wie ein Fahrrad aussieht, wissen Sie. Und Sie denken, daß man einfach ein korrekt gezeichnetes Fahrrad maßstabsgetreu auf den Asphalt übertragen müßte. So schwer kann das ja nicht sein.

Dies ist hier aber offenbar nicht gelungen. Irgendwie ist das Fahrrad grundsätzlich verschoben. Sie können das so sehen, Sie haben recht – von Ihrem Standpunkt als Fußgänger, der direkt daneben steht und auf das gezeichnete Fahrrad hinunterschaut.

Es gibt aber auch andere Blickwinkel: Wenn sich ein Autofahrer nähert und auf das Fahrrad am Boden blickt, sieht er – aus einer bestimmten Entfernung – das Objekt richtig. Es sieht aus wie ein ganz normales Fahrrad. Alles paßt zusammen, alle Proportionen stimmen.

Des Rätsels Lösung heißt Perspektive. Das Bild ist nicht mißlungen, vielmehr wurde das Fahrrad absichtlich so unproportional gezeichnet, daß es nur aus der Ferne „richtig” aussieht. Es wurde nach präzisen Regeln perspektivisch verzerrt.

Anzeige

Wie können wir uns das vorstellen? Wann empfinden wir zwei Strecken als gleich lang? Ganz einfach: Wenn wir die Endpunkte der beiden Strecken unter dem gleichen Winkel sehen. Alle Strecken, die wir unter einem Winkel von – sagen wir – zehn Grad sehen, nehmen wir als gleich lang wahr. Konkret heißt das: Wenn das Fahrrad maßstabsgetreu („korrekt”) auf eine senkrechte Fläche gezeichnet worden wäre, würden wir die Teile des Fahrrads, die gleich lang gezeichnet sind, auch als (ungefähr) gleich lang wahrnehmen.

Nun liegt das Fahrrad aber auf dem Boden. Wenn wir es aus einer bestimmten Entfernung betrachten, erscheint eine Strecke von zehn Zentimetern, die vorne, also „unten am Fahrrad” liegt, unter einem größeren Winkel als eine Strecke von zehn Zentimetern, die sich weiter hinten („oben am Fahrrad”) befindet. Die Strecke, die sich weiter hinten befindet, erscheint uns kürzer.

Für die perspektivische Darstellung dreht man den Spieß um: Man zeichnet Strecken, die weiter hinten liegen, entsprechend länger. So werden aus der Entfernung alle Strecken, die bei einem echten Fahrrad gleich lang sind, unter dem gleichen Winkel gesehen – erscheinen also gleich lang.

Die Kunst des perspektivischen Zeichnens wurde vor über 500 Jahren in Italien erfunden. Damit konnten die Maler auf der zweidimensionalen Leinwand dreidimensionale Räume darstellen. Diese räumliche Wirkung muß damals eine Sensation gewesen sein.

Wissen Sie, wo Sie spektakuläre, perspektivisch verzerrte Darstellungen sehen können? Schauen Sie sich bei der nächsten Fernsehübertragung eines Fußballspiels die Werbeflächen an den Torauslinien an. Diese Flächen scheinen senkrecht zu stehen, befinden sich aber in Wirklichkeit flach auf dem Rasen. Die Perspektive wurde so gewählt, daß aus Sicht der einen Fernsehkamera alles perfekt aussieht. Wenn Sie die Situation aber aus Sicht einer anderen Kamera vorgesetzt bekommen, erkennen Sie, daß die Werbung verzerrt und flach am Boden liegt. Achten Sie mal darauf.

Albrecht Beutelspacher

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

♦ Hy|dra|zi|de  〈Pl.; Chem.〉 salzartige Verbindungen des Hydrazins

♦ Die Buchstabenfolge hy|dr… kann in Fremdwörtern auch hyd|r… getrennt werden.

Stern|wurm  〈m. 2u; Zool.〉 Angehöriger einer Gruppe von meeresbewohnenden Würmern, die einen sackförmigen Körper u. eine Rüsselbildung am Vorderkörper gemeinsam haben: Gephyreae

hy|per|bar  〈Adj.; Phys.〉 ein größeres spezifisches Gewicht besitzend als eine andere Flüssigkeit [<grch. hyper … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige