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SPÜRHUND FÜR BLUT-COLTAN

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SPÜRHUND FÜR BLUT-COLTAN
Die Rebellenarmeen im Ost-Kongo finanzieren ihr Terrorregime durch den Verkauf eines seltenen Erzes. Jetzt wollen engagierte deutsche Geowissenschaftler und eine Firma ihnen das Geschäft verderben.

FRANK MELCHER sortiert auf seinem Labortisch Dutzende durchsichtiger, sorgfältig beschrifteter Gläschen. Sie sind mit Proben eines bröseligen schwarzen Gesteins gefüllt: Coltan. Dieses Mineral enthält Tantal, ein sehr seltenes Metall, das die Informationstechnik-Industrie für die Herstellung von Spezialkondensatoren für Mobiltelefone, Digitalkameras und Spielkonsolen benötigt. Es ist die vielfältigste Coltan-Sammlung weltweit, die der Geologe Melcher hier verwaltet: 650 Proben von 230 Standorten aus 36 Ländern hat er an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover zusammengetragen und genauestens im Labor untersucht. Aber weder Sammelwut noch rein wissenschaftliches Interesse haben ihn dabei getrieben. Frank Melcher will, dass sich etwas ändert – 7000 Kilometer entfernt in Zentralafrika.

Mehr als die Hälfte des 2008 auf dem Weltmarkt verfügbaren Coltans stammte aus Afrika, drei Viertel hiervon aus dem Kongo. Melcher hat vor Ort gesehen, wie die Menschen nach den Coltan-Körnern graben: an rutschigen Hängen und in offenen Steinbrüchen, mit abgenutzten Hacken und Spaten. Er hat von den Minenarbeitern gehört, wie sie Kollegen und Verwandte verloren haben, als in der Regenzeit die senkrecht in den Boden gegrabenen Löcher zusammengebrochen sind. Und der Geologe weiß, dass die Kriegsparteien im Osten des Kongo viele dieser Kleinminen unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Zwischenhändler zahlen gutes Geld für das schwarze Mineral, bevor sie es säckeweise mit kleinen Flugzeugen und Hubschraubern an die Grenze zu Ruanda und Uganda schaffen. Das eingenommene Geld investieren die Milizen in neue Waffen und bauen damit ihre Terrorherrschaft in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu aus. Zentralafrikas Rohstoffreichtum ist längst zum Fluch geworden. Bei den bewaffneten Konflikten des vergangenen Jahrzehnts haben Millionen Afrikaner ihr Leben verloren. Mehr als 1,8 Millionen Menschen sind im Osten Kongos auf der Flucht, schätzt das Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen. Große Teile der Bevölkerung leben in ständiger Angst. Soldaten überfallen nachts die Dörfer, vergewaltigen und massakrieren die Menschen mit unfassbarer Grausamkeit. Und der Treibstoff, der das Grauen in Zentralafrika seit Jahren in Gang hält, ist der Coltan-Handel.

DER BEWEIS DER HERKUNFT

Um den zu stoppen, hat Frank Melcher gemeinsam mit seinen BGR-Kollegen einen „geochemischen Fingerabdruck“ für Coltan entwickelt – das ist ein Novum im Rohstoffsektor. Mit modernen Analyseverfahren kann er eindeutig bestimmen, aus welchem Coltan-Vorkommen weltweit ein Mineralkörnchen stammt. Damit wird prüfbar, ob die Herkunft einer Erzlieferung mit den Angaben auf dem Lieferschein übereinstimmt. Wenn die Weltgemeinschaft sich entschließen würde, die Schmuggelware aus dem Kriegsgebiet im östlichen Kongo zu ächten – das ist bislang nur teilweise der Fall –, wäre es jetzt erstmals messtechnisch praktikabel, das blutige Coltan aus dem Handel zu ziehen. Bislang können die Händler das Erz falsch deklarieren, ohne dass man ihnen auf die Schliche kommt.

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Allerdings ist die Fingerabdruck-Methode sehr aufwendig. Für eine eindeutige Diagnose sind langwierige Messreihen an teuren Hightech-Geräten in den Speziallabors der BGR nötig. Um die Proben zunächst mineralogisch zu bestimmen, analysiert Melcher großformatige bunte Elektronenmikroskop-Aufnahmen, die ein wenig an Terrazzo-Böden erinnern. Für die Altersbestimmung des Materials schießen seine Kollegen mit einem schrankgroßen Excimer-Laser winzige Krater in die Coltan-Proben. Das Material, das dabei verdampft, leiten sie in ein Massenspektrometer. Die Apparatur misst die Konzentrationen bestimmter chemischer Elemente. Besonders viel Zeit verbringt Melcher an der Elektronenstrahl-Mikrosonde. Das Gerät richtet einen gebündelten Elektronenstrahl auf verschiedene Punkte einer Coltan-Probe. Über die Röntgenstrahlen, die dabei entstehen, ist eine Feinanalyse sämtlicher chemischer Elemente möglich, die sich in einer Probe befinden. Die Messungen dauern Tage, das anfallende Datenmaterial ist gewaltig. Aber das präzise Elemente-Verhältnis in der Probe, das dabei am Ende herauskommt, ist charakteristisch für jedes Coltan-Abbaugebiet.

MELCHER GEHT ALLES ZU LANGSAM

Für sein Projekt ist Melcher nicht nur viel in Afrika unterwegs, sondern auch auf den langen Fluren der BGR. Er tauscht sich mit Geologen und Technikern anderer Abteilungen aus, lobt gute Arbeit, versprüht Begeisterung, fragt um Rat. Und wenn abends die meisten Kollegen längst nach Hause gegangen sind, sorgt Melcher noch für Ordnung in den Messdaten, programmiert Auswertungsverfahren, pflegt seine große Coltan-Datenbank. In der Fachwelt hat Melcher mit dem Fingerabdruck für Coltan viel Beachtung gefunden. Immerhin versuchen andere Wissenschaftler schon seit Längerem Ähnliches für Diamanten – bislang ohne Erfolg. Doch der engagierte Geologe will das Verfahren endlich in der Praxis sehen. „Mir geht die Entwicklung viel zu langsam“, sagt er. Das Fingerabdruck-Projekt ist Teil eines geologisch-politischen Maßnahmenpakets, mit dem die BGR und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sich um mehr Transparenz und Nachhaltigkeit im Rohstoffsektor bemühen. Dazu zählt auch der Aufbau von „zertifizierten Handelsketten“: Wenn Firmen nachweisen können, dass sie ihre Produkte nach sauberen Standards herstellen und ausliefern, sollen sie dafür ein Zertifikat erhalten, ein Gütesiegel.

Schon seit den 1990er-Jahren protestieren Menschenrechts- und Umweltorganisationen gegen die kriegsfördernden Coltan-Importe aus Afrika. „Kein Blut auf meinem Handy“, lautete der Slogan einer belgischen Kampagne. Der öffentliche Druck half. IT-Hersteller und Mobilfunk-Unternehmen wie Apple, Intel, Nokia und Sony verlangen heute von ihren Zulieferern, dass an dem Tantal, mit dem sie arbeiten, kein Blut klebt. Aber kontrollieren können sie die Zusagen ihrer Lieferanten bislang nicht. Einige Hilfsorganisationen fordern deshalb ein komplettes Handelsverbot für kongolesische Bodenschätze, beispielsweise David Kapuya von der Kongo-Hilfsorganisation „Dialog International“ in Düsseldorf. Er beklagt: „Ein Embargo wäre prinzipiell möglich, aber es fehlt international der politische Wille.“

BITTER NÖTIGE EINKOMMENSQUELLE

Andere Experten halten ein komplettes Embargo sogar für schädlich. Untersuchungen der interkulturellen Forschungseinrichtung Pole Institute in Goma kommen zu dem Schluss, dass das Land durch den geregelten Verkauf von Rohstoffen stabilisiert werden könnte. Frank Melcher sieht das aufgrund seiner intimen Landeskenntnis genauso. Immerhin leben derzeit etwa zehn Millionen Menschen im Kongo vom Kleinbergbau. „ Man kann den Leuten nicht einfach die Existenzgrundlage entziehen“ , findet der Hannoveraner Forscher. „Vielmehr sollten wir für angemessene Arbeitsstandards und Prüfmechanismen sorgen, die es möglich machen, saubere Rohstoffe von dort zu kaufen.“

Sauberes Coltan wünscht sich auch der Spezialpulverhersteller H.C. Starck im niedersächsischen Goslar. Auf dem Betriebsgelände ist die Anlieferung des kostbaren Tantal-Rohstoffs ein gewohntes Bild. Ein Gabelstapler lädt blaue, bierfassgroße Behälter von einem Lkw ab und fährt mit ihnen in eine lärmerfüllte Halle. Hier werden die schwarzen Brocken in Mühlen zu feinem Staub gemahlen. Flusssäure, eine aggressive Chemikalie, scheidet anschließend das Tantal vom restlichen Erz. Am Ende des Verfahrens bleibt ein feines schwarz-graues Pulver übrig: reines Tantal.

IN ZINN-SCHLACKEN steckt viel TANTAL

In der Halle wird auch Recycling betrieben. Es lohnt sich zwar nicht, das kostbare Metall aus alten Kondensatoren herauszuholen, aber die Produktionsabfälle der Kunden von H.C. Starck dienen hier als willkommene Tantal-Quelle. Darüber hinaus kauft das Unternehmen die Schlacken älterer Zinn-Bergbaubetriebe auf, weil darin lohnende Mengen von Tantal zu finden sind. „Diese Form der Wiederverwertung macht einen signifikanten Anteil unserer Produktion aus“, sagt Joern Vogt. Wie viel genau, will der Geologe nicht verraten. Vogt ist zuständig für die Rohstoffstrategie bei H.C. Starck, und er lässt sich bei einkaufstaktischen Fragen nicht in die Karten schauen.

Das meiste Tantal-Pulver, das H.C. Starck produziert, wird für die Herstellung winziger Kondensatoren verwendet. Sie sind extrem leistungsfähig, zuverlässig und hitzebeständig. Die Konkurrenzprodukte werden zwar immer besser, etwa Kondensatoren aus Aluminium, Keramik oder Niob. „Insbesondere in der Consumer-Elektronik holen die Niob-Kondensatoren auf“, sagt Christoph Schnitter von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens. Doch bei Spezialanwendungen mit hohen Arbeitsspannungen, zum Beispiel in der Medizintechnik oder in der Luft- und Raumfahrt, gäbe es keine Alternative zum Tantal.

WEGEN BLUT-COLTAN AM PRANGER

H.C. Starck ist nicht nur für die Qualität seiner Metallpulver bekannt. Im Jahr 2000 hagelte es negative Schlagzeilen für das Unternehmen. Denn in einem Zwischenbericht der Vereinten Nationen wurde der Firma vorgeworfen, Coltan aus den Krisenregionen im Kongo bezogen zu haben. Menschenrechtsgruppen haben seither immer wieder Verstrickungen des Unternehmens in Afrika angeprangert. Doch bereits seit den ersten Vorwürfen arbeitete H.C. Starck mit dem UN-Gremium zusammen, und in der Abschlusspublikation wurde das Unternehmen unter den „geklärten Fällen“ gelistet. „Wir hatten bei Händlern gekauft, die uns zuverlässig erschienen“, erklärt Pressesprecher Manfred Bütefisch. „Aber sie hatten uns nicht die Wahrheit über die Herkunft ihrer Lieferung gesagt.“ Direkt nach dem UN-Bericht sei das Unternehmen dazu übergegangen, aus Afrika gar kein Tantal mehr zu kaufen.

Rohstoffmanager Joern Vogt war zu jener Zeit noch nicht bei H.C. Starck. Dennoch beeinflusst diese Vergangenheit heute seine Arbeit. Auf dem Tantal-Markt agieren weltweit nur wenige Firmen, und – so Vogt – die Wettbewerber versuchen nach wie vor, das Imageproblem der Goslarer Firma in einen Verkaufsvorteil für sich umzumünzen. Im Moment hat der Stratege aber andere Probleme. Die Wirtschaftskrise ist an der Metallpulver-Firma nicht spurlos vorübergegangen, und der bislang wichtigste Zulieferer, das australische Unternehmen Talison, hat seine Tantal-Produktion Ende 2008 eingestellt. „Auf dem Weltmarkt ist inzwischen der afrikanische Preis der Maßstab, und da konnten die Australier nicht mehr mithalten“, sagt Vogt. Der Preis pro Kilogramm, den Talison zuletzt verlangte, lag bei 80 US-Dollar pro Kilogramm Tantal-Rohstoff. In Zentralafrika ist das Material indes für deutlich weniger als ein Drittel dieses Preises zu haben.

BilligKONKURRENz AUS CHINA

Woher soll das Goslarer Unternehmen in Zukunft sein Coltan beziehen? Joern Vogt gibt sich gelassen: „Wir haben noch beträchtliche Vorräte auf Lager.“ Um sich in Sachen Zulieferer möglichst breit aufzustellen, verhandelt er inzwischen mit Partnern in Brasilien, beobachtet neue Explorationsvorhaben in Kanada, schaut sich im südlichen Afrika und in Ägypten um. Doch derweil erobert die chinesische Konkurrenz mit billigem Coltan aus dem Kongo immer größere Marktanteile, sowohl mit gehandeltem Tantal-Pulver als auch mit Kondensatoren. Für H.C. Starck und dessen amerikanischen Konkurrenten Cabot war das Material aus Zentralafrika in den vergangenen Jahren tabu. Negative Presse kann und will man sich nicht noch einmal leisten. Derzeit beschreitet H.C. Starck einen neuen Weg, in Zentralafrika wieder ins Geschäft zu kommen: selber abbauen. Das Unternehmen hat in Ruanda einen kleinen Bergwerksbetrieb namens Natural Resources Development Rwanda (NRD) übernommen. „Die beste Kontrolle besteht darin, den gesamten Prozess von der Förderung bis zur Verarbeitung zum Kondensator selbst in der Hand zu haben, ohne Zwischenhändler“, erklärt Vogt. „So ist ein Maximum an Transparenz möglich.“

NRD ist ein kleines Unternehmen, an dem mehrere Familien in Teams mitarbeiten. Das Goslarer Mutterunternehmen hat sie mit Helmen, Stiefeln und neuem Werkzeug ausgestattet. Alle Bergleute sind registriert und unfallversichert. Sie werden über einen kleinen Kiosk mit Lebensmitteln versorgt. Ein Bergmann steuert die Grabungsaktivitäten vor Ort. „Wir nehmen die produzierten Tantal-Konzentrate zu einem festen Preis ab“, erklärt Vogt. Er berich- tet gerne von diesem „kleinen Vorzeigebetrieb“, räumt aber ein, dass die Bergarbeiter dort noch weit entfernt seien von den arbeitsrechtlichen Standards, wie sie in Europa gelten. Und er betont, dass sich in Zentralafrika ein Großbergbau nach westlichem Vorbild nicht lohnen würde: Die Lagerstätten sind aufgrund der geologischen Bedingungen „nur für semi-industriellen Bergbau geeignet“.

WIRKLICH COLTAN AUS RUANDA?

Auch Frank Melcher hat die drei Konzessionen des Unternehmens in verschiedenen Landesteilen Ruandas besucht und Gesteinsproben nach Hannover mitgenommen. Das Material ist längst genauestens vermessen und als geochemischer Fingerabdruck in der Coltan-Datenbank gespeichert. Melcher kann also jederzeit prüfen, ob an der Rampe im Betriebshof von H.C. Starck in Goslar tatsächlich und ausschließlich Material von NRD ankommt.

Joern Vogt arbeitet gern mit Frank Melcher zusammen. Der junge Geologe mit den großen Zielen und der präzisen Messtechnik beeindruckt ihn. Er war dabei, als Melcher sein Fingerabdruck-Verfahren auf einer Tantal-Niob-Fachkonferenz in Shanghai vorstellte und plötzlich massive Kritik von Seiten der anwesenden Rohstoffhändler losbrach. Das Messverfahren sei zu aufwendig und insgesamt nicht praktikabel, hieß es. Melcher aber ließ sich nicht beirren, seine Methode und die neuen Zertifizierungsverfahren sachlich darzulegen.

ALLE WOLLEN DAS GÜTESIEGEL

Dass sich Widerstände überwinden lassen, zeigen die Fortschritte bei der zweiten Säule des BGR-Engagements. Im März 2009 hatten die Geologen aus Hannover einen Zertifizierungs-Workshop in Ruanda veranstaltet, zu dem sie alle zehn Bergbaubetriebe des Landes einluden. Auf die neuen Ideen reagierten die afrikanischen Firmenchefs zunächst reserviert. Inzwischen aber haben sich neben NRD vier weitere Bergbaufirmen gemeldet, die ihre Handelsketten für Tantal, Zinn und Wolfram prüfen lassen werden. „Plötzlich wollen alle dabei sein“, staunt die Geoökologin Gudrun Franken von der BGR. Sie erklärt sich dies mit dem Wunsch der Bergbaufirmen, nicht in ein schlechtes Licht zu geraten: „Sie haben Angst, eine Chance zu verpassen und gegenüber der Konkurrenz im Nachteil zu sein.“

Nun wird ein unabhängiger Auditor vor Ort prüfen, ob nach einem Jahr die vereinbarten Kriterien bezüglich Transparenz der Zahlungen und Transportwege, Arbeitsschutz, Sozial- und Umweltstandards tatsächlich erfüllt sind. Die ruandischen Behörden sähen die Entwicklung „mit Wohlwollen“ und arbeiteten an einem Gütesiegel für die Unternehmen, sagt Gudrun Franken.

Die Experten der BGR und der GTZ sind derzeit dabei, das Konzept der zertifizierten Handelskette ins Ursprungsland des blutigen Coltans zu übertragen, in die Demokratische Republik Kongo. Das ist ein ungleich aufwendigeres und riskanteres Unterfangen als das Pilotprojekt in Ruanda. Frank Melcher will als nächstes einen geochemischen Fingerabdruck für Zinn etablieren. Im Prinzip funktioniert das Verfahren bereits, sagt er. Aber schnell genug voran geht es ihm natürlich nicht. ■

JAN LUBLINSKI arbeitet als Wissenschaftsjournalist für Presse und Rundfunk. Für bdw berichtete er zuletzt über das Mathe-Genie Grigory Perelman.

von Jan Lublinski

KLEINBERGBAU UND KONFLIKTE

Zusammen mit ihren Familien leben rund 20 Millionen Afrikaner von nicht-industriellem Kleinbergbau. In der Demokratischen Republik Kongo sind es bis zu 2 Millionen direkt Beschäftigte und ungefähr 10 Millionen wirtschaftlich Abhängige. In Krisengebieten profitieren Warlords und ihre Armeen von der Kontrolle über die Arbeiter: Sie finanzieren mit ins Ausland verschobenen Diamanten, Gold und Coltan ihre Waffenkäufe.

GUT ZU WISSEN: COLTAN

Coltan ist ursprünglich ein afrikanisches Slangwort. Der Name wird inzwischen weltweit für Mineralkonzentrate mit hohem Tantal- und Niob-Anteil verwendet, der Fachbegriff ist Columbit-Tantalit. Die Metalle Tantal und Niob haben ähnliche Eigenschaften.

Tantal wird als Zugabe für besonders harte Stähle verwendet, etwa in Raketen, Kernreaktoren, medizinischen Instrumenten oder Turbinenschaufeln. Auch bei der Herstellung von Frequenzfiltern für Mobiltelefone und von stark brechenden Linsen, etwa an Bord des Hubble-Weltraumteleskops, wird Tantal (beziehungsweise Tantaloxid) in sehr geringen Mengen beigegeben. Der größte Markt sind kleine, leistungsfähige Kondensatoren. Das „Schwestermetall“ Niob wird ebenfalls in Speziallegierungen und Kondensatoren eingesetzt, außerdem in der Supraleiter-Technologie.

Insgesamt ist der Markt für beide Metalle erstaunlich klein: Nur etwa 2000 Tonnen Tantal werden pro Jahr produziert und verbraucht, was einem Würfel mit einer Kantenlänge von fünf Metern entspricht. Bei Niob sind es etwa 70 000 Tonnen. Wegen der großen Nachfrage für Mobiltelefon-Kondensatoren stieg 2001 der Preis für ein Kilogramm Tantal-Rohstoff (Tantaldioxid) kurzfristig auf 440 US-Dollar pro Kilogramm.

KOMPAKT

• Erstmals ist es per Laboranalyse möglich herauszufinden, woher eine Lieferung des Erzes Coltan stammt.

• Deutsche Experten erproben die neuen Methoden derzeit in Ruanda und wollen sie bald auch im Kongo einsetzen.

• Zertifizierte Handelsketten sollen den Kauf von „Blut-Coltan“ unterbinden.

POTENTE SCHWÄMME

Für die Herstellung der kleinsten Tantal-Kondensatoren werden wenige Dutzend Tantal-Körner, jedes nur einen Mikrometer groß, verschmolzen und in einem mehrstufigen chemischen Verfahren zu mikroskopisch kleinen Schwämmen umgeformt. In der Massenproduktion muss das feine Tantal-Pulver sehr gleichmäßig in eine Hochgeschwindigkeitspresse rieseln, damit jeder Kondensator die exakt gleiche Menge an Tantal und somit die gleichen elektrischen Eigenschaften erhält. Der Metallschwamm entspricht einer der Platten beim klassischen Kondensator. Durch die enorme Oberflächenvergrößerung wegen der Schwammstruktur lässt sich die Tantal-Anode sehr schnell mit vielen elektrischen Ladungen auf- und wieder entladen. Die hohe spezifische Kapazität – verbunden mit dem Vorteil extremer Miniaturisierung – macht Tantal-Kondensatoren so begehrt.

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LESEN

Gründlich recherchiertes Buch zur Geschichte des Kongos und seiner Konflikte: Dominic Johnson KONGO Kriege, Korruption und die Kunst des Überlebens Brandes & Apsel Frankfurt am Main 2009, € 19,90

Packende Reisebeschreibung eines britischen Reporters aus dem Kongo: Tim Butcher BLOOD RIVER Ins dunkle Herz des Kongo National Geographic Taschenbuch/ Frederking & Thaler, Köln 2008, € 14,95

„DIE GLEICHE LÖSUNG“

Sie engagieren sich für den Naturschutz in Ostafrika, auch im Kriegsgebiet des Kongo. Von dort ging ein Foto von einem toten Berggorilla um die Welt.

Er wurde erschossen. Wir vermuten, dass die örtliche Holzkohle-Mafia dahinter steckte. Die Ranger im Virunga-Nationalpark im Osten Kongos, mit denen wir vor Ort eng zusammenarbeiten, wollten den Baumbestand schützen. Allein im Virunga-Nationalpark sind in den vergangenen Jahren 110 Ranger im Dienst umgebracht worden.

Wie geht es den Rangern in dieser gesetzlosen Zone im Moment?

Die meisten von ihnen mussten fliehen, als es in der Region zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam. Sie waren monatelang in einem Flüchtlingslager bei Goma untergebracht. Inzwischen hat sich die Situation zum Glück entspannt, die Ranger konnten auf ihre Posten zurückkehren.

Wie viele Berggorillas haben die Anarchie im Ost-Kongo überlebt?

Die Lage im Virunga-Park hat sich 2009 etwas beruhigt. Die Gesamtzahl der Tiere in der Region ist mit 750 etwa konstant geblieben. Unter anderem, weil in den uns bekannten Affengruppen im Park 10 neue Babys geboren wurden.

Naturschutz ist eine gute Sache. Aber ist es mitten in einem Krieg nicht viel wichtiger, die Menschen zu schützen als die Tiere?

Die Lösung für die Gorillas ist doch die gleiche wie für die Menschen! Die Auseinandersetzungen müssen beendet und die Kämpfer entwaffnet werden. Wir brauchen faire Arbeitsbedingungen in den Minen, Umweltstandards und einen kontrollierten Tourismus. Der Virunga-Park ist eines der reizvollsten Gebiete Afrikas. Solange die Affen noch da sind, werden sich auch die Menschen für diese Gegend interessieren.

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  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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