Schönheit ist eine Zumutung. Bedrängt von Supermodels mit ebenmäßigen Gesichtern und idealen Maßen, die von den Werbeflächen herablächeln, muss sich der Alltagsmensch bedürftig fühlen. Und so vertraut sich mancher dem Messer des Chirurgen an, der richten soll, was der Natur vermeintlich misslang. Dies geschah in Deutschland allein im Jahr 2007 über 130 000 Mal, gibt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie bekannt. Auch weniger drastische Verschönerungsmaßnahmen sind beliebt: Über elf Milliarden Euro haben die Bundesbürger im Jahr 2007 in Körperpflegeprodukte und dekorative Kosmetika investiert – die Kosmetikindustrie kennt keine Rezession.
Wer gesellschaftlich mithalten und erfolgreich sein will, muss attraktiv, schlank und gepflegt sein. Dieser Anspruch kostet nicht nur Geld, er geht auch mit Arbeit einher: Arbeit am Körper. Denn das Aussehen ist längst nicht mehr etwas, was man mehr oder weniger selbstbewusst hinnehmen muss. Es hat Projektstatus erhalten. Und je mehr Arbeit man in dieses Projekt steckt, desto größer ist der Nutzen, den man erwartet: Die Elite des 21. Jahrhunderts ist tendenziell schön.
Die Soziologin Waltraud Posch hat das „Projekt Körper“ zum Thema ihres Buches gemacht. Sie fragt, warum und wie das Schönheitsideal auf so viele Menschen wirkt: von der Schönheit als Mittel zum Zweck über die Schönheit in der Politik bis hin zur Schönheit in der alternden Gesellschaft. Sie betrachtet den alltäglichen Umgang mit dem Körper – etwa das modische Enthaarungsritual – und zeigt auf, was mit Menschen geschieht, die fortwährend mit der Botschaft konfrontiert werden, dass ein geschöntes Äußeres wichtig ist für ihr soziales, berufliches und privates Überleben. Dabei wählt sie einen strikt soziologischen Blickwinkel und verzichtet auf die hinlänglich bekannten biologischen oder evolutionstheoretischen Hintergründe. Dafür steckt sie das Feld „Körpersoziologie“ umfassend ab, das wissenschaftlich bislang kaum beachtet wurde.
Waltraud Posch belegt überzeugend, wie sehr wir alle einem Schönheitsideal verfallen sind, das mit allen Mitteln und Methoden umgesetzt wird. Die Allmacht der Schönheit macht Angst. Doch das Buch trägt in wohltuend sachlicher Weise dazu bei, äußerlich auferlegte Zwänge zu erkennen und sich der kritiklosen Erfüllung so mancher Schönheitsnorm zu verweigern. Claudia Eberhard-Metzger
Waltraud Posch PROJEKT KÖRPER Campus, Frankfurt/Main 2009 261 S., € 24,90 ISBN 3–593–38912–6