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Ein Menschenleben im All

Astronomie|Physik Gesellschaft|Psychologie

Ein Menschenleben im All
Markanter Meilenstein der bemannten Raumfahrt: Bis zum September 2004 waren Astronauten und Kosmonauten so lange im Weltraum, wie ein Mensch im Durchschnitt lebt.

75 Jahre alt wird ein deutscher Mann im Schnitt – das besagen die Daten des „World Population Data Sheet“ der UNO. Genau so lange ist die Zeit, die Menschen – addiert über alle Raumfahrer – bis heute in Raumschiffen und auf Orbitalstationen verbracht haben.

Jeden Tag kommen zwei weitere Lebenstage im All hinzu. Dafür sorgt die Dauerbesatzung der Internationalen Raumstation ISS von derzeit zwei Mann. Sie wurde zuletzt am 19. April ausgetauscht, als Michael Foale (USA) und Alexander Kaleri (Russland) den Amerikaner Mike Fincke und den Russen Gennadi Padalka in dem fliegenden Wohnbau und Forschungslabor ablösten. Der nächste Wachwechsel ist für Mitte Oktober geplant.

Seit dem Unglück des Space Shuttles Columbia im Februar 2003 fliegen ausschließlich russische Sojus-Kapseln zu der Station, die die Erde in etwa 400 Kilometer Höhe alle 90 Minuten einmal umrundet. Seit 1998 wird die ISS im Orbit zusammengebaut, eine ständige Besatzung beherbergt sie seit November 2000.

Zuvor sammelten vor allem die Russen fast 15 Jahre lang Erfahrungen mit Aufenthalten im All – auf der Raumstation MIR, die im März 2001 durch einen gezielten Absturz zerstört wurde. An Bord der MIR erfuhren auch manche Kosmonauten, dass man bei einem längeren Besuch im Weltraum einschneidende Umwälzungen auf der Erde schlicht verpassen kann. Zum Beispiel Sergej Krikaljow, der im Mai 1991 als Sowjetbürger zu der Station startete und 311 Tage später als Bürger der Republik Russland wieder zur Erde zurückkehrte. Die UdSSR, die ihn ins All entsandt hatte, existierte nicht mehr.

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Der Startschuss für das Zeitalter der bemannten Raumfahrt fiel am 12. April 1961, als die damalige Sowjetunion den 27-jährigen Juri Gagarin mit der Raumkapsel Wostok-1 in den Weltraum schoss. Gagarin blieb 108 Minuten weg von der Erde. Auf einer elliptischen Umlaufbahn, die ihn bis in eine Höhe von 237 Kilometer führte, umkreiste er den blauen Planeten genau einmal. Durch diesen Erfolg hatten die Sowjets den Wettlauf mit den Amerikanern um den ersten Menschen im All für sich entschieden. 23 Tage nach dem Ausflug von Gagarin, am 5. Mai 1961, brachten die USA mit Alan Shepard hektisch den ersten Amerikaner in den Weltraum. Doch mit Gagarin konnte es Shepard nicht aufnehmen: An Bord der Raumkapsel Mercury-3 flog er während eines nur 15 Minuten dauernden Kurztrips auf einer ballistischen Bahn 187 Kilometer hoch, gelangte dabei jedoch nicht in einen Orbit. Ehe mit John Glenn erstmals auch ein US-Astronaut die Erde umrundete, vergingen weitere neun Monate.

Glenn ist zugleich der älteste Astronaut, der je im All unterwegs war. Denn 36 Jahre nach seinem Flug mit der Sonde Mercury-7 wagte er sich im Oktober 1998 auf dem Space Shuttle Discovery noch einmal hinaus in die Schwerelosigkeit – im Alter von 77 Jahren. Der jüngste Raumfahrer der Geschichte war dagegen ein Russe: German Titow zählte erst 25 Lenze, als er im August 1961 mit Wostok-2 – als vierter Mensch überhaupt – zu einem Raumflug startete.

Insgesamt waren bis September 2004 exakt 435 Menschen aus 32 Ländern im All. Zuletzt kamen die Chinesen im Oktober 2003 als Raumfahrernation hinzu. Unangefochtener Spitzenreiter sind die USA: Sie schickten bislang 274 Menschen auf Raumfahrtmissionen. Russland folgt mit 96. Deutschland liegt mit 10 Raumfahrern vor Frankreich auf Platz drei. Als erster Deutscher hob am 26. August 1978 Sigmund Jähn aus der DDR an Bord der Raumkapsel Sojus-31 in den Weltraum ab. Erst fünf Jahre danach machte sich mit Ulf Merbold der erste Westdeutsche auf den Weg ins All – auf der später verunglückten US-Raumfähre Columbia.

Zählt man die Aufenthaltsdauer aller Raumfahrer zusammen, sind die russischen Kosmonauten führend. Sie bringen es auf über 45 Jahre. Damit haben sie fast doppelt so viel Zeit im Weltraum verbracht wie ihre amerikanischen Kollegen. Sergeij Awdejew kam bei vier Missionen auf insgesamt 748 Tage im All – das sind mehr als zwei Jahre. Den längsten zusammenhängenden Weltraumaufenthalt hat sein Landsmann Waleri Poljakow hinter sich, der von Januar 1994 an stattliche 427 Tage auf der MIR verbrachte.

Der Frauenanteil unter den bisherigen Raumfahrern ist bescheiden. Nur 39 von 435 – und damit etwa 9 Prozent – sind weiblichen Geschlechts. Vergleicht man die von Astronauten und Kosmonauten im All verbrachte Zeit, fällt das Verhältnis noch magerer aus: Nur gut 5 Prozent entfallen auf Raumfahrerinnen. Einen Frauenanteil von satten 100 Prozent hat Großbritannien zu bieten: Aus dem Vereinigten Königreich flog nur ein einziger Mensch ins All – eine Frau. Kanada bringt es immerhin auf eine Frauenquote von 25 Prozent, bei den Japanern sind es 20 Prozent. Die Russen kommen nur auf einen Frauenanteil von 3 Prozent. Allerdings war die erste Frau im Weltall eine Russin: Valentina Tereschkowa machte sich am 16. Juni 1963 auf zu einem etwas mehr als zwei Tage langen Raumflug. Aus Deutschland ist bislang noch keine Frau ins All gestartet.

Etliche Raumfahrer verließen die schützende Hülle ihrer Kapsel – als Erster Alexeij Leonow im März 1965. Auf insgesamt 294 Ausstiegen und Weltraumspaziergängen verbrachten Raumfahrer bislang zusammen fast 60 Tage außerhalb von Sonden und Stationen. Spektakulär waren die Erkundungstouren amerikanischer Astronauten auf dem Mond während des Apollo-Programms.

Doch die bemannte Raumfahrt erfuhr während der vergangenen 33 Jahre auch dramatische Rückschläge. Immer wieder ereigneten sich Unglücke, bei denen auch etliche Menschen starben. Der erste Raumfahrer, der während einer Mission sein Leben ließ, war der Sowjetrusse Wladimir Komarow. Er startete im April 1967 mit der Raumkapsel Sojus-1 ins All. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre versagte der Bremsfallschirm: Er öffnete sich nicht, und statt sanft zu landen, fiel die Kapsel wie ein Stein zu Boden und zerschellte. Rund vier Jahre später endete erneut eine sowjetische Mission in einem Desaster. Nach 23 Tagen Aufenthalt auf der Raumstation Saljut-1 versagte ein Ventil der Raumfähre Sojus-11, die Georgij Dobrowolskij, Viktor Patsajew und Wladislaw Wolkow zurück zur Erde befördern sollte. Die Atemluft entwich in den Weltraum. Die drei Kosmonauten erstickten in der Kapsel.

Viele haben noch die schrecklichen Bilder des Space Shuttle Challenger in Erinnerung, das am 28. Januar 1986 rund 70 Sekunden nach dem Start in 14 Kilometer Höhe explodierte. Alle sieben Astronauten an Bord starben. Das jüngste Unglück in der Raumfahrt geschah am 1. Februar 2003. Wiederum wurden sieben Menschen getötet, und erneut wurde ein Space Shuttle zum Grab: Die Raumfähre Columbia zerbrach etwa 15 Minuten vor der geplanten Landung in der Luft.

Seit der Columbia-Tragödie gelten die Perspektiven der bemannten Raumfahrt als unsicher. Die NASA stoppte die Flüge mit den Space Shuttles, der weitere Aufbau der ISS geriet ins Stocken. Doch es gibt neue Pläne von US-Präsident Bush zur Errichtung einer festen und ständig bewohnten Mondbasis. Ob sie Realität werden, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Raumfahrtnationen noch stärker als bisher an einem Strang ziehen. ■

Ralf Butscher

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