Im Erdinnern tobt ein Kampf. Im äußeren Erdkern – dem „Dynamo” der Erde, wo der Hauptteil des Erdmagnetfelds entsteht – haben sich mehrere Regionen gebildet, in denen Magnetfeldlinien mit „ falscher” Richtung erzeugt werden. Eine Gruppe um Gauthier Hulot vom Institut de Physique du Globe de Paris hat kürzlich bei der Auswertung von Satellitendaten festgestellt, dass zwei dieser „ Antidynamos” besonders produktiv sind. Der eine befindet sich unter der Südspitze Afrikas, der andere unter dem Nordpol. Wenn diese Antidynamos miteinander verschmelzen, könnten sie eine Umpolung des Erdmagnetfeldes auslösen.
Innerhalb der letzten 150 Jahre hat die Stärke des Magnetfeldes der Erde um insgesamt zehn Prozent abgenommen (bild der wissenschaft 9/2002, „Brüchiger Schild”). Unter der Annahme, dass die Antidynamos während dieser Zeit gewachsen und gleichzeitig polwärts gewandert sind, können Modellrechnungen die beobachtete Abnahme erklären. Konkrete Hinweise auf regionale Unterschiede bei der Richtungsänderung des Erdmagnetfeldes hat jetzt Bradford Clement von der Florida International University in Miami gefunden.
Clement hat 30 Sedimentbohrkerne aus Ozeanböden von verschiedenen Regionen der Weltmeere untersucht. „Selbst im tiefsten Ozean, weit entfernt vom Land, findet man magnetische Minerale, die vom Wind verweht wurden. Wenn diese Minerale auf den Meeresboden sinken, ordnen sie sich in Richtung des Erdmagnetfelds an”, erklärt Clement. Ihn interessierte insbesondere, wie lange die letzte Umkehr des Erdmagnetfeldes vor 790 000 Jahren dauerte.
Sein überraschendes Ergebnis: Die Umpolung dauerte unterschiedlich lange, abhängig davon, wie weit die jeweilige Fundstelle vom Äquator entfernt ist. Direkt am Äquator war der Wechsel der Magnetfeldrichtung nach etwa 2000 Jahren beendet. In den mittleren Breiten entsprach die Schichtdicke in den Bohrkernen, innerhalb der die magnetischen Minerale ihre Ausrichtung umkehrten, dagegen einem Zeitraum von bis zu 10 000 Jahren.
„Die heutige Anordnung der Antidynamos, die Hulot entdeckt hat, könnte durchaus zu Clements Ergebnissen passen und somit eine bevorstehende Umpolung des Erdmagnetfeldes anzeigen”, erläutert der Geophysik-Professor Peter Olson von der Johns Hopkins University in Baltimore. „Leider liefert Clements Studie nicht die entscheidende Information, nämlich den relativen zeitlichen Ablauf der Umpolungen abhängig vom Breitengrad. Dafür sind wir noch auf Computermodelle angewiesen.” Ein solches Modell hat Olson zusammen mit Johannes Wicht vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau entwickelt.
„Wir haben einen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen von Antidynamos und einer folgenden Umkehr des Magnetfelds gefunden”, sagt Wicht. „Dort, wo die Antidynamos zuerst sichtbar werden, scheint die Umkehrung schneller abzulaufen. Das passt zu Clements Entdeckung, dass sich das Feld am Äquator schneller umpolt. Ich habe inzwischen mit Clement Kontakt aufgenommen und wir sind dabei, unsere Ideen zu vergleichen.” Und er fügt beruhigend hinzu: „Allerdings ist das Auftauchen solcher Antidynamos alle paar Tausend Jahre wohl üblich. Es muss keinesfalls bedeuten, dass eine Umpolung unmittelbar bevorsteht.” ■
Axel Tillemans