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IM THERAPIE-DSCHUNGEL

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

IM THERAPIE-DSCHUNGEL
In einem fort werden Therapien und Programme gegen „Burn-out“ aus der Taufe gehoben – neue Namen, neue Argumente, neue Hoffnungen. Wissenschaftlich geprüft sind bisher die wenigsten Angebote.

Kurz vor dem Zusammenbruch kommt Eva Lohmann morgens kaum noch aus dem Bett – „wie ein Magnet, der mich abstößt“ erscheint ihr der Arbeitsplatz. Über eine Stunde Fahrt, acht Stunden in einer Werbeagentur, in einem Job, der sie kreuzunglücklich macht. Trotz Festanstellung, trotz Gehaltserhöhung und obwohl viele Freunde Eva Lohmann in der Wirtschaftskrise um ihre Stelle beneiden. Sie hält durch, sehr lange, weil sie sich nicht traut, einen Schnitt zu setzen. Doch das Verharren kostet Kraft. Es strengt sie bald zu sehr an, Freunde zu treffen oder auch nur zu putzen. Zu Hause auf dem Sofa fließen die Tränen. Ihre Migräne kämpft sie mit Schmerzmitteln nieder. Sie fühlt sich wie ein Kaninchen in der Falle. Wenn ihr Leben an diesem Punkt zu Ende wäre, ihr wäre es recht.

In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an ihre Hausärztin. Diese diagnostiziert eine mittelschwere Depression und weist sie in eine psychosomatische Klinik ein. Dort stellt man zusätzlich ein „Burn-out“ fest. Langsam kehrt in den folgenden zwei Monaten Eva Lohmanns Lebenslust zurück. Aus ihren Tagebuchaufzeichnungen entsteht später ein autobiografischer Roman. Die Verlage reißen sich um das Manuskript. „Acht Wochen verrückt“ erscheint schließlich bei Piper. „Das ist eine Cinderella-Story“, sagt Lohmann. In ihrer Stimme schwingt zarte Fröhlichkeit: „Es schließt sich eine Tür, und eine neue öffnet sich.“

Was hat Eva Lohmann mit 27 Jahren in tiefster Erschöpfung zu neuer Lebenskraft verholfen? Und, wissenschaftlich nachgehakt: Welche Therapien und welche vorbeugenden Maßnahmen haben sich auch bei anderen Patienten als wirksam erwiesen? Eva Lohmann kam in eine Klinik – wie viele Menschen, bei denen die Ärzte „ Burn-out“ diagnostizieren – ein umstrittener Begriff selbst unter Medizinern (siehe voranstehenden Beitrag „Aufstieg oder Ausstieg“ ). Je nachdem, welche Klinik es ist, werden unterschiedliche Formen der Psychotherapie praktiziert. Mal wird zusätzlich Autogenes Training, mal Yoga, mal Sport verordnet. Einigen Erschöpften gibt man Psychopharmaka, andere behandelt man mit Akupunktur. In Kursen lernen die Entkräfteten, Stress besser zu bewältigen. Es blüht ein bunter Garten der Behandlungen. „Es gibt keinen Goldstandard und kaum Studien zur Therapie des Burn-out“, begründet Barbara Hochstrasser, Psychiaterin in einer Privatklinik im schweizerischen Meiringen, die Vielfalt.

Sie hat selbst ein spezifisches Behandlungsprogramm gegen das Erschöpfungssyndrom entwickelt – eine Kombination aus Entspannungstechniken, Massagen, Bewegung sowie Akupunktur und kognitiver Verhaltenstherapie. Bei dieser Form der Psychotherapie geht es darum, stresstreibende und Burn-out begünstigende Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen sowie neue Handlungsmuster einzuüben.

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So leistungsfähig wie die anderen

Hochstrasser wollte wissen, wie gut ihr Programm wirkt. Zusammen mit Psychologen der Universitäten Bern und Zürich unterzog sie es einer kritischen Prüfung. 100 ehemalige Patienten der Meiringer Klinik wurden bis zu drei Jahre nach ihrer Entlassung befragt. Die gute Nachricht: Alle hatten ihre Erschöpfung überwunden und fühlten sich wieder so leistungsfähig wie die Allgemeinbevölkerung. 77 Prozent gingen einer Arbeit nach. Allerdings erhielten 9 Prozent eine Invalidenrente – und die Entlassenen neigten weiter zur Depressivität. Die Patienten fanden vor allem die Psychotherapie hilfreich. „Das besagt aber nichts über deren Wirksamkeit“, merkt Hochstrasser selbstkritisch an.

Burn-out-Behandlungen wurden bisher, wenn überhaupt, meist nur an arbeitsfähigen Beschäftigten ohne konkrete Burn-out-Diagnose getestet. Dabei wurde vor und nach der Maßnahme der Grad der Entkräftung oder des Stresses mit standardisierten Fragebögen erfasst. In einigen Studien stand die kognitive Verhaltenstherapie als Sieger da. Hochstrasser hält sie für die wirksamste Maßnahme schlechthin. Da sich diese Methode der Psychotherapie bei Depressionen mannigfaltig bewährt hat und Depressionen oft auf den Burn-out folgen, ist Rosmarie Mendel, Psychologin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, überzeugt: „Die Verhaltenstherapie reicht völlig aus, um den Patienten wieder auf die Beine zu stellen.“ Hochstrasser rät trotzdem zu ergänzenden Behandlungen, da der Burn-out komplex und individuell unterschiedlich ausgeprägt sei. Sie beruft sich auf eine Studie von Wilmar Schaufeli von der Universität Utrecht. Der Doyen der Burn-out-Forschung ersann 2005 ein Programm aus Bewegungs- und Entspannungstechniken, das er gegen die kognitive Verhaltenstherapie antreten ließ. Und siehe da, der Mix aus Bewegung und Entspannung schlug bei gestressten Beschäftigten an, wenn er der Psychotherapie auch leicht unterlegen war.

Johannes Beck von den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel arbeitet zurzeit eine Studie an 13 Männern mit Burn-out aus. Zwölf Wochen trainierten sie so viel, dass sie wöchentlich 17,5 Kilokalorien pro Kilo verbrannten. Ein normalgewichtiger Mann muss dafür viermal wöchentlich sechs Kilometer joggen. Der Sportsgeist wurde belohnt: Die Probanden schliefen besser und regenerierten sich seelisch deutlich. Becks Experiment ist allerdings eine einsame Perle. Handfeste Studien gibt es sonst kaum. Immerhin stützen einige Erkenntnisse die These, dass Sport der Seelenbalance hilft: Bewegung kann nachweislich leichte Depressionen beheben. Aufgrund der Nähe zur Depression ist Michael Sadre-Chirazi-Stark von den Hamburger Asklepios-Kliniken ohnehin der Ansicht: „Sämtliche Verfahren, die bei Depression sinnvoll sind, helfen auch bei Burn-out.“ Demnach sollte Entspannungstraining wie die progressive Muskelentspannung anschlagen. Dabei fokussiert man die Wahrnehmung auf eine bestimmte Muskelpartie, die im Wechsel bewusst angespannt und gelockert wird. Das in Köln beheimatete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zog 2009 Bilanz aus einem Dutzend aussagekräftiger Studien zur progressiven Muskelentspannung. Ergebnis: Die Methode lindert spürbar Depressionen.

ENERGIEFASS ODER STRANDKORB?

Ungeachtet der wenigen wissenschaftlichen Daten quillt die Ratgeberliteratur über von Wohlfühl- und Bewegungstipps. Fast jeder kennt Burn-out und hat schon deshalb einen guten Rat parat. Ganze Heerscharen von Coaches bieten ihre Dienste wider den Stress an. Nur zwei Beispiele aus dem Therapie-Dschungel: Vom „ Energiefassmodell“ – als Marke geschützt – erfahren die Zuhörer in den Seminaren von Michael Sadre-Chirazi-Stark in Hamburg: Wenn der Seelentank leer ist, muss man ihn füllen. Nach Sadre-Chirazi-Stark heißt das, Freundschaften, Hobbys und Familie pflegen und die innere Haltung zur Arbeit ändern. Denn der Psychiater sieht die größte Gefahr darin, sich nur über Arbeit und Leistung zu definieren. Das erinnert sehr an das Konzept der Work-Life-Balance, wonach Freizeit und Arbeit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. „Achtsamkeit ist ein neues Wort dafür“, erklärt Sadre-Chirazi-Stark. „Das heißt: Wenn ich Anzeichen von Stress wahrnehme, höre ich darauf und gönne mir Erholung.“ Achtsamkeit spielt – nebenbei bemerkt – auch in vielen Psychotherapien eine Rolle.

Gesundheitscoach Anke von Platen aus Hannover setzt dagegen auf das „STRANDKORB-PRINZIP“, ebenfalls eine eingetragene Marke. Jeder Buchstabe symbolisiert einen Leitsatz. Neben der Achtsamkeit analysiert die Ernährungswissenschaftlerin zum Beispiel Kommunikation und Arbeitsorganisation und zeigt Atemübungen zur Entspannung. Ein Schwerpunkt ist gesunde Ernährung. Bei Burn-out rät Anke von Platen mittags zu Suppe statt Salat, da die warme Mahlzeit beim Verdauen weniger Energie verbraucht. Doch die beiden Stressmanagement-Kurse wurden wie viele andere nie evaluiert. „Die Situation ist nicht zufriedenstellend“, kommentiert Psychologin Rosmarie Mendel. Rät sie trotzdem zu solchen Kursen? „Schwer zu sagen. Um etwas in Bewegung zu setzen, können sie durchaus ein Anfang sein.“

Angst vor Ärztepfusch

Immerhin gibt es erste Analysen von Antistress-Trainingsprogrammen. Ulla Walter, Sozialmedizinerin an der Medizinischen Hochschule Hannover, wertete vergangenes Jahr 25 Erhebungen zu Präventionsmaßnahmen gegen Burn-out aus. 20 Aufsätze berichten zwar von Besserungen, doch der positive Effekt lässt nach einiger Zeit nach. Walter hält die Kurse trotzdem für „ nützlich“ – und man könne sie ja auch nach einiger Zeit wieder auffrischen.

Schlechter fällt der Vergleich von Präventionskampagnen aus, den Laura McCray von der University of Vermont veröffentlichte. Sie beschränkte sich auf Programme, die Ärzte und Medizinstudenten darin schulen, mit dem eigenen Burn-out umzugehen. Ein pikantes Detail: Die meisten Maßnahmen dienen nicht dem Wohl der Mediziner, sondern der Patientensicherheit. Denn ausgepowerte Ärzte pfuschen eher. Von 1966 bis 2007 zählte McCray 190 Artikel zum Thema – darunter waren aber nur 9 aussagekräftige Studien. Die Medizinerin bemängelt: Oft fehle eine detaillierte Beschreibung der Stressmanagement-Maßnahme. Manche Studien hätten nur wenige Teilnehmer, und sie hätten zudem wahllos Freiwillige eingeschlossen. Repräsentativ seien sie also nicht. McCray warnt vor Fehlschlüssen aus den mal positiven, mal negativen Ergebnissen. Die Qualität der Studien lasse keine einzige Empfehlung zu, resümiert sie. Ein vernichtendes Urteil. Eines findet Kritikerin McCray allerdings „interessant“: In zwei der neun Studien stabilisierten Meditationstechniken bei Medizinstudenten die Stimmung und füllten die Energiereserven. „ Meditation könnte einem Burn-out erfolgreicher entgegenwirken als andere Verfahren“, mutmaßt McCray.

In dieselbe Richtung deutet eine Studie, die 2009 im renommierten Journal of the American Medical Association erschien. Sie untersuchte ein Präventionsprogramm, das im Wesentlichen aus einer „Achtsamkeitsmeditation“ bestand. Bei Sitz- und Gehmeditationen lernten die Teilnehmer, ihren Körper aufmerksam wahrzunehmen, ohne Körpersignale zu bewerten. Daneben umfasste das Programm zum Beispiel auch Kurse über die psychische Wirkung von Stress und einen Austausch über eigene Erschöpfungserfahrungen. Bei den 70 teilnehmenden Ärzten stabilisierte sich die Verfassung signifikant. Burn-out-Anzeichen gingen deutlich zurück. Hochstrasser glaubt an einen grundsätzlichen Zusammenhang. In ihrer Klinik ist Meditieren deshalb fester Bestandteil der Therapie. Sie verweist auf Ergebnisse mit einer standardisierten Form der Meditation, der „ achtsamkeitsbasierten Stressreduktion“.

Dabei übt man sich darin, sich seiner Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, diese nicht zu bewerten und wieder loszulassen, um vollständig im „Hier und Jetzt“ zu sein. Krankenschwestern mit Burn-out-Beschwerden profitierten laut zwei Studien von der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion. „Bei der Meditation lernt man seine Emotionen zu spüren, ohne sich in sie hineinzusteigern. Das verändert die Emotionsregulation, und man erlebt weniger Stress“, erläutert Hochstrasser. Einen anderen Ansatz hat der Arbeitspsychologe Klaus-Helmut Schmidt vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund: Er beschäftigt sich mit Wesenszügen, die vor Burn-out schützen. Als neue Erkenntnis nennt er die positive Wirkung von Selbstkontrolle. Damit meint er die Fähigkeit, die eigenen Gefühle in Schach zu halten. In einer laufenden Studie prüft er, ob eine Schulung der Gefühlsregulation wirklich vor dem Ausbrennen schützt.

trösten, loben, zuhören

Es gibt also gewisse Parallelen: Emotionen wertfrei anzunehmen, ohne sich darin zu verstricken – das wird beim Meditieren trainiert. In der kognitiven Verhaltenstherapie geht es im Kern darum, die Burn-out und Stress fördernde Wahrnehmung zu erkennen und zu verändern. Und Schmidt setzt auf Selbstkontrolle, damit die Gefühle nicht mit einem durchgehen. Emotionsregulation ist bisher jedoch selten Gegenstand von Coachings. Dort dominiert vielmehr das Konzept der Work-Life-Balance. Auch in anderen Punkten greifen die Praktiker die Erkenntnisse der Forscher bisher kaum auf. Mehrfach belegten Psychologen, dass mangelnde soziale Unterstützung am Arbeitsplatz, eine hohe Arbeitslast, großer Zeitdruck, ein Mangel an Spielräumen und an Feedback das Auslaugen begünstigen. Diese Faktoren haben vor allem Führungskräfte in der Hand. Die meisten Stressmanagementkurse richten sich aber an Mitarbeiter, nicht an Manager.

Der Züricher Psychologe Dirk Hanebuth hat in einer mehrjährigen Studie den Einfluss von sozialer Unterstützung gemessen. Demnach drängt eine um 20 Prozent intensivere Unterstützung seitens der Vorgesetzten erschöpfungsbedingte Erkrankungen um 10 Prozent zurück. Aufgrund dieser Erfahrung bot Hanebuth Führungskräften eines Pharmaunternehmens fünf Jahre lang Schulungen an, in denen er „uralte Tugenden vermittelte, wie trösten, loben, zuhören, die nötigen Arbeitsmittel bereitstellen und Ähnliches“. Die Burn-out-Belastung in dem Unternehmen ist signifikant zurückgegangen, wird Hanebuth in diesem Jahr publizieren.

Hanebuth, gelernter Industriemechaniker und promovierter Psychologe, kam auf Umwegen zur Burn-out-Forschung: 2005 wandte sich eine Personalassistentin an das Institut für Verhaltenswissenschaften der ETH Zürich, weil Topleute „umfallen“ würden. Hanebuth, damals Mitarbeiter am Institut, sollte helfen. Er erfuhr: In dem Unternehmen wurde Personal entlassen. Die Führungskräfte fürchteten um ihre Posten, wenn sie ihren desolaten seelischen Zustand offenbarten. Alles musste deshalb anonym ablaufen. Die Personalabteilung erfuhr nicht, welche Manager Hilfe in Anspruch nahmen. Die Firma zahlte eine erkleckliche Summe, damit das Management wieder „funktioniere“. Von knapp 100 Führungskräften hatte ein Fünftel ein sehr ernstes Burn-out. 40 Prozent standen kurz davor, ermittelte Hanebuth. Damit es weder den Vorgesetzten noch der Personalabteilung auffiel, nahmen zehn Betroffene Urlaub und machten heimlich eine kognitive Verhaltenstherapie oder begaben sich in eine Klinik. Laut Hanebuth entspannte sich die Situation dadurch. Aber sind Firmen auch bereit, ihren Kurs zu korrigieren, wenn die Mitarbeiter offensichtlich psychisch unter großen Druck geraten?

In vielen Firmen wird immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt. Kosteneinsparungen werden von oben diktiert, das hört Hanebuth täglich. „Dann soll ich verhindern, dass die Leute in den Burn-out gehen“, klagt er. „Viele Unternehmen machen nur Kosmetik und gehen die Ursachen nicht an.“ Er deutet an, dass manche Firmen Gesundheitskurse einkaufen, um hinterher freizügig Personal kappen zu können und für den Fall des seelischen Kollapses argumentativ gerüstet zu sein. Die „ Gesundheitsförderung“ hätte dann nur den Zweck, finanzielle, personelle und damit auch psychische Kahlschläge zu verschleiern. Das solle freilich nicht all jene Betriebe in Misskredit bringen, die sich aufrichtig um ihre Beschäftigten kümmern.

möglichst schnell und fehlerfrei

Natürlich ist längst nicht jeder Burn-out dem Management anzulasten. Eva Lohmann erkannte während ihres Klinikaufenthaltes, weshalb ihr Beruf ihr die Kraft raubte: „Ich bin sehr sensibel und arbeite nicht gerne im Team. Hinzu kam, dass ich mir jede Kritik sehr zu Herzen genommen habe. Auch wenn der Job nur 8 Stunden dauerte, war ich im Kopf immer 24 Stunden da.“ Sie wollte alle Aufgaben möglichst schnell und fehlerfrei bewerkstelligen, ohne um Hilfe zu bitten. „Entweder das Leben ist ein Abenteuer, oder es ist nichts.“ Dieser Satz, den sie eines Tages in der Klinik las, gab ihr den entscheidenden Ruck. Sie kündigte wenige Stunden später. In den acht Wochen in der Klinik erhielt sie eine tiefenpsychologisch ausgerichtete Psychotherapie – keine kognitive Verhaltenstherapie – und nahm an einer psychodynamischen Gesprächstherapie teil. Massagen, Autogenes Training und Gymnastik rundeten ihr Wochenprogramm ab. In dieser Zeit erkannte sie, dass sie starke Angst vor Fehlern hat. Ihr Perfektionismus und ihr Leistungswille wurden in den Sitzungen auf ihre Eltern zurückgeführt, deren vorgelebte Maßstäbe sie verinnerlicht hat. Lohmann ringt um deren Anerkennung, indem sie sich müht, erfolgreich zu sein. Künftig will sie „auf ihr Herz hören“. Es ist eine Lebensaufgabe, der sie sich stellt. ■

von Susanne Donner

DER AUSGLEICH MUSS STIMMEN

Idealerweise sollte man sich an jedem Arbeitstag während Freizeit und Schlaf komplett von den Anstrengungen der Arbeit erholen (A). Das gelingt allerdings den wenigsten Berufstätigen, wie die Burn-out-Expertin Beate Schulze von der Universität Zürich ermittelt hat. Häufig kommt es zwar zu ein wenig Erholung, das reicht aber nicht aus, sodass die Belastung im Laufe der Woche immer weiter steigt (B). Damit eine völlige Regeneration möglich ist, empfiehlt Schulze: Möglichst alle Verpflichtungen, die neben der Arbeit anstehen, unter der Woche erledigen, damit das Wochenende frei ist. Viele Menschen begehen den Fehler, die Erholung auf ihren Jahresurlaub zu verschieben. „Doch das funktioniert nicht“, mahnt die Psychologin. Ein paar Wochen reichen nicht aus, um die übers Jahr aufgebaute Belastung wirklich abzubauen (C).

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INTERNET

Aktuelle Zahlen zur Arbeitsunfähigkeit: www.dak.de/content/filesopen/ Gesundheitsreport_2011.pdf

Burn-out-Selbsttest der Universität Zürich: www.fzkwp.uzh.ch/services/Stressmgmt/ZEP-1/Fragebogen.html

Kompakt

· Was gegen Depressionen hilft, wirkt auch bei Erschöpfung, sagt ein Experte.

· Verhaltenstherapie und Sport haben sich am besten bewährt.

· Zur Vorbeugung sind vor allem Meditationstechniken zu empfehlen.

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