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Alte Sünden tauchen auf

Erde|Umwelt

Alte Sünden tauchen auf

Einen golden angestrichenen Autoreifen versenkte die Firma Goodyear 1972 etwa eine Meile vor der Küste von Fort Lauderdale/Florida, als Symbol für eine ebenso glänzende Zukunft der US-Meeresökologie – nachdem dort zuvor bereits rund zwei Millionen Altreifen ihr nasses Grab gefunden hatten. Der Gummimüll sollte als „künstliches Riff“ Fische anlocken und Korallen als neues Zuhause dienen.

So hatte es sich jedenfalls Ray McAllister gewünscht, damals Professor für Meerestechnik an der Florida Atlantic University in Boca Raton, inzwischen emeritiert. Er leitete gemeinsam mit dem US-Army Corps of Engineers und lokalen Behörden die maritime Recycling-Aktion. „Wir dachten, dass wir der Umwelt etwas Gutes tun“, beteuert McAllister. Mit Sicherheit tat er Gutes für das Unternehmen Goodyear, das seinen Reifenmüll einfach und kostengünstig los wurde.

Heute ist das Projekt eine Öko-Katastrophe. Die Stahlseile, die zusammen mit Nylonnetzen die Reifen beisammenhalten sollten, sind zum großen Teil korrodiert. So wurden viele lose Pneus bei Stürmen zu Unterwassergeschossen, die nahe gelegene Korallenriffe komplett zerstörten oder, an Land gespült, Floridas Küsten verschmutzten. Die verbliebenen Reifen lockten weder Fische an, noch wollten sich Korallen auf den sich ständig bewegenden, rutschigen Gummi-Oberflächen niederlassen.

William Nuckols, Ökologe bei der US-Küstenschutzbehörde Coastal America, berichtet von einer Wasserwüste, deren Boden auf 14 Hektar Fläche vollständig mit Reifenbergen bedeckt ist. In diesen Wochen beginnt Nuckols mit der Koordination einer Aufräumaktion, bei der bis zu 1000 Reifen pro Tag von Tauchern der Navy geborgen werden sollen. Was an Land mit der Gummibeute passieren soll, ist ungeklärt. „Diskutiert wird eine Verwendung als Straßenmaterial oder beim Bau von Mülldeponien“, berichtet der Projektleiter.

Amerikaner haben, angeblich der Umwelt zuliebe, schon immer gern ausrangierte Objekte im Meer versenkt – von Ölbohranlagen bis zu ausgeschlachteten Passagierflugzeugen. Dabei lassen sich neue Riffe auch weniger umstritten erschaffen, wie bild der wissenschaft berichtete („Fertighäuser für Korallen“, Heft 7/1996). So ersann der Architekt Wolf Hilbertz ein Verfahren, durch das Riffe mithilfe von Maschendraht und Sonne quasi von selber wachsen – und zwar durch Elektrolyse des Seewassers: Das Drahtgeflecht dient als Kathode, ein Grafit- oder Bleikern als Anode. Wird Strom angelegt, scheiden sich im Wasser gelöste Mineralien als Kruste aus Kalziumkarbonat und Magnesiumhydroxid auf dem Draht ab. Die Energie liefern Solaranlagen auf Bojen. Sobald der Strom ausgeschaltet ist, siedeln sich Korallen, Schwämme und Röhrenwürmer auf der Kruste an.

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Dass das gut funktioniert, zeigten Tests in den Neunzigerjahren vor den Seychellen, im Golf von Mexiko und in der Discovery Bay vor Jamaika. Momentan forstet Hilbertz in Indonesien Riffe auf, die durch Sprengstoff-Fischerei zerstört wurden. Helmut Schuhmacher, vormals Ökologie-Professor an der Universität Essen, hatte mit der Besiedlung solcher Krusten ebenfalls guten Erfolg: „Unsere Ergebnisse im Ras Mohammed National Park im Roten Meer sind überzeugend“, vermeldet der mittlerweile emeritierte Wissenschaftler.

Das weltweite Korallensterben macht Experten wie Schuhmacher und Hilbertz leider zu gefragten Männern: „Auf den Bahamas zum Beispiel gibt es kaum noch Riffe, wir sollen einen Rettungsplan erstellen“, berichtet Hilbertz. Der jüngste Hilferuf erreichte ihn – wen wundert es – aus Florida: „Es geht zunächst nur um Lizenzen“, sagt der Wissenschaftler, doch danach sollen vor der Küste auf mehreren Hektar Fläche seine Drahtkonstruktionen errichtet werden. Die verdienen wohl eher einen goldfarbenen Anstrich. Désirée Karge ■

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